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In Woltmershausen bei Bremen referirte Genossin Bosse| Erhöhung der Zölle protestirte die dritte Versammlung, und in der am 22. Februar in einer öffentlichen Versammlung der Wäscherinnen und Plätterinnen über„ Zweck und Nutzen der Or= ganisation". Die Ausführungen der Rednerin fanden ungetheilte Zustimmung. Nach dem Vortrag erörterten die Versammelten die Frage der Gründung einer eigenen Zahlstelle des Fabrikarbeiterverbandes. Vorläufig wurde ein Vertrauensmann gewählt, welcher die Geschäfte der Organisation bis zur nächsten Versammlung be sorgen soll. Dem Verband traten 21 Wäscherinnen und Plätterinnen bei, ein erfreuliches Anzeichen dafür, daß auch diese Arbeiterinnenkategorien zum Bewußtsein ihrer Klassenlage kommen und den Werth der gewerkschaftlichen Organisation erkennen.
A. B.
In Stralsund fand am 17. Februar eine öffentliche Frauenversammlung statt, in welcher Genossin Kiesel- Berlin über„ Die Bildungsbestrebungen der proletarischen Frauen" referirte. Es waren ungefähr 100 Frauen anwesend, die den Vortrag mit vollem Beifall aufnahmen. Für den neu zu gründenden Bildungsverein ließen sich 85 Frauen einzeichnen. Es wurde ein provisorischer Vorstand gewählt, dem die Ausarbeitung der Statuten obliegt. Als Vertrauensperson wurde Genossin Wulff gewählt. In einer zweiten Versammlung, in welcher die Statuten berathen wurden, waren etwa 40 Frauen anwesend, welche ihr Eintrittsgeld und für einen Monat Beitrag entrichteten. Wir hoffen bei der nächsten Versammlung auf einen Zuwachs an Mitgliedern, da viele Frauen nichts von der ersten Mitgliederversammlung gewußt haben wollen. Die Gründung des Vereins ist ein sehr erfreuliches Zeichen, da bisher die Frauen in Stralsund für nichts zu gewinnen waren. Es spricht dafür, daß die Proletarierinnen auch hier die Nothwendigkeit des Zusammenschlusses erkennen. Hoffentlich gelingt es uns auch mit der Zeit, Frauen gewerkschaftlich zu organisiren. Frieda Wulff.
In Leipzig fand Ausgang Februar eine öffentliche Frauenversammlung statt, in der Genossin Frenzel Bericht über ihre Thätigteit als Vertrauensperson erstattete. Nach eingehender Diskussion wurde Genoffin Frenzel wieder als Vertrauensperson, Genossin Schmidt als Stellvertreterin gewählt.
Jahresbericht der Vertrauensperson der Genoffinnen von Altona . In der Zeit vom 15. Oftober 1900 bis 7. Januar 1902 fanden in Altona vier öffentliche Versammlungen statt, welche der Agitation unter den Frauen dienten. Die erste Versammlung nahm einen Bericht über die Frauenkonferenz zu Mainz entgegen und wählte eine weibliche Vertrauensperson, Genossin Baumann. Mit der Frage des gesetzlichen Arbeiterinnenschutzes beschäftigte sich die zweite und stimmte nach einem Referat von Genossin Ihrer der bekannten Resolution der Genossinnen zu. Gegen die bevorstehende ihrer allrunden" Tüchtigkeit; sie sollten als Lebens- und Haus-| buch in der Hand aller deutschlesenden Frauen sein.
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Wie verstand diese Frau so trefflich auch die harten und schweren Seiten des Menschenlebens zu nehmen und siegreich zu bewältigen!
Wie wußte sie oft und oft zwischen dem gestrengen pedantischen Herrn Rath und dem genialen Sohn zu schlichten und zu ver= mitteln, Brüche und Falten zu glätten und Alles zum Besten zu richten! Nur eine solche Frau konnte den großen Lebenskünstler" hervorbringen, als welchen wir Goethe, wenn wir ihn genauer kennen lernen, bewundern müssen.
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Wie viele herrliche Züge an diesem erkennen wir deutlich als mütterliche Mitgift, wie das ja so oft bei bedeutenden und berühmten Menschen zu bemerken ist. Vielleicht kommt überhaupt viel mehr darauf an, was einer für eine Mutter gehabt hat, als darauf, wie sein Vater war! Mir will's so scheinen; doch überlasse ich gerne diese Frage den Naturforschern, Aerzten und Psychologen, die ja heutzutage das Gras wachsen hören, wenn man ihnen glauben will.
Wie für die Ihren, so hatte auch für alle Verwandten und Bekannten, für alle, die sich ihr nahten, die Frau Nath ein treffendes, erleichterndes und erheiterndes Wort. Alle Augen- und Ohrenzeugen, alle, die sie kannten, stimmen in ihren Aussagen über sie vollkommen folgender Selbstcharakteristik zu, die sie selbst in einem ihrer Briefe von sich entwirft.
" 3war( im echten alten Sinne von: zu wahr, d. h. fürwahr, wahrhaftig) habe ich die Gnade von Gott, daß noch keine Menschenseele mißvergnügt von mir gegangen ist, wes Standes, Alters und Geschlechts sie auch gewesen ist. Ich habe die Menschen sehr lieb und das fühlt Alt und Jung, gehe ohne Prätension durch die Welt und dies behagt allen Erdensöhnen und Töchtern bemo
letzten hielt Genosse Legien einen interessanten Vortrag über„ Zweites Aufgebot", eine Dichtung, welche die Frauenfrage behandelt. Es erfolgte in ihr des Weiteren die Berichterstattung der Vertrauensperson und deren Neuwahl. Als Vertrauensperson wurde Genossin Baumann wiedergewählt, als Stellvertreterin Genossin Lohse ernannt. Den Gewerkschaften wurden durch die Versammlungen der Genossinnen neue Mitglieder zugeführt. Es versteht sich übrigens, daß die Frauen an allgemeinen öffentlichen politischen und gewerkschaftlichen Versammlungen theilgenommen haben. An freiwilligen Beiträgen vereinnahmte die Vertrauensperson in der Berichtszeit 108 Mt. 39 Pf. Ihre Ausgaben beliefen sich auf 53 Mt. 65 Pf., wovon 36 Mt. 10 Pf. der Kasse der Kreisvertrauensperson zugeführt wurden. Es geht aus dem Mitgetheilten hervor, daß in Altona das Interesse für die proletarische Frauenbewegung unter den Frauen selbst noch recht schwach ist. Dagegen ist die Regsamkeit und der Eifer einer kleinen Anzahl von Genossinnen hocherfreulich. Mit großer Begeisterung und Opferfreudigkeit sind sie am Werke, immer weitere Kreise der proletarischen Frauen wachzurütteln und dem Kampfe für Recht und Freiheit alles Dessen zuzuführen, was Menschenantlig trägt. Hoffentlich wird ihre Ausdauer mit der Zeit durch gute Erfolge beL. B. lohnt.
Zweiter Halbjahresbericht der Vertrauensperson der Genoffinnen von Leipzig . Der Agitation unter den breiteren Massen der proletarischen Frauenwelt dienten im letzten Halbjahr vier große Volksversammlungen, von denen zwei von der Vertrauensperson, zwei von der Vorsitzenden des„ Bildungsvereins für die Frauen und Mädchen der Arbeiterklasse" einberufen wurden. Die zwei erſterwähnten Versammlungen, in denen Genosse Wittich referirte, bezweckten gleichzeitig eine Stellungnahme der Proletarierinnen Leipzigs zu den Plänen der Zollwucherer und gestalteten sich zu äußerst eindrucksvollen Protestkundgebungen gegen den 3olltarifentwurf. Eine einstimmig zur Annahme gelangte Resolution legte entschieden Verwahrung gegen jede Zollerhöhung ein und forderte Abschaffung aller indirekten Steuern und Zölle auf Lebensmittel. In den beiden anderen Versammlungen sprach Genossin Zetkin über„ Berufsarbeit der Frau und Mutterschaft" und " Frauenarbeit und Gewerkschaftsorganisation". Mit dem Erfolg der großen Agitationsversammlungen können die Genossinnen vollauf zufrieden sein. Leider ließ dagegen der Besuch einer Versammlung des Bildungsvereins zu wünschen übrig, zu der die arbeitslosen Frauen und Mädchen besonders eingeladen worden. und die speziell ihrer Aufklärung über die Ursachen ihres Elends dienen sollte. Der unbefriedigende Besuch der Versammlung ist ralisire niemand suche immer die guten Seiten auszuspähen, überlasse die schlimmen dem, der die Menschen schuf, und der es am besten versteht, die scharfen Ecken abzuschleifen, und bei dieser Methode befinde ich mich wohl, glücklich und vergnügt."
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Das unsäglich Wohlthuende ihres Wesens und ihre Gewalt über die Gemüther aller Derer, die mit ihr in nähere Berührung tamen, kannte sie auch selbst gar wohl. Darum konnte sie dem jungen Fritz von Stein , dem Sohn der langjährigen Herzensfreundin ihres Sohnes, mit gutem Gewissen in einem Einladungsbrief versprechen, daß es ihm, wenn er zu ihr nach Frankfurt komme, an Vergnügen nicht fehlen solle, wenigstens wolle sie Alles zur Freude stimmen.
Wie der in seiner Weise treffliche Fabel- und Liederdichter Gellert, durch seinen ungeheuer umfangreichen Briefwechsel noch mehr wie persönlich, der Beichtvater und Berather vieler Menschen in allerlei materiellen und Gewissensanliegen aller Art gewesen ist, so war in ihren Streisen die Frau Nath gar sehr gesucht als Trösterin, Beratherin und Helferin.
An die Herzogin Amalia von Weimar schreibt sie einmal über diesen selben Punkt:
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" Ich kenne so viele Menschen, die gar nicht glücklich sind, die das arme bischen Leben sich blutsauer machen und an allem diesem Unmuth und unmusterhaften Wesen ist das Schicksal nicht im Geringsten schuld. In der Ungenügsamkeit, da steckt der ganze Fehler. Ihre Durchlaucht verzeihen mir diese moralische Brühees ist sonst eben meine Sache nicht, aber seit einiger Zeit bin ich die Vertraute von verschiedenen Menschen geworden, die sich alle für unglücklich halten und ist doch kein wahres Wort daran. Da thut mir denn das Kränken und Martern der armen Seelen leid..."
( Fortsetzung folgt.)