Die Frage der weiblichen Fabrikinspektoren vor dem säch= sischen Landtag. Das sächsische Dreiklassenparlament beschäftigte sich kürzlich mit der Frage der Gewerbeaufsicht durch Frauen. Der Abgeordnete Dr. Vogel führte aus, daß die Thätigkeit der weiblichen Fabrikinspektoren in Sachsen   eine ungünstige Beurtheilung erfahren habe, während sie in anderen Ländern, zumal in Baden, größte An­erkennung gefunden. Dauernd ungünstige Erfahrungen würden die Frage aufdrängen, ob die in Sachsen   angestellten Damen ihrer Auf­gabe gewachsen wären und die nöthige Kenntniß von den gewerb­lichen Verhältnissen hätten. Der Abgeordnete Preibisch wies darauf hin, daß im Etat nur 2000 Mark für die Heranziehung von Frauen zur Fabrikinspektion eingestellt seien. Mit dieser Summe tönne man nicht viel ausrichten. Wenn die Einrichtung sich bewähre, so solle man einen größeren Betrag dafür auswerfen. Staatsminister v. Metzsch  erklärte darauf, mit der Anstellung der weiblichen Fabrikinspektoren sei lediglich ein Versuch gemacht worden. Trotzdem über die Thätig feit der verwendeten fünf Assistentinnen bereits Berichte vorliegen, könne noch kein abschließendes Urtheil über den Nutzen der neuen Einrichtung abgegeben werden. In der Hauptsache seien zufrieden­stellende Resultate erzielt worden, obgleich auf anderer Seite noch manches zu wünschen übrig geblieben. Die Regierung traue sich noch nicht, ein endgiltiges Urtheil über die Institution zu fällen. Der Ab­geordnete Preibisch habe vollständig recht, daß 2000 Mark eine zu geringe Aufwendung für die weibliche Gewerbeaufsicht seien. Da man aber damit noch experimentire, so habe die Regierung nicht ge= glaubt, eine höhere Summe in das Budget einstellen zu dürfen. Die Abgeordneten Dr. Vogel und Preibisch stehen zweifelsohne der Ge­werbeaufsicht durch Frauen sympathisch gegenüber. Es eignete ihnen der gute Wille, für die Neuerung einzutreten. Aber siehe da! Ihr Wissen hatte ein großes Loch! Sie wußten offenbar nichts von den geradezu einzigartigen Bedingungen, unter denen die Regierung ver­suchsweise" Frauen zur Mitwirkung bei der Gewerbeaufsicht heran­gezogen hat. Ihre Worte enthüllen nicht einmal eine Ahnung davon, daß in Sachsen   überhaupt keine Assistentinnen der Fabrikinspektion amtiren, daß vielmehr bloße Vertrauenspersonen" ernannt wurden, die wohl der Kreishauptmannschaft, aber nicht den Fabrikinspektoren unterstellt sind. Kein noch so schwächlicher Hinweis darauf, daß den ,, amtlichen Vertrauenspersonen" jede Machtbefugniß fehlt, keine be­stimmte Pflichtleistung vorgeschrieben ist, daß sie nicht einmal be­rechtigt und verflichtet sind, die der Gewerbeaufsicht unterstellten Betriebe zu revidiren! Kurz, unverbindliche, allgemeine, bedauernde Redensarten an Stelle der nöthigen einschneidenden Kritik an der Spottgeburt einer Reform, welche die sächsische Reaktionsregierung gezeugt hat. Der Minister konnte sich in der Folge mit einem in­haltlosen Hin und Hergerede von guten Erfahrungen einerseits, übriggebliebenen Wünschen andererseits an der schreienden Unzulänglich­feit der geschaffenen Neuerung herumdrücken. Die Umstände, unter denen in Sachsen   Frauen zur Gewerbeaufsicht herangezogen werden, sind bekanntlich eine Karikatur auf die weibliche Gewerbeinspektion. So waren auch die Verhandlungen über die Frage eine Karikatur auf eine ernſte, sachgemäße Erörterung der wichtigen Materie. Nur logisch dies im sächsischen Dreiklassenwahlparlament, das eine Kari­tatur auf eine Voltsvertretung ist. Das sächsische Reaktionsgeschwister hat Stilgefühl", es hält darauf, daß alles stilvoll" reaktionär bleibt. Die Austellung eines weiblichen Hilfsfabrikiuspektors für Finland hat der Senat dieses Landes beschlossen, der Industriever­waltung zu empfehlen.

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Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation.

Der 6. Kongreß der Textilarbeiter und Arbeiterinnen findet am 31. März und 1. April in Kassel   im Anschluß an die General­versammlung des Verbandes aller in der Textilindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen statt. Als vor­läufige Tagesordnung des Kongresses ist festgesetzt: 1. Bericht des Vertrauensmannes; 2. Stellungnahme, bezw. Wahl von Delegirten zum Gewerkschaftskongreß und zum internationalen Textilarbeiter tongreß; 3. die Zehnstundenbewegung.

Die zweite Generalversammlung des Verbandes der Buch­druckereihilfsarbeiter und Arbeiterinnen wird vom 28. bis 30. März in Berlin   tagen. In der Hauptsache liegen ihr Fragen vor, die sich auf den Ausbau und die bessere Organisation des Ver­bandes beziehen.

Um das Interesse der Arbeiterinnen der Handschuhindustrie an der Gewerkschaftsorganisation zu heben, hat der Hand­schuhmacher", das Verbandsorgan, eine Neuerung eingeführt. Ein bestimmter Raum des Blattes soll nach Möglichkeit für Artikel 2c. verwendet werden, welche Fragen behandeln, die für die Arbeite­rinnen besonders wichtig oder interessant sind. Bravo!

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Ueber den Stand der gewerkschaftlichen Organisation der belgischen Industriearbeiterinnen liegen die folgenden Angaben vor, welche wir dem Bericht entnehmen, den Genossin Tillmanns dem letzten Kongreß der sozialistischen   Frauen Belgiens  " erstattete. Die belgische Industrie beschäftigt auf 822976 Personen überhaupt 193039 weibliche Arbeitskräfte. Es gehören 9,21 Prozent der Arbeiter, aber nur 1,7 Prozent der Arbeiterinnen gewerkschaft­lichen Organisationen an. In den einzelnen Industriezweigen und Industriezentren ist der Prozentsatz der gewerkschaftlich organisirten Arbeiterinnen ein sehr verschiedener. Im Allgemeinen weisen die stärkste Betheiligung der Arbeiterinnen an den Gewerkschaften solche Industriezweige auf, wo Männer und Frauen zusammenarbeiten und die Organisationen männliche und weibliche Mitglieder umschließen. In Gent   sind die Arbeiterinnen am besten gewerkschaftlich organisirt. Die Gewerkschaft der Arbeiter und Arbeiterinnen der Leinenindustrie" zählt 1600 weibliche Mitglieder, das heißt 28,7 Prozent der Genter Flachsspinnerinnen. Der Gewerkschaft der Baumwollspinner und -Weber" gehören 100, gleich 43,6 Prozent Baumwollspinnerinnen an und 800 Baumwollweberinnen, das sind 35,9 Prozent. Die Gewerkschaft der Schneiderinnen und Näherinnen", die nur Frauen aufnimmt, umfaßt dagegen mit 106 Mitgliedern nur 5 Prozent der circa 2000 Arbeiterinnen des Schneidergewerbes in Gent  . In Alost   sind rund 25 Prozent der Baumwollspinnerinnen und -Weberinnen gewerkschaftlich organisirt. Die Zündhölzchen  -, Zigarren und Zigarettenarbeiterinnen von Gramont haben sich in einer Gewerkschaftsorganisation zusammengeschlossen, der 150 Mitglieder, das ist 16,8 Prozent der betreffenden Arbeiterinnen angehören. In Verviers   haben die Arbeiterinnen der Wollkäm­mereien drei Nur- Frauen- Gewerkschaften gegründet, von denen jede etwa 100 Mitglieder zählt. In Brüssel   ist im Allgemeinen die Zahl der gewerkschaftlich organisirten Arbeiterinnen noch gering. Die drei Gewerkschaften der Arbeiter und Arbeiterinnen der Bekleidungs­industrie, der Handels angestellten und Buchdruckereihilfs­arbeiter zählen etliche weibliche Mitglieder. Die Gewerkschaft der Buchbinder gründete eine besondere Sektion für die Arbeiterinnen des Gewerbes, der ungefähr 90 Mitglieder angehören. Das Gleiche that die Gewerkschaft der Arbeiter der Schuhindustrie, deren Ar­beiterinnen- Sektion ebenfalls gegen 90 Mitglieder zählt. Obgleich diese Sektion numerisch schwach ist und auch noch nicht seit lange existirt, hat sie für ihre Mitglieder doch bereits bemerkenswerthe Gr­folge errungen. Sie setzte in mehreren Fällen Lohnerhöhungen durch, bewirkte die Zurücknahme einer Entlassung und schlichtete Konflikte zwischen Arbeiterinnen und Unternehmern. Dem Vorstand der Schuh­arbeitergewerkschaft sind laut Beschluß dieser Organisation vier Ver­treterinnen der Sozialistischen Frauenliga von Brüssel   beigeordnet. Ge­nofsin Tillmanns hebt in ihrem Bericht hervor, daß die erfreulich große Zahl weiblicher Mitglieder der Gewerkschaften in Gent   in erster Linie das Verdienst der gewerkschaftlich organisirten Arbeiter ist. Seit Jahren betreiben sie unter ihren Berufsgenossinnen eine rege Agitation. So vertheilen sie unter Anderem vor den Thoren der Fabriken und Werk­stätten kurze Flugblätter, welche an der Hand von Thatsachen die Mißstände schildern, unter denen die betreffenden Arbeiterinnen und Arbeiter leiden, und welche auf die Gewerkschaft als die naturgemäße Schützerin und Vertheidigerin der proletarischen Berufsinteressen hin­weisen. Auch die Gewerkschaft der Genter Schneiderinnen und Nähe­rinnen ist unter Opfern von Genossen gegründet worden, die ihr noch heute fördernd zur Seite stehen. Die Gewerkschaft gründete ihrerseits eine Produktivgenossenschaft, in welcher arbeitslose Näherinnen Beschäftigung finden; sie errichtete ferner eine Fachschule, in der gegenwärtig 93 Schülerinnen gegen einen Betrag von wöchentlich 10 Cents( 8 Pf.) ausgebildet werden. Alle Gewerkschaften gewähren ihren kranken und arbeitslosen Mitgliedern Unterstüßung, ein Um­stand, der von den Arbeiterinnen sehr angenehm empfunden wird. Der Bericht betont, daß auch in Belgien   die Agitation für die ge­werkschaftliche Organisirung der Arbeiterinnen mit viel Hindernissen zu kämpfen hat. Von materiellen Bedingungen abgesehen, wird sie erschwert durch die Unwissenheit und das Vorurtheil der Frauen und durch die Gleichgiltigkeit und das Mißtrauen mancher Arbeiter. Ge­denkt man der Schwierigkeiten, welche der Einbeziehung der Frauen in die Gewerkschaften entgegenstehen, so sind die Erfolge um so an­erkennenswerther, welche in dieser Hinsicht in Belgien   zu verzeichnen sind.

Die Förderung der gewerkschaftlichen Organisation der Arbeiterinnen durch die Hirsch- Dunckerschen Gewerkvereine soll künftighin eine kräftigere sein als seither. Beschlossen wurde seitens des Zentralraths eine große Agitation zur Gewinnung der in Ge­werbe, Industrie, Hausindustrie und Handel beschäftigten Frauen und Mädchen für ihre Organisation. Es sollen Flugblätter verbreitet und Versammlungen veranstaltet werden, deren erste am 10. März in Berlin   stattgefunden hat. Der Zentralrath forderte die Ortsvereine