In Schottland   erhielten die Frauen im Allgemeinen unter den gleichen Bedingungen wie in England, was die vom Ehemann getrennt lebenden Frauen anbelangt jedoch unter günstigeren Be­dingungen als dort, im Jahre 1881 das Wahlrecht zu den Stadt­räthen, im Jahre 1889 zu den Grafschaftsräthen. Ihre Gleich­berechtigung, die Schulräthe betreffend, war ihnen schon 1872 zuerkannt worden.

In Irland   besitzen die Frauen, die selbständige Steuerzahler sind, das aktive Wahlrecht zu den Gemeindekörperschaften seit 1887 und seit 1896 auch aktives und passives Wahlrecht in der Armenpflege. Das Gesetz von 1898, das am 15. Januar 1899 in Wirksamkeit trat, hat die lokale Verwaltung Irlands   derjenigen Englands in den wesentlichen Zügen angeglichen. Die Frauen be fizzen nun auf Grund dieses Gesetzes das aktive Wahlrecht zu den eigentlichen Stadträthen, das aktive und passive Wahlrecht zu drei anderen Typen städtischer Verwaltung. Zu den weltlichen Kirch spielräthen und den ländlichen Sanitätsdistriktsräthen, die mit den Unions" der Armenpflegschaften übereinstimmen, eignet ihnen das aktive und passive Wahlrecht, zu den Grafschaftsräthen sind sie blos stimmberechtigt, nicht wählbar.

Es sei daran erinnert, daß vor nun bald 70 Jahren das eng­lische Parlament sich mit dem Frauenstimmrecht zum ersten Male be faßt hat. Eine Frau aus der hohen Aristokratie, Mary Smith von Stanmore, hatte eine Petition für das Frauenwahlrecht eingereicht, die aber erfolglos blieb. Zwei der berühmtesten Politiker Englands im 19. Jahrhundert, Richard Cobden   und John Stuart Mill  , machten sich zu Wortführern der Bewegung für Erlangung des Frauenstimm­rechtes. John Stuart Mill   legte im Jahre 1866 dem Parlament eine Petition von 1500 Frauen vor, die das Stimmrecht forderten, und schon im folgenden Jahre konnte er eine Petition mit 12000 Unterschriften überreichen. Am 20. Mai 1867 beantragte Mill bei Berathung der Wahlrechtsreform, daß das Wort man"( Mann) durch" person"( Person) ersetzt werde, somit die Frauen einschließe. 76 Stimmen( nach anderen Angaben 83 oder 73) wurden für, 196 gegen Mills Amendement abgegeben. Aus den weiter obenstehenden Mittheilungen geht hervor, daß das Parlament sich wiederholt mit der Frage des Frauenstimmrechtes auf dem Gebiete der lokalen Selbst­verwaltung beschäftigen mußte und sie im Allgemeinen zu Gunsten des weiblichen Geschlechts entschied. In den letzten Jahrzehnten verlief fast keine Session im Parlament, ohne daß Petitionen für das Frauenstimmrecht überreicht und Anträge für dasselbe ver­handelt wurden. Die Macht dieser Bewegung ist so stark, daß sich feine Partei ihr entziehen kann. Sowohl bei den Konservativen wie bei den Liberalen besitzt das Prinzip des Frauenstimmrechtes Anhänger und Agitatoren. Seit 1870 haben die englischen Frauenrechtlerinnen ein eigenes Frauenstimmrecht- Blatt( Women's Suffrage Journal). 1872 wurden nicht weniger als 167 Versammlungen im Interesse des Frauenstimmrechtes abgehalten.

Die Einführung des Frauenstimmrechtes für die Stadträthe ge­schah in formell sehr einfacher Weise, nämlich durch die Bestimmung des Gesetzes vom Jahre 1882 über die revidirte Städteordnung, welche besagt: Bei allen Bestimmungen dieses Gesetzes, die sich beziehen oder die betreffen das Stimmrecht für die Gemeinden und Körper­schaften, haben die Bezeichnungen dieses Gesetzes, soweit sie das männliche Geschlecht betreffen, ebenso Geltung für die Frauen." Ein Gesetz von 1894 erweiterte und sicherte die Rechte der verheiratheten Frauen in den ländlichen Gemeinde- und Bezirksräthen und den Armen­pflegschaften. Es bestimmte, daß Niemand durch Geschlecht und Heirath davon ausgeschlossen sei, Mitglied eines Kirchengemeinderaths zu sein, zum Waisenpfleger ernannt zu werden, auf der Wahlliste einer Lokal­verwaltung zu stehen oder Wähler für irgend eine lokale Behörde zu sein.

So bedeutungsvoll die Erfolge des Frauenstimmrechtes in Eng­land und die Leistungen der Frauen in den Körperschaften der Selbst­verwaltung sind, so sehr ist davor zu warnen, die Bestimmungen der englischen Gesetzgebung zu überschätzen. Die Frauen können nur dann als Wählerinnen in die Wählerlisten eingetragen werden, wenn sie auf ihren Namen, sei es als Eigenthum oder in Miethe, ein Haus bewohnen, das zu den Armenlasten zugezogen wird. Es ergiebt sich daraus die praktische Folge, daß das Frauenstimmrecht zu den Körperschaften der Lofalverwaltung fein allgemeines ist, das auch von der Masse der Proletarierinnen ausgeübt werden kann. Und was die weiblichen Steuerzahler anbetrifft, so beschränkt sich die Stimm­berechtigung in zwei wichtigen Körperschaften, den Stadt- und den Grafschaftsräthen, auf die unverheiratheten und verwitweten Frauen. Bemerkenswerth ist, daß das passive Wahlrecht zu den Gemeinde-, Bezirks, Armen- und Schulräthen für weitere Kreise der Bevölkerung Frauen wie Männer gilt, als das aktive Stimmrecht. Bedeutend weiter als die Gesetzgebung des Mutterlandes geht die vieler englischer Kolonien. In dem britischen Kolonialreich

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von Nordamerika   haben die meisten einzelnen Provinzen das Frauenstimmrecht auf kommunalem Gebiete im Allgemeinen unter den gleichen Bedingungen eingeführt wie in England. In Ontario  wurden 1884 die Frauen zu allen Gemeindewahlen und Volks­abstimmungen in der Gemeinde stimmberechtigt gemacht; sie erhielten auch das Recht, als Schulpfleger gewählt zu werden. Das aktive Stimmrecht zu der Wahl von Schulpflegern besaßen sie bereits seit 1850. In Neu- Schottland   besitzen das Stimmrecht auch die verheiratheten Frauen, deren Männer nicht stimmberechtigt sind. In Britisch Columbia und Manitoba   sind die volljährigen ver­heiratheten Frauen wahlberechtigt, im Nordwestgebiet die un­verheiratheten Frauen und Witwen. Kein Frauenstimmrecht besteht in der Provinz Quebec  , in Nord- Braunschweig und auf den Stt. Eduards- Inseln. In den afrikanischen Kolonien Eng­lands ist das Frauenstimmrecht auf kommunalem Gebiete ebenfalls eingeführt worden.

Am weitesten bei Einführung des Frauenstimmrechtes ist man im australischen Kolonialreich gegangen. In den festländischen Kolonien ist das Stimmrecht in der Gemeinde in der gleichen Weise geregelt, wie im Kirchspiel des Mutterlandes. Unter den näm­lichen Bedingungen besitzen in Neu- Seeland   die Frauen das Ge­meindewahlrecht. Tasmanien   stellte 1884 bei den Wahlen in den Landgemeinden die Frauen mit den Männern gleich. Das poli­tische Wahlrecht besitzen die Frauen in Neu- Seeland   seit 1893, in Süd- Australien   seit 1895; nach manchen Quellen, die wir leider nicht auf ihre Richtigkeit hin prüfen können, erhielten sie es 1900 in West Australien  . In Victoria   hat die zweite Kammer im letzten Jahre seine Einführung beschlossen, das Oberhaus trat jedoch dem Beschluß nicht bei.

a. br.

Der Stand der Bewegung unter den Pläfferinnen und Bleichereiarbeitern in Hamburg  .

Don Touise Biek.

Im April jährt es sich, daß die Agitation unter den in Bleiche­reien beschäftigten Arbeitern und Arbeiterinnen einsetzte. Da ist es wohl angebracht, einen Rückblick zu thun, das Erreichte zu mustern, die Kraft und Macht der Organisation genau abzuwägen, um daran ermessen zu können, was uns die Zukunft als nächst erreichbares Ziel in Aussicht stellt. Mit dem Stande der Organisation können wir durchaus zufrieden sein. Sind doch im Laufe der zehn bis elf Monate, seitdem die Agitation planmäßig betrieben wird, circa 1000 im Bleicherei­gewerbe beschäftigte Personen dem Verband beigetreten. Das ist um so höher anzuschlagen, als wir es hier in der Mehrzahl mit Arbeitern und Arbeiterinnen zu thun haben, für die bisher die Worte ,, Arbeiter­ bewegung  "," Organisation" böhmische Dörfer waren. Aber wenn auch die Schulung und Erfahrung mangelte, fehlte doch keineswegs die Intelligenz, der gesunde Menschenverstand", der kritische Blick für die umgebenden Verhältnisse. Im Gegentheil. Wir waren sehr erstaunt, welch großer Zahl von Dornröschen" wir begegneten, die wie es schien nur des erlösenden Russes" geharrt, um zu regem Leben für die Arbeiterbewegung zu erwachen.

Welch' ein frischer Zug ging durch die Versammlungen! Welch' lebhafte, sachgemäße Diskussion wurde gepflogen, deren Kosten fast allein die Plätterinnen und Bleichereiarbeiter trugen! Anknüpfend an die verschiedenen Punkte eines Referats spannen sie im Einzelnen den zum Ausdruck gebrachten Gedanken weiter, dabei scharfe Kritik an den Verhältnissen der verschiedenen Arbeitsstätten übend. Und das Alles in fließender Rede und logisch geordneten Sägen. An der Hand des in der Diskussion Ausgeführten durchwanderten wir im Geiste die einzelnen Betriebe, erhielten wir klaren Ueberblick über die unendlich vielen Uebelstände und waren um so eher in der Lage, Wandel schaffen zu können. Wandel ist denn auch schon recht viel geschaffen worden, wenn andererseits freilich noch mindestens ebenso viel zu ändern, zu bessern ist.

Zunächst hat die Organisation es sich angelegen sein lassen, Auf­flärung zu schaffen über den Gesetzesschutz, der den Plätterinnen und Bleichereiarbeitern zusteht, bezüglich der Arbeitszeit, der Sonntagsruhe u. s. w. Im Anschluß an die betreffenden belehrenden Vorträge sind die Versammelten aufgefordert worden, uns im Einzelnen die Betriebe zu melden, in denen die gesetzlichen Bestimmungen mißachtet würden. Dabei wurde selbstverständlich vollste Diskretion zugesichert und wieder­holt auf das Nachdrücklichste betont: Der Name des oder der Beschwerdeführenden wird nicht genannt. Von dem Augen­blick an, wo die Beschwerde übermittelt wird, ist sie unsere An­gelegenheit, die wir vertreten." Gewissenhaftigkeit betreffs der gemachten Angaben wurde auf das Strengste gefordert und erfreu­licherweise auch geübt. Da liefen denn eine stattliche Reihe von