Schmutzkonkurrcnz auszumerzen. Zweitens ist der größte Theil der Bleicher aus der Arbeiterklasse hervorgegangen. Er rekrutirt sich aus ehemaligen Bleicherknechten oder Handwerkern, die eine Plätterin gehei- rathet. ihrem Berufe Batet gesagt und eine Wäscherei eingerichtet haben. Wir finden also unter ihnen Personen, die früher bereits an der Arbeiterbewegung betheiligt waren und aus Erfahrung wissen, daß organisirte Arbeiter die besten und zuverlässigsten sind. Das aber nicht nur. weil die intelligentesten Arbeiter die Kerntruppen der Organisationen bilden, sondern auch weil diese außerordentlich erzieherisch auf ihre Mitglieder wirken. Leider haben wir erfahren müssen, daß nur ein kleiner Prozentsatz der Bleicher so einsichtig war, wie wir erwartet hatten. Ein sehr großer Theil derselben legt, namentlich in letzter Zeit, der Organisation gegenüber eine außerordentliche Gehässigkeit an den Tag, die sogar schon zu Thätlichkeiten gegen Einzelne ausartete. Andere Bleicher wiederum suchen durch Versprechungen oder kleine Lohnerhöhungen ihre Arbeiter und Arbeiterinnen der Organisation abwendig zu machen. Für die organisirten Arbeiterinnen und Arbeiter des Bleichergewerbes sollte das ein um so größerer Ansporn sein, mit ganzer Kraft am Ausbau der Organisation weiter zu arbeiten. Die Fernstehenden gilt es heran zu holen, die Saumseligen und Gleichgiltigen aufzurütteln, den Zaghaften, Scheuen und Furchtsamen Muth einzuflößen, die Unwissenden aufzuklären, sie alle zu schaaren um die Fahne der Solidarität. Je mehr dies der Fall ist, um so schneller, leichter und vollkommener werden wir unseren Forderungen Geltung verschaffen können. Ihr Genossen und Genossinnen aber, deren Töchter, Söhne oder sonstige Verwandte in den Bleichereien frohnden. unterstützt uns in unserer Arbeit der Agitation und Organisation. Sendet uns eure Kinder zu. Lehrt sie, daß nur gemeinsames Handeln Wandel schaffen kann. Für Alle gilt der Ruf:„Ans Werk!" Thue Jeder und Jede, was die Pflicht gebeut, angeregt und durchdrungen von der Ueberzeugung: „Viel Wenige machen ein Viel. Vereinte Kräfte führen zum Ziel." Aus der Bewegung. Vo» der Agitation. Im Auftrag des Vorstandes des Verbandes der Buch- und Steindruckereihilfsarbeiter und Arbeiterinnen unternahm Genossin Thiede eine größere Agitationstour, die in Verbindung mit den Vorständen der Organisation der Buch- und Steindrucker vorbereitet worden war. Versammlungen fanden statt in Chemnitz , Fürth , Nürnberg , München, Augs burg , Stuttgart . Karlsruhe , Mannheim , Frankfurt a. M. und Hannover . Sie erfreuten sich in den meisten Orten eines guten Besuchs, führten fast überall dem Verband neue Mitglieder zu, darunter eine größere Anzahl von Arbeiterinnen, und festigten das Zusammenhangs- und Pflichtgefühl der bereits organisirten Arbeiterinnen und Arbeiter. Im Anschluß an die öffentlichen Versammlungen fanden noch in mehreren der genannten Städte Milgliedersitzungen der Verbandszahlstellen statt, in denen über Mittel und Wege berathen wurde, Frau Rath Goethe. Von Manfred Wittich. (Fortsetzung.) Aber nicht nur mit schönen tröstlichen Worten ging die Frau Rath den Mühseligen und Beladenen zur Hand, die ihr ihr Leid klagten, sondern sie griff tapfer zu und auch in ihren Beutel, um zu helfen nach besten Kräften. Der Knabe Goethe war bei solchem Thun ihre rechte Hand und ihr wohlthätiger Postillon d'amour. Was er dabei lernte, dazu vergleiche man die nachdenkliche Stelle in Goethes Selbstbiographie, die durch die scharfäugige Beobachtung und strenge Kritik der bürgerlichen Gesellschaft höchst merkwürdig und wichtig ist: „Bei meiner Geschichte mit Gretchen(dem Gegenstand seiner „Backfischliebe") hatte ich zeitig in die seltsamen Jrrgänge geblickt, mit welchen die bürgerliche Sozietät unterminirt ist. Religion, Sitte, Gesetz, Stand, Verhältnisse, Gewohnheit, Alles beherrscht nur die Oberfläche des städtischen Daseins. Die von herrlichen Häusern eingefaßten Straßen werden reinlich gehalten und Jedermann beträgt sich daselbst anständig genug: aber im Innern sieht es öfters um desto wüster aus und ein glattes Aeußere übertüncht als ein schwacher Bewurf manches morsche Gemäuer, das über Nacht zusammenstürzt und eine desto schrecklichere Wirkung hervor- 60-- die Organisation auszubauen, zu kräftigen und durch fleißige Kleinarbeit die Agitation unter den Hilfsarbeiterinnen in Fluß zu halten. Im Auftrag des Agitationskomites der sächsischen Textilarbeiter und Textilarbeiterinnen unternahm Genossin Kähler- Dresden vom t. bis 16. März eine Agitationstour. Im Chem nitzer Bezirk fanden Versammlungen statt in Burgstädt , Hart mannsdorf und zwei in Limbach. Vier Versammlungen wurden in den Vororten von Leipzig abgehalten. Von hier aus ward die Agitation aller Winterkälte und allem Schnee zum Trotze in die Lausitz getragen. Es tagten hier Versammlungen in Kamenz , Cunewalde , Lübau, Neugersdorf , Zittau und Großschönau . Ueberall behandelte Genossin Kähler gewerkschaftliche Themata, wie „Der freie Arbeitsvertrag in Theorie und Praxis".„Warum sind wir arm?",„Arbeiterinnenelend und Arbeiterinnenschutz" w. Die Versammlungen in Leipzig und in der Lausitz erfreuten sich eines guten Besuchs, und die Ausführungen der Referentin fanden lebhaften Beifall. In einem Orte mußte leider die geplante Versammlung unterbleiben: in Oberneukirch, wo der Lokalbesitzer, dem Drucke von Oben gehorchend, seine Zusage, die Ueberlassung eines Versammlungssaals betreffend, zurückzog. Trotzdem wird auch hier die Arbeiterbewegung weitere Fortschritte machen. Im Allgemeinen war der Erfolg der entfalteten Agitation ein sehr guter. Der Textilarbeiterverband hat eine große Anzahl neuer Kämpfer und Kämpferinnen gewonnen. Nur frisch weiter gewirkt unter der Losung:„Wir Alle müssen Agitatoren sein", und die Massen der schlecht gelohnten Textilarbeiter und-Arbeiterinnen werden zu dem Bewußtsein kommen, daß die Organisation auch ihnen Macht verleiht. �V. X. Im Elsaß und in Württemberg sprach Genossin Zetkin kürzlich in mehreren Versammlungen. In Straßburg mußte an Stelle der geplanten öffentlichen Versammlung eine„Privatversammlung" treten, weil die Polizei die Genehmigung zur ersteren versagte. Wie sich herausstellte, besteht seitens der Behörden offenbar die Absicht, in Straßburg keine„auswärtigen Referenten" mehr sprechen zu lassen, eine Frau aber erst recht nicht, da„eine Frau Steinbach" 1895 „tolle Hetzreden" im Elsaß gehalten habe. Obgleich die Privatversammlung— der nur beiwohnen darf, wer eine persönliche Einladung erhalten hat— an einem Samstag Abend stattfand, war sie � doch gut besucht. Die Ausführungen zum Thema:„Der Zollwucher und die Interessen der Arbeiterklasse", fanden lebhafte Zustimmung. In Mülhausen sprach Genossin Zetkin bei der außerordentlich gut besuchten Märzfeier des Arbeiter-Wahlvereins über„Die Bedeutung des 13. März". Am folgenden Tage referirte sie in einer Vereinsversammlung des Frauenvereins „Reform" über„Frauenarbeit und gewerkschaftliche Organisation". Erfreulicherweise waren die Arbeiter und vor Allem auch die Arbeiterinnen der an sie ergangenen Einladung zum Besuch dieser Versammlung sehr zahlreich gefolgt. Im Anschluß an das Referat entwickelte sich eine lebhafte und interessante Diskussion, in welcher die Genossinnen Jmmensberger und Bißmann, die Genossen Gsell, Huber, Emmel und Tschia das Wort ergriffen. Mit eindringlichen Worten wiesen sie an der Hand von Thatsachen, welche die Ausbeutung der Mülhauser Textilarbeiterinnen, Nähe- brlngt, als es mitten in den friedlichen Zustand hereinbricht. Wieviel Familien hatte ich nicht schon näher und ferner durch Bankrotte, Ehescheidungen, verführte Töchter, Morde, Hausdiebstähle, Vergiftungen entweder ins Verderben stürzen oder auf dem Rande kümmerlich sich erhalten sehen und hatte, so jung ich war, in solchen Fällen zu Rettung und Hilfe öfters die Hand geboten"— meist im Auftrag der Mutter, dürfen wir annehmen. Von ihr lernte der Mann, der nicht nur den größten umfassendsten Geist, sondern auch das edelste, beste Herz von der Welt besaß,, daß der Mensch„edel, hilfreich und gut" sein soll. Wie in einem Taubenschlag ging es fast immer zu in der Santa Casa(der heiligen Hütte), wie Goethes Vaterhaus von dessen Freunden genannt wurde. Und die hier verkehrende Gesellschaft war wirklich gute, jedenfalls bedeutende Gesellschaft. „Ich bin viel glücklicher als die Frau von Reck(von der Recke). Die Dame muß reisen, um die gelehrten Männer Deutschlands zu sehen: bei mich(so schrieb Frau Rath) kommen sie alle ins Haus, das war ungleich bequemer— ja, ja, wem's Gott gönnt, giebt er's im Schlafe." Daß die jungen„Genies", die„Dichter des Sturm und Dranges", wie man Goethe und die Umwälzer unserer Literatur im 18. Jahrhundert auch genannt hat— soweit sie mit Goethe befreundet waren, die Stolberg , Klinger, Lenz, Lavater und wie sie
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12 (9.4.1902) 8
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