Der Kampf um das Arbeiterinnenschutzgeset

in Italien  .

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Als die bekannte energische Vorkämpferin des Sozialismus in Italien  , Anna Kulischoff, bei den Mailänder Geschehnissen im Jahre 1898 von Soldaten gefangen genommen und gemeinsam mit ihrem bedeutenden Parteigenossen Filippo Turati   vor das Kriegsgericht ge­schleppt wurde, um wegen Aufwiegelung der Massen" zu einer langen und äußerst harten Freiheitsstrafe verurtheilt zu werden, da sprach diese tapfere Frau die Worte aus: Ich habe an zwei sozia­listischen Kongressen theilgenommen, um den Schutz der Frau und des Kindes in der Industrie zu predigen. Als ich aber sah, daß sich die Partei( weil sie noch nicht genügend befestigt war. Anm. d. Verf.) nur wenig mit dieser Frage beschäftigte, da begann ich selber eine Propaganda, um meinen persönlichen Ueberzeugungen Anhang zu ver­schaffen, und ich hielt Vorträge, um den Arbeiterinnen die Noth­wendigkeit der Einführung eines solchen Gesetzes klar zu machen. Denn ich hatte die feste Ueberzeugung, daß dieses Gesetz sehr viel leichter einzuführen sein würde, sobald Diejenigen, welche dadurch geschützt werden sollen, sich selber über seine Wichtigkeit klar werden."

Inzwischen hat sich gar Vieles geändert in Italien  . Die sozia­listische Partei ist, fast ungeahnt schnell, gewachsen und hat immer mehr Anhänger erworben. Sowohl das städtische wie das ländliche Proletariat ist, wenigstens im Norden und in der Mitte des Landes, fast gänzlich gewonnen. Auch aus den anderen Ständen, insbesondere den gebildeten, treten hier mehr als in irgend einem anderen Staate Europas   die besten Elemente zum Sozialismus über. Nicht zum wenigsten die Frau des italienischen Proletariats denkt und fühlt jetzt ganz sozialistisch. Daher kommt es, daß die Forderung nach einem wirksamen Schutz der Frau, die als Lohnarbeiterin berufsthätig ist, sowohl von der Parteileitung als auch den der Partei angehören­den Frauen nicht nur anerkannt, sondern auch mit dem größten Nach­druck verfochten wird. Anna Kulischoff's Wunsch ist also in Erfüllung gegangen.

Schon seit geraumer Zeit ist eine sehr lebhafte Agitation für den gesetzlichen Arbeiterinnenschutz betrieben worden. Der Gesetzesentwurf, den Anna Kulischoff und Filippo Turati   ausgearbeitet haben, wurde von der Partei auf dem Parteitag zu Bologna   1897 gebilligt. Als seine Hauptverfechter mögen hier der sozialistische Abgeordnete Angiolo Cabrini   und seine Frau, die Sozialistin Maria Cabrini, besonders her­vorgehoben werden. Berühmte Männer auf medizinischem Gebiet, wie der Professor Angelo Celli   und der sozialistische Hochschullehrer

Frau Rath Goethe.

Von Manfred Wittich. ( Fortsetzung.)

In dem Volksbuch von den vier Haimonskindern heißt es an einer Stelle:" Da aßen sie und tranken sie und machten sich lustig, gulegt ging fie( Frau Aja  ) in den Keller und holte vom besten Wein, goß eine silkerne Schale voll und gab sie dem Reinhold" ( einem ihrer vier Heldensöhne).

Und ganz so wurde auch die Szene aufgeführt im Goethehaus zu Frankfurt   a. M., wobei nach des Dichters gewissenhaftem Ver­merk die edlen Jahrgänge 1706, 1719, 1725 und 1748 fredenzt wurden.

Als die, nach dem Zuge der Zeit in jener Sturm- und Drang­periode unserer Literatur freiheitsbegeisterten und tyrannenblut dürftigen Jünglinge in allerlei Zukunftsfreiheitsmusik ih: e Seelen austönen ließen, setzte Frau Aja in geschliffener Glaskaraffe den hochrothfarbigen Wein auf den Tisch und rief: Hier ist das wahre Tyrannenblut! Daran ergößt Euch, aber alle Mordgedanken laßt mir aus dem Hause!"

Der Politik ist sie freilich darin, nicht unähnlich ihrem Sohne, nicht sonderlich grün, namentlich nicht ihrer gewaltsamen Bethätigung im blutigen Kriege:

,, Krieg und Kriegsgeschrei soll nicht in Anschlag kommen- die großen Herren mögen sich einander besch...( das ist doch das rechte Wort), das soll uns nicht fümmern." Man beachte die volks­thümliche Derbheit, wie sie auch ihr Sohn, der Verfasser des Göz von Berlichingen, frühe ganz besonders oft und gern anwendete, aber auch im späten Alter noch in hellem Unwillen und Aerger des Defteren zum Besten gab.

Ihre Vaterstadt Frankfurt   aber war ihr ans Herz gewachsen und bei all ihrer Liebe zu ihrem Hätschelhans" brachte sie es nicht übers Herz, wegzureisen und diesen in Weimar   zu besuchen.

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Tullio Rossi- Doria, traten mit der Wucht wissenschaftlich- hygienischer Beweisführungen für die von der Partei aufgestellten Forderungen ein.

Die Gründe, welche die Sozialisten Italiens   zu dem Gesetzentwurf Turati- Kulischoff bestimmten, sind mannigfaltiger Natur. Da die­selben aber fast durchweg auch für deutsche Verhältnisse in Betracht kommen und deshalb schon oft und gründlich erörtert wurden, darf ich mich hier wohl mit nur ganz kurzen Andeutungen begnügen.

Man kann die Gründe, welche für einen energischen Frauenschutz in allen Gewerben sprechen, meines Erachtens in hygienische, moralische, wirthschaftliche und politische eintheilen.

Was zunächst die ersteren betrifft, so ist es wohl Jedem klar, daß weder der Arbeitgeber( aus Gewinnsucht oder Gleichgiltigkeit) noch die Arbeiterin selbst( meist aus Noth, oft aber auch aus Unwissenheit) darauf Acht geben, daß der Körper der arbeitenden Frau nicht groben Ueberanstrengungen oder sonstigen Schädigungen der Gesundheit aus­gesetzt ist. Besonders verhängnißvoll wird dies natürlich für die Nachkommenschaft, die bei der oft 13 stündigen Arbeit der Mutter, die in vielen Fällen überdies noch selbst bis zum Vorabend der Ge­burt fortgesetzt und nach wenigen Tagen wieder aufgenommen wird, schon von vornherein schwach und oft selbst lebensunfähig auf die Welt kommt und bereits in den ersten Tagen ihres Daseins ver­nachlässigt werden muß. Als Argument dafür, wie furchtbar die Folgen übergroßer Arbeit der Mutter auf das Leben des Kindes sind, möge ein Beispiel aus England gelten. In den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts betrug die Sterblichkeit unter den von den Textilarbeiterinnen in Birmingham   geborenen Kindern nicht weniger als 37 Prozent. Als aber in einem dieser Jahre ein Lohnkampf aus­brach und mehrere Monate lang dauerte, da betrug die Sterblichkeit der in dieser Zeit zur Welt gekommenen Kinder blos noch Pro­zent. Ein wahrhaft schlagender Beweis für die hygienische Schädlich­feit überlanger Fabrikarbeit!

Aber auch moralisch gereicht ihre ungeregelte, übermäßige Arbeit den Arbeiterinnen zum Schaden. Nichts ist natürlicher, als daß die Frau, die Tag aus Tag ein ihre 10 bis 13 Stunden abarbeitet und dazu noch die zahlreichen häuslichen Pflichten zu erfüllen hat, gänz­lich abgestumpft werden muß, den Sinn für höheres Streben und edlere Genüsse verliert und zu einem Arbeits thier herabsinkt.

Wirthschaftlich aber ist die Frau der ganzen Gewalt des Kapi­talisten hilflos preisgegeben, muß sich mit einem jämmerlichen Lohn begnügen und dafür noch desto länger arbeiten. Es ist verständlich, wenn sie deshalb unbewußt als die gefährlichste Lohndrückerin des Mannes auftritt.

,, Unsere gute Stadt" nennt sie Frankfurt   und rühmt von ihr: Aber, du lieber Gott, was sieht man nicht alles in dem nobeln Frankfurt  , der Himmel erhalte uns dabei, Amen."

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Und als einmal in Frankfurt   der Göz von Berlichen", das Drama ihres Sohnes, aufgeführt wurde, da jubelte ihr altfrank­furter Herz laut auf, als der gelehrte Olearius in dem Stücke auf die Frage des Abtes von Fulda  :" Wo seid Ihr her, hochgelahrter Herr!" die Antwort giebt: Herr!" die Antwort giebt: Von Frankfurt am Main  , Ihro Eminenz zu dienen."

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Gar lustig sei auch das lebhafte Applaudiren des Publikums bei dieser Stelle anzuhören gewesen, berichtet die Frau Rath.

Musik, Literatur und Theater sind ihr Leben@ element; mit ihren Kindern schwärmte sie für den in der Mitte des 18. Jahr­hunderts fast vergötterten Klopstock und schäßte es sich zur großen Ehre ihres Hauses, daß der Patriarch der damaligen deutschen  Literatur die Santa Casa besucht hat.

Mit wärmster Theilnahme und mit sichtlichem Verständniß für die Bestrebungen Wolfgangs empfängt und verschlingt sie jedes neue Werk von diesem. Das war wieder einmal ein Gaudium vor( so!) mich"; so und in ähnlichen Wendungen zeigt sie dem Dichter in ihren Briefen an ihn den Empfang jedes Buches seiner Schöpfung an.

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Seit 1772 Witwe, findet sich die Frau Rath muthig mit Kummer und Einsamkeit ab, ja sie scherzt sogar über ihren Zu­stand: Nur das Gegenwärtige gut gebraucht, und gar nicht daran gedacht, daß es anders sein könnte; so kommt man durch die Welt

und das Durchkommen ist doch- Alles wohlüberlegt- die Hauptsache."

Auch braucht sie fleißig das Mittel des Königs Saul, die Musik, vor Allem aber das Theater:" Da wird gegeigt, da wird trompetet ha, den Teufel möcht' ich sehen, der Kourage hätte, einen mit schwarzem Blute zu infommodiren."

( Fortsetzung folgt.)