die Partei befindet, überreichen wir die Resolution des Frauen­tongresses dem Parteivorstande, ohne jetzt auf einer Diskussion zu bestehen."

Unsere belgischen Genossinnen haben sich in der schwierigen Situation bewunderungswürdig gehalten. Nicht aus engherzigen frauenrechtlerischen Erwägungen heraus, nein, auf Grund ihrer sozia­listischen Ueberzeugung, die nicht vor dem Gebote eines reaktionären Liberalismus zusammenknickte, haben sie grundsätzlich die Forderung des Frauenstimmrechts als einen wesentlichen Punkt des sozialistischen Programms mit allem Nachdruck aufrecht erhalten. Als aber der Kongreß der belgischen Arbeiterpartei gesprochen, als er sich trotz aller eindringlichen Lehren der Vergangenheit und Gegenwart unter das kaudinische Joch des altersschwachen, arbeiterfeindlichen Liberalis­mus gebeugt hatte: da fügten sie sich in freigewollter Disziplin dem Beschluß. Ihr Verhalten beweist einen so hohen Grad von politischer Reife, daß im Hinblick auf sie wie auf ihr Aufklärungswerk unter den proletarischen Frauenmassen die stark betonte Rückständigkeit des weiblichen Geschlechts" viel von ihrem Schrecken verliert. Be­sonders hißige Verfechter des Kompromisses zwischen Sozialisten und Liberalen trumpften gegen die Forderung des Frauenstimmrechts recht fräftig mit der politischen Unreife" der Frauen auf. Uns will be­dünken, daß es Anhängern des Sozialismus sehr übel ansteht, sich im Hinweis auf die politische Unreife" irgend einer gesellschaftlichen Schichte zusammenzufinden mit dem reaktionären Klüngel, vom russi­schen Zaren an bis zum Grafen Manteuffel herab, der liberalen Feinde des allgemeinen Wahlrechts nicht zu vergessen. Das Wahl­recht ist kein belohnendes Zuckerbrot für politisches Wohlverhalten und politische Artigkeit. Es ist ein Mittel der Erziehung zur poli­tischen Reife, eine politische Kampfeswaffe. Daß die belgische Ar­beiterpartei das Frauenstimmrecht fallen ließ; ja mehr noch, daß sie es ihren Abgeordneten anheimgab, eventuell gegen dasselbe zu stim­men, has heißt gegen einen Punkt des eigenen Programms: ist unter den vorliegenden Umständen weniger bedeutsam des preisgegebenen Objekts wegen, wie als Symptom. In der That: das Ausscheiden der Forderung aus dem augenblicklichen Aktionsprogramm drückt dem Kompromiß mit dem Liberalismus das Siegel auf; es setzt die Unter­schrift der Partei unter den Paft, der sie aus der Führerin und An­peitscherin der bürgerlichen Revisionsfreunde zu deren Gefangenen und Gefoppten machte. Die letzten Ereignisse, die sich in Belgien abspielten und die aus der Tagespresse bekannt sind, haben klärlich dargethan, wie verhängnißvoll diese Thatsache auf den proletarischen Kampf zurückwirkte. Den bürgerlichen Bundesgenossen zu Liebe hat die belgische Arbeiterpartei zuerst das Programm ihrer Kampfesforde­rungen ,, revidirt", dann ihre Taktit. Die Verräthereien und Mogeleien der bürgerlichen Liberalen in der Kammer hat sie lediglich durch schönrednerische Bitten um Ehrlichkeit und Treue beantwortet, nicht durch den schärfsten parlamentarischen Kampf mit allen zu Gebote stehenden Mitteln. Dem hartnäckigen Widerstand der stockreaktionären Regierung und klerikalen Majorität hat sie nicht den Druck der prole­tarischen Massen außerhalb des Parlaments entgegengestellt. Erst als die parlamentarische Schlacht bereits verloren war, ließ die Parteileitung sich von den Massen den Generalstreik aufzwingen, und sie kommandirte ihn ab, noch ehe daß er seine Macht hatte erweisen können. Unter dem Einfluß des Kompromisses predigten die Führer den ungeduldig drängenden Massen zuerst das Hoffen und Harren auf die Entscheidung einer einsichtsvollen Kammer; dann das Hoffen und Harren auf die Gerechtigkeit und Weisheit des Königs. Und welches Königs! Des nämlichen Leopold, den die Sozialisten noch vor Kurzem als väterlichen Beschüßer der Tänzerin Cléo de Merode , als Haupt­aktionär des Kongostaats mit dem bittersten Spotte überschüttet, in der schärfsten Weise bekämpft hatten! Das Kompromiß mit den Liberalen hat bedingt, daß die schmetternde Fanfare des Kampfes um das gleiche Wahlrecht in einer matten Chamade ausgeklungen hat. Am 4. Mai tritt die belgische Arbeiterpartei zu einem außer­ordentlichen Kongreß zusammen. Hoffen wir, daß er die Auffassung und Taktik der Partei wieder zurück, revidirt" zum Prinzip des un­abgeschwächten proletarischen Klassenkampses. Geschieht das, so wird auch die Forderung des Frauenstimmrechts wieder eine Kampfeslosung der Partei werden, wie sie es bei früheren Aktionen zur Demokrati­sirung des Wahlrechts gewesen ist.

Frauenbewegung.

Die erste Beamtenprüfung für Ostindien können laut Be­schluß der niederländisch - ostindischen Regierung Frauen jetzt absol­viren. Von 32 gemeldeten Kandidatinnen bestanden Ende Januar 17 das Examen.

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Frauenstudium in Jena . An der philosophischen Fakultät der Universität Jena tönnen Frauen, wie nun endgiltig enschieden ist, Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara gettin( Bundel) in Stuttgart .

zum Studium, zu Uebungen und Arbeiten als Hörerinnen zugelassen werden. Bedingung für die Zulassung ist die deutsche Reichsangehörig­keit und der Besitz des Abgangszeugnisses eines deutschen Lehrerinnen­seminars.

Hochschulen genommen

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Studentinnen an französischen Hochschulen. An französischen die gewerblichen Hoch- und Fachschulen davon aus­studiren zur Zeit 1084 Frauen, und zwar 673 Fran­zösinnen und 411 Ausländerinnen. 21 Frauen studiren Jura, 412 Medizin, 98 Mathematik und Naturwissenschaften, 360 Philosophie und Philologie und 73 Pharmazie.

Vereinsrecht der Frauen.

Eine Erweiterung des Versammlungsrechts der Frauen in Preußen hat der zähe Kampf durchgesetzt, den die Sozialdemo tratie in Versammlungen und in der Presse gegen die Praxis des zweierlei Rechtes führt. Wie die Gleichheit" seiner Zeit mittheilte, wurde am 18. März eine Versammlung des Wahlvereins vom 4. Berliner Wahlkreise aufgelöst, weil der Vorsitzende sich weigerte, der polizeilichen Aufforderung entsprechend Frauen auszuweisen, welche der Versammlung als Zuhörerinnen in einem besonderen Segment" beiwohnen wollten. Die Maßregel des überwachenden Beamten fland im Widerspruch zu der Praxis der Polizei gegenüber den Damen der Jhenplize und Köferize im Zirkus Busch; sie stand im Widerspruch zu der dadurch bedingten unzweideutigen ersten Er­klärung des Polizeiministers in der Reaktionstüche, preußisches Ab­geordnetenhaus" benannt. Der Einberufer der aufgelösten Versamm­lung, Genosse Paul Hoffmann, legte deshalb durch Genossen Dr. Liebknecht Beschwerde gegen die Auflösung ein. Am 23. April lief darauf folgende Antwort vom Polizeipräsidium ein:

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Die von Euerer Hochwohlgeboren namens Ihres Mandaten, Maurers Paul Hoffmann, eingelegte Beschwerde vom 27. v. M. in Vereinsangelegenheiten sehe ich als erledigt an, nachdem inzwischen die überwachenden Polizeibeamten angewiesen worden sind, in polizeilich überwachten Vereinsversamm= lungen von der Befugniß, die Entfernung der Frauen zu verlangen, dann keinen Gebrauch zu machen, wenn diese nur als Zuschauerinnen und nicht als Theil­nehmerinnen erschienen sind, und diese ihre Eigen­schaft durch ihr Verweilen in von dem eigentlichen Ver­sammlungsraum räumlich getrennten Plägen äußer lich hervortritt."

Die ergangene Anweisung macht zum Recht aller Frauen, was bisher nur eine Gunst für die Damen der nothleidenden Junker und gutgesinnten Bourgeois war. Als Zuhörerinnen, räumlich von den Versammlungstheilnehmern geschieden, können in Preußen fortan Frauen politischen Vereinsversammlungen beiwohnen. An den Ge­nossinnen und Genossen liegt es nun, mit Energie und Ausdauer da­für einzutreten, daß der errungene Erfolg nicht blos in Berlin , son­dern in ganz Preußen ausgenügt wird, um eine einheitliche Hand­habung des Versammlungsrechts den Frauen gegenüber herbeizuführen. Als charakteristisch sei hervorgehoben, daß die bürgerlichen Frauen­rechtlerinnen sich auch im Kampfe um den strittigen kleinen Fortschritt zu Gunsten des Frauenrechts bescheiden im Hintertreffen gehalten haben. Den klassenbewußten deutschen Proletarierinnen liegt mithin die Thorheit ferner als je, von der Aktion der Damen eine kräftige Förderung des weiteren nothwendigen Kampfes um ein freies, ein­heitliches Vereins- und Versammlungsrecht im ganzen Reiche zu er­hoffen. Sie bauen auf ihre Kraft, auf die der Sozialdemokratie, um die ebenso ungerechten als sinnlosen Beschränkungen des Vereins- und Versammlungsrechts innerhalb und außerhalb Preußens zu Falle zu bringen.

Literatur zur Frauenfrage.

In Speemanns Annalen für das Jahr 1901/02 einem Buche, das über alle Vorgänge im verflossenen Jahre Auskunft geben soll, sind von 394 Seiten nur circa 3 bis 4 der Frauenbewegung gewidmet. Ueber die Arbeiterinnenbewegung findet sich in dem Buche kein Wort, lediglich die bürgerliche Frauenbewegung ist behandelt, so der Deutsch­evangelische Frauenbund, der zweite bayerische Frauentag, der All­gemeine deutsche Frauenverein, die fortschrittlichen Frauenvereine, das Frauenstudium. Daneben wird eine falsche Angabe über das Frauen­stimmrecht in Norwegen gebracht und der Antrag der Altenburgischen Regierung auf Regelung der Frauenarbeit in Bergwerken. Wir führen dies nur an, um die Einseitigkeit und Oberflächlichkeit in der Mache dieses Buches festzustellen. Eine weitere Kritik scheint uns in diesen Blättern unnöthig.

Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart .

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