173 Durchschnittstaxe für Geburten Mk. Altena .... 12 Altenburg (S.- A.) 7— g Arnswalde ... 78 Barmen.... 10-is Calbe a. S... 3-0 Elbing.... 3—10 Graudenz ... 3—12 Neuenkirchen- Ottweiler .. Saargemünd .. 3—10 Schleswig ... 1,S0— 18 Sonderburg.. K-7 Stargard i. Pr.. r-in- Taxe Iahres- gehalt Mk. 45 Bemerkungen Armengeburten Mk. nichts Nothleidende Hebammen — 2 desgleichen — 6 desgleichen 20-180— desgleichen 30 3 desgleichen 40-70 3 desgleichen desgleichen desgleichen Das feste Jahresgehalt. inklusive Naturalien und freier Wohnung-e. Ml. .. 37 .. S9 ? 13 SV— 80-200 2.S0 50-200— 40-100 3 sehr schlechte— Bezahlung Die Liste ließe sich bis ins Endlose fortsetzen. Mit eintöniger Regelmäßigkeit heißt es bei fast jedem Orte am Schlüsse: Nothleidende Hebammen vorhanden, hin und wieder mit der Bemerkung: Nach 30jähriger. nach SlZjähriger Thätigkeit! In Bischweier im Elsaß muß eine 8Zjiihrige Hebamme, die mehr als S000 Kinder j gehoben hat. heute noch praktiziren. da sie bei ihrem dürftigen Gehalt keinen Nothgroschen für ihre alten Tage erübrigen konnte! Die Ergebnisse der uns vorliegenden privaten Enquete werden vollauf bestätigt durch die amtlichen Erhebungen über die Besoldungsverhältnisse der Bezirkshebammen im Regierungsbezirk Oppeln . Diese Erhebungen erstrecken sich zudem über die gesammten Einnahmen der Hebammen, auf welche die obige Statistik nur annähernd schließen läßt. Es betrug im Regierungsbezirk Oppeln im Durchschnitt: Das durchschnittliche Entbindungshonorar Mk. 1.55-2,18 3 3 3(?) 1,85—2,25 2,25-3 1,75 3(?) 2-2,50 3 3 Die Gefamuit- einnähme Mk. 139 231 101 210 235 294 170 315 109 325 273 Im Kreise Lublinitz .. -- Neisse .. -- Neustadt . -- Oppeln .... 15 -- Pleß ..... W -- Ratibor .... 80 -- Rosenbcrg... 57 -- Rybnik .... 63 -- Gr. Strchlitz.. 11 -- Tarnowitz ... 36 -- Zabrze ....— Erhebungen in anderen Gegenden Deutschlands , in Baden. Württemberg , im Elsaß u. s- w. lieferten ganz ähnliche Resultate. In Preußen sind, wie erst kürzlich wieder im Abgeordnetenhaus festgestellt wurde, die Hebammenverhältnisse besonders ungünstige. Nur Sachsen hat sich bemüht, die Hebammen etwas besser zu stellen. Bei den Landhebammen steht die Beschwerlichkeit des Dienstes in geradezu schreiendem Kontrast zu der Erbärmlichkeit der Bezahlung. Dazu kommt gewöhnlich noch eine elende Wohnung, mitunter sogar im Armenhause, wo sich die Hebamme beim besten Willen nicht so sauber halten kann, wie es ihre Dienstvorschriften verlangen. Jndeß nicht nur auf dem Lande, auch in der Stadt lernt man sehr häufig eine außerordentliche Geringschätzung der mühevollen und aufreibenden Thätigkeit der Hebammen kennen. Es macht oft große Schwierigkeiten, die behördlich genehmigte Gebührentaxe zur Durchführung zu bringen. Besonders in den wohlhabenderen Schichten wird mit Vorliebe nur das äußerste Minimum dessen gezahlt, was die Taxe verlangt oder es wird sogar versucht, den Preis noch darunter herabzudrücken. Viele Geburtshelferinnen sind leider thöricht genug, sich das gefallen zu lassen und dadurch das Publikum in dem Glauben zn bestärken, der Hebamme gebühre eigentlich nur ein Trinkgeld für ihre Leistung. Von dem Bewußtsein ihrer vielen Pflichten geängstigt, ohne Wissen von den Rechten, die ihnen demgegenüber zustehen müßten, sozial gering geachtet und wirthschaftlich ausgebeutet, sind die Hebammen in ihrer großen Masse noch heute wie vor Jahrhunderten nicht etwa eine Schaar von„weisen Frauen", sondern von oft recht unwissenden armen Frauen, die nur schlecht und recht ihren Pflichten nachkommen._ Jofeplzine Döring f Ein plötzlicher, sanfter und schöner Tod hat ein Leben geendet, das die äußere Roth unter das Joch härtester Erwerbsarbeit beugte. und das innerer Drang dem Kampfe für die Erlösung der Ausgebeuteten weihte. Genossin Döring wurde in einer Frauenversammlung durch einen Herzschlag aus dem Kreise der Breslauer Genossinnen gerissen. Eines Proletariers Kind und eines Proletariers Weib hat die Verstorbene sehr viel saure Wochen und herzlich wenig frohe Feste kennen gelernt. Trotz ihrer 53 Jahre und ihrer sehr angegriffenen Gesundheit mußte sie bis zu ihrem Tode als Konfektionsnäherin schwer um des Lebens Nothdurft ringen. Als Saisonarbeiter war ihr Mann oft lange Wochen arbeitslos, und Genossin Döring inußte dann für zwei verdienen und schaffen. Wie manche Nacht hat sie unter dem Zwange schwärzesten Elends durchgearbeitet, Schmerzen in der Brust, im Rücken, in den müden Füßen, welche die Maschine kaum mehr bewegen konnten! Konfektionsarbeiterinnenloos! „Schaffen— Schaffen— Schaffen, Bis das Hirn beginn! zu rollen! Schaffen— Schaffen— Schaffen, Bis die Augen springen wollen! Saum und Zwickel und Band. Band und Zwickel und Saum— Dann über den Knöpfen schlaf' ich ein. lind nähe sie fort im Traum." Allein was immer Genossin Döring litt, was immer sie drückte: es versank, sobald sie eine sozialistische Broschüre, ein Bändchen Gedichte zur Hand nahm, sobald sie mit Gleichgesinnten über die Ideen sprechen konnte, die ihren Muth, ihre Thatkraft stets aufs Neue entflammten. Vor ihren Augen erstand dann eine neue, eine bessere Welt, in der die fleißige Arbeit nicht mehr darbt, und der tagdiebende Reichthum nicht mehr schlemmt, eine Welt, in der Weib wie Mann frei und glücklich einhergehen. Und für diese Welt wirkte sie mit aller Ueberzeugungs- treue und Begeisterung, soweit die Kräfte und Mittel es erlaubten, ja oft darüber hinaus. Als es vor sieben Jahren in Breslau eine organi- sirte Frauenbewegung gab, gehörte Genossin Döring zu ihren eifrigsten Anhängerinnen. Nachdem die Polizei diese Bewegung unterdrückt hatte, bethätigte sich„Muttel Döring"— wie die Verstorbene genannt wurde— soviel sie nur konnte in der allgemeinen Bewegung. Wo man fleißiger, gewissenhafter Kleinarbeit bedurste, war unsere Genossin zur Stelle. Sie war unermüdlich, Bons zu verkaufen, für den Besuch der Versammlungen zu werben zc. Mit größter Freude begrüßte sie es. daß in diesem Jahre wieder eine kräftigere Agitation unter den Breslauer Proletarierinnen einsetzte, die sie in jeder Beziehung zu fördern suchte. Mitten im Wirken für die Sache der ausgebeuteten Massen wurde sie vom Tode ereilt. Genossin Döring hatte es übernommen, in einer öffentlichen Frauenvcrsammlung. wie so manches Mal schon. Gedichte in schlesischer Mundart vorzulesen Seit Wochen bereits hatte sie sich auf den Tag gefreut. Als sie das Gedicht des Breslauer Dichters Holtet vortrug:„Suste nischt, ack heem"(„Sonst nichts, nur heim")— laut, sicher, mit tiefem Gefühl und guter Betonung— hielt sie plötzlich inne, faßte mit der Hand an den Kopf und sank ohne einen Laut auf den Stuhl zurück. Man glaubte an einen Ohnmachtsanfall. von dem sie schon öfter heimgesucht worden war. Allein die Wiederbelebungsversuche des rasch herbeigeeilten Arztes blieben ohne Erfolg. Den zahlreich anwesenden Frauen mußte die traurige Mittheilung gemacht werden, daß ein Herzschlag das Leben geendet, das bis zur letzten Minute dem Kampfe für das Recht und die Freiheit des Proletariats gewidmet gewesen war. Genossin Döring war„heimgegangen", noch ehe sie am Schlüsse ihres Vortrags mit dem Dichter erklärt hatte:„Heem will ich, suste nischt ack heem". Als die Genossinnen und Genossen eine Todte in die ärmliche, vier Treppen hoch gelegene Wohnung zurücktrugen, aus der vor wenigen Stunden eine tapfere Kämpferin geschritten. da fanden sie auf dem Tische nichts vor, als ein Töpfchen mit dünnem Kaffee und die aufgeschlagene„Volksmacht", in der Genossin Döring noch vor ihrem Fortgang gelesen hatte! Wenige Minuten vor ihrem Tode hatte sie der Versammlung erzählt, daß
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12 (22.10.1902) 22
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