Aus der Bewegung. Bon der Agitation. Im Anschluß an den Parteitag sprach Genossin Zieh in einer Reihe von Versammlungen in Bayern  . In München   fanden zwei Versammlungen statt. Zu der einen davon waren speziell die Gummiarbeiter und-Arbeite­rinnen eingeladen worden, zu der anderen die Wäscherinnen und Büglerinnen, um sie für die Gewerkschaft zu gewinnen. Beide Versammlungen waren gut besucht und brachten eine stattliche Reihe Aufnahmen für die Organisation. In der Gummiarbeiterversamm­lung waren dieChristlichen  " erschienen, die den freien Gewerk­schaften Mangel an Neutralität vorwarfen, und als Beweis dafür den Ausspruch Bömelburgs in seinem Schlußwort auf dem letzten Gewerkschaftskongreß zitirten:Die Gewerkschaftsbewegung und die deutsche Sozialdemokratie sind eins, zwei Wege giebt es da nicht." Genossin Zieh gab den Wahrheitsbeweis für diesen Ausspruch. Sie wies nach, daß alle Forderungen der organisirten Arbeiterschaft be­züglich Ausbau des Arbeiterschutzes, der Versicherungsgesetzgebung. Erweiterung des Koalitions-, Vereins- und Versammlungsrechtes. Abwehr des drohenden Brotwuchers u. s. w. nur mit aller Schärfe und Rücksichtslosigkeit von der Sozialdemokratie seit jeher vertreten worden sind und heute noch vertreten werden. Sie zeigte des Weiteren. daß dagegen durch die Schuld des Zentrums unendlich viele Forde­rungen der Arbeiter nach dringenden Reformen unerfüllt blieben. Es war ein böses Sündenregister des Zentrums, das denChrist­ lichen  " unter dem außerordentlichen Beifall der Versammelten von der Referentin vorgehalten ward. Wie die betrübten Lohgerber zogen die Herren schließlich ab. In Landshut  , wo Genossin Zieh eben­falls sprach, haben die Arbeiter leider nur ein kleines Lokal zur Verfügung, das bald überfüllt war. Erfreulicherweise wohnten der Versammlung viele Frauen bei. Glänzend besucht waren die Versammlungen in Miesbach   und Gmund   am Tegernsee, in denen der Arbeiterbewegung eine Anzahl neuer Mitkämpfer zu­geführt wurden. Einen überaus malerischen Anblick gewährten diese beiden Versammlungen. Die Frauen und Mädchen waren zum Theile in Landestracht erschienen, mit runden Hüten, welche Adlerfedern schmückten, ein anderer Theil wieder trug modern-städtische Klei­dung; die meisten Männer waren in ihrer Aebirglertracht: kurzen Kniehosen und malerisch über die Schulter geworfenem Mantel. Eine glänzende, zu Zweidrittel von Frauen und Mädchen besuchte Versammlung tagte in Fürth  . Der große Saal des Gewerkschafts­hauses, die tiefen Gallerten waren bis auf den letzten Platz besetzt. Mit tadelloser Aufmerksamkeit folgten die Anwesenden den Aus- der Dichter Holtet auf dem Friedhof in Rotkretscham begraben liegt, und daß auf seinem Grabstein die Worte eingemeißelt stehen: Suste nischt, ack heem". Nicht weit von der Grabstätte des Dichters haben nun die Genossinnen und Genossen die brave Frau selbst zur Ruhe gebettet, und der prachtvolle Kranz, den ihr die Elfteren als letzten Freundschaftsgruß spendeten, trägt außer der Widmung die angeführten Dichterworte. Der Tod. der Genossin Döring wie ein sanfter Freund kam. hat ihren seit Wochen arbeits­losen Mann schwer getroffen. Mit der treubesorgten Hausmutter hat er ihm die Ernährerin geraubt. Welch typisches Bild proletarischen Elends in dieser besten aller Welten! In dem nämlichen Augenblick. woMuttel Döring" andere Mühseligen und Beladenen durch herr­liche Dichterworte trösten, erquicke», erheben wollte, war daheim die Noth so groß, daß ohne eine Sammlung der Genossinnen die Be- gräbnißkosten nicht hätten gedeckt werden können. Es kennzeichnet die Liebe und Achtung, welche die Verstorbene genossen, daß binnen wenigen Tagen über IVO Mark für Kranz und Begräbniß beisammen waren, aufgebracht durch kleine und kleinste Beiträge. Die Genos­sinnen und Genossen von Breslau   werden ihremMuttel Döring" ein ehrendes Andenken bewahren. Die Verstorbene hat gezeigt, was Hunderttausende, was Millionen Enterbter können, wenn sie nur wollen, wenn sie sich selbstlos und opferfreudig dem Ideal der Mensch­heitsbefreiung ergeben. Wenn auch von ihrem Wirkenkein Lied. kein Heldenbuch" melden wird, so übertrifft es doch an innerem Gehalt den geschäftigen Müßiggang   mancher Fürstin undberühmten" Frau, von dem die Geschichtsklitterung ein Breites erzählt. Auch außerhalb Breslaus   wird es deshalb nicht an Empfindenden und Denkenden fehlen, welche im Geiste einen Kranz der Anerkennung am Grabe der schlichten Frau niederlegen, die unter schwersten Nöthen, in mühsamer Kleinarbeit wieder und wieder dasScherflein der Witwe", Alles, was sie hatte, dem Dienste der sozialistischen   Idee gewidmet hat. führungen der Referentin über das Thema:Die Frau im Er­werbsleben". In der Diskussion forderten die Vertreter der einzelnen Gewerkschaften zum Beitritt zu denselben in eindringlichen Worten auf. während Genosse Quint zum Abonnement der Arbeiter­presse anregte. Nach einem begeistert aufgenommenen Schlußwort der Referentin fand die imposante Versammlung ihren Schluß. In Nürnberg   fand zum erstenmal seit langen Jahren eine Frauen­versammlung statt, einberufen von Genossin Simon. Um den Frauen nicht den Platz zu rauben, waren die Männer zum großen Theile daheim geblieben. Die Veranstalter hatten aber leider verabsäumt, dafür zu sorgen, daß die Arbeiterinnen zu der Versammlung durch Hand­zettel eingeladen worden waren. Da die Tagespresse der Partei von denselben nur wenig gelesen wird, so waren höchstens Lot) bis 300 Per­sonen erschienen, allerdings der übergroßen Mehrzahl nach Frauen. Mit großer Aufmerksamkeit folgten die Anwesenden den Ausfüh­rungen über:Die politische Rechtlosigkeit der Frau". In der Diskussion ward von den Frauen der Wunsch ausgesprochen, daß öfter solche Versammlungen stattfinden möchten, zu denen eine bessere Propaganda entfaltet werde, um die Massen mehr heranzu­ziehen. Fast allseits ward bedauert, daß wir in Bayern   nur eine Rednerin haben: Genossin Greifenberg  , die sehr beliebt ist, und die man gern überall haben möchte, die aber den vielen an sie ge­stellten Anforderungen kaum nachzukommen vermag. Wünschen wir, daß unsere wackere Genossin Greifenberg   nicht erlahmt, und daß ihr bald tüchtige Mitarbeiterinnen zur Seite treten. I.. X. Um die gewerkschaftliche Organisation zu fördern und ihr ins­besondere auch die Arbeiterinnen zuzuführen, fanden auf Veranlassung der Generalkommission in folgenden Orten Versammlungen statt: Buttstädt  . Cölleda  , Frankenhausen  , Teuchern  , Querfurt  . Hohenmölsen  , Merseburg   und Naumburg  . Genossin Kähler- Dresden referirte in denselben überHungerlöhne und theures Brot",Arbeit und Recht",Die Organisationsbestre­bungen der Arbeiter im 20. Jahrhundert". Die Versamm­lungen fanden ausnahmslos in Orten statt, wo der Verdienst der Lohnsklaven ein sehr niedriger, die Arbeitszeit eine 11 und 12 stündige ist und wo kein kräftiges Gewerkschaftsleben pulsirt. Da jedoch die Versammlungen vom Genossen Normann-Weißenfels sehr gut vorbereitet worden, nahmen sie einen prächtigen Verlauf und hatten guten Erfolg. Das verdient um so mehr hervorgehoben zu werden, als hier und da die Arbeiter sich gar zaghaft und verstohlen in den Versammlungssaal drückten. So war es besonders in Cölleda  . wo nur ein Sechstel der Erschienenen sich aus der Arbeiterschaft re- krutirte, fünf Sechstel aber von Kleinbauern. Kleinmeistern. Gewerbe­treibenden und ihren weiblichen Familienangehörigen gestellt wurden. Die Ausführungen der Rednerin überArbeil und Recht" fanden lebhaften Beifall, lockten aber auch vereinzelte Aeußerungen des Widerspruchs hervor. Leider trat trotz wiederholter Aufforderung keiner der gegnerischen Herren Genossi» Kühler entgegen. In den sechs zuerst genannten Orten gelang es. Anknüpfungspunkte für die Gründung von Zahlstellen des Fabrikarbeiterverbandes zu finden. Die entfaltete Agitation führte außerdem verschiedenen Ge­werkschaften, sowie der Partei neue Mitglieder zu und gewann der Arbeiterpresse zahlreiche neue Abonnenten. Möchten die Männer und Frauen, die sich der modernen Arbeiterbewegung angeschlossen haben. immer mehr vom Geiste des proletarischen Klassenbewußtseins durch­drungen werden, möchten sie alle Kräfte in den Kampf für das Recht. für die Befreiung der Arbeit einsetzen.>V. X.  In Zwötzen   bei Gera  (Reuß j. L.) fand Ende September eine von über 400 Personen besuchte Volksversammlung statt, in der Ge­nossin Baader-Berlin überZweck und Nutzen der gewerk­schaftlichen Organisation" sprach, sowie überDie Fleisch- vertheuerung und das Verbot der Einfuhr von Schlacht­vieh". In ausführlicher Weise legte die Referentin zum ersten Thema klar, wie Dank der kapitalistischen   Ausbeutung die Besitzenden unermeßliche Reichthümer aus der Arbeitskraft der Besitzlosen heraus­pressen. Sie zeigte dabei besonders, daß der geringe Verdienst des Mannes die Frau zum Mitverdienen zwingt, und welche verhängniß- volle Rolle diese als Schmutzkonkurrentin des Arbeiters spielt. Ein­gehend begründete sie dann die Nothwendigkeit, mittels kräftiger Gewerkschaftsorganisationen bessere, menschenwürdigere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erringen. Ihre Ausführungen klangen in der Aufforderung an die Versammelten aus, sich ihren Gewerkschaften anzuschließen. Zum zweiten Punkte der Tagesordnung wies Genossin Baader die wahren Ursachen der jetzigen Fleischtheuerung nach und übte schärfste Kritik an der maßlosen Gewinnsucht der Agrarier, wie der Haltung der Regierung und der Reichstagsmajorität. Wirksam setzte sie ins Licht, daß allein die Sozialdemokratie auchjsin jdieser Frage rückhaltslos die Interessen des werkthätigen Volkes vertritt. Eine von der Rednerin empfohlene Resolution fand einstimmige An-