aber fremde, die sie in Host und Pflege(?!) genommen, uneheliche Kinder oder Waisen. Die Frau hat im Parterre einen Zigarren­laden. Im Keller, unter dem Laden, schlafen die armen Würmer. Des Morgens fünf Uhr müssen sie aufstehen, denCorrespondenten " und dieNachrichten" heranholen und austragen. Dabei sind es sehr weite Touren, die diese Kleinen zurückzulegen haben, bis nach Pöseldorf, Eppendorf u. s. w. Die Kinder müssen nüchtern an ihre Arbeit gehen, erst wenn sie ihre Tour gemacht, gibt es Kaffee. Man denke: im Winter, bei grimmer Kälte des Morgens fünf Uhr werden die Ärmsten aus dem Bett gerissen, ohne etwas Warmes genossen zu haben müssen sie hinaus, sich müde schleppen, im Galopp die Treppen auf und ab eilen. Ob Frau Schmidt wohl alles Mitgefühl abhanden ge­kommen ist? Ferner möchten wir fragen: Wo ist der Vormund der armen Kleinen? Weiß er nichts von dieser scheußlichen Aus­beutung? Stellen wir den Stundenlohn bei der einzelnen Zeitungskolportage zusammen, so ergibt sich folgendes Bild: Generalanzeiger " Hauptexpedition....... 15'/- Pf. - Filialen.......... 7'/«- Die Kinder............ 2 bis 2'/,- Neue Hamburger Zeitung"......... 14- Hamburger Neueste Nachrichten"....... 10- In den Zeitungsgeschäften:Correspondent ",Fremden­blatt" undHamburger Nachrichten"..... 7'/-- Kinder in diesen Geschäften........ 8- Hamburger Echo".............- durchschnittlich. Der Stundenverdienst schwankt hier zwischen 39 Pfennig und 1.02 Mark. Die Zahlen über den Verdienst der Kolporteure desEcho" sind einer von ihnen selbst aufgemachten Statistik entnommen. Daß sich dabei so große Schwankungen zeigen, ist dem Umstand zuzuschreiben, daß ganz alte Leute von sechzig und siebzig Jahren, daß Krüppel mit austragen, die natürlich längere Zeit für die Besorgung einer gleich großen Kundenzahl gebrauchen als gesunde und jüngere Leute. Bei der Kolportage desEcho" verdienen die Austräger und Trägerinnen durchschnittlich also viermal so viel als der bestgestellteste Kolporteur bei den anderen Blättern. Dabei ist bei den Echokolporteuren die Zeit des Kassierens und Abrechnens als Arbeitszeit mit in Anrechnung gebracht, bei den übrigen Kolporteuren nicht. Die Echokolporteure brauchen ihre Zeitungen übrigens nicht erst stundenweit zu schleppen, sondern dieselben werden per Wagen zu dem Filialleiter geschafft, der in dem Bezirk wohnt, wo sie ver­breitet werden sollen. DasEcho" zahlt pro Exemplar und Woche 7 Pfennig, in den Vororten, wo die Kundschaft zerstreuter wohnt, bis zu 10 Pfennig. Ferner haben nicht die Kolporteure für das Risiko zu haften, wenn ein Kunde nicht bezahlt, vielmehr trägt das Geschäft selbst den Schaden. BeimGeneralanzeiger" rc. wird den Kolporteuren dagegen etwaiger Ausfall allmonatlich von ihren paar Pfennigen Verdienst abgezogen. Ferner sind die Echokolporteure gegen Unfall versichert. Keine der übrigen Firmen hat derart für Der Gurten. Von Albert Gnntzmann. Autorisierte Übersetzung von Wilhelm Thal. (Fortsetzung.) Es wurde Winter. Mogensen erweiterte sein Geschäft und verkaufte Kleinholz. Ins Fenster stellte er zwei Wassergläser, das eine mit dünnen, langen Lakritzenstangen, das andere mit glänzenden, rotweißen Zuckerstangen. Er hatte gefunden, daß man zunächst die Kinder zu Kunden bekommen mußte. Dann kamen die Eltern schon hinterdrein. Doch es war gleichsam, als wäre der Keller mit allen seinen Lockmitteln für die täglich Vorüberwandelnden völlig unsichtbar. Seine Waren waren so gut, seine Preise so billig wie anderswo, und Mogensen wußte in seinem Innern, daß er es mit jedem seiner Konkurrenten aufnehmen konnte. Aber selbst die Bewohner des Hauses, in dem er seinen Laden hatte, gingen um die Ecke und kauften eine ganze Straße weiter, was sie ebensogut bei ihm bekommen konnten. Und er grüßte doch alle so ehrerbietig und mit so aufrichtiger Hochachtung. Sie grüßten gleichgültig und gingen weiter. Marie fing an, sich zu schämen. Sie wurde von Gewissens­bissen gepeinigt, weil sie die Hochzeit beschleunigt und Mogensen verleitet hatte, Geschäftsmann zu werden. Aber Mogensen sah nicht, wie mager und bleichwangig sie war. Er wollte es nicht sehen. ihre Austrägerinnen gesorgt. Und doch ist die Unfallversicherung von außerordentlicher Wichtigkeit, ist doch bei dem vielen Treppenlaufen. oft in dunklen Treppenhäusern, bei dem Durcheilen der Straßen, zumal wenn sie im Winter glatt sind u. s. w., ein Unfall nur zu leicht möglich. Aber freilich, die Versicherung würde den Firmen ein paar Pfennige kosten, und was da gespart werden kann, istverdient". So erklärt es sich, daß der Filialleiter desGeneralanzeiger", Herr Darmstädter , sogar bemüht ist, die Beiträge zur Ortskranken- kaffe zu sparen. Er sucht die Frauen zu veranlassen, aus derselben aus- und einer Hilfskasse beizutreten, von welcher er eine Filiale führt. Willfahren die Austrägerinnen dem Ansuchen, so erspart der Herr nicht nur die Beiträge zur Ortskrankenkasse, sondern er heimst für jedes neue Mitglied noch die Prozente ein. Gemunkelt wird außer­dem, daß die Kasse in die berüchtigte Kategorie unsicherer Gründungen gehören soll. Was ist nun die Folge der jammervollen Entlohnung der Aus­trägerinnen bei den bürgerlichen Zeitungen? In erster Linie, daß die Frauen trachten, daß ihnen möglichst viel Abonnenten zur Be­dienung überwiesen werden. Mit anderen Worten, sie lassen sich angelegen sein, durch intensivere, angestrengtere Arbeit ihren Verdienst ein wenig höher zu bringen, bedenken aber nicht, daß infolgedessen ihre Gesundheit umsomehr Schaden leidet. In zweiter Linie werden beim Austragen die Kinder mit verwendet, um mit ihrer Hilfe einen möglichst großen Kundenkreis bedienen zu können. In Eimsbüttel besorgt zum Beispiel eine Frau mit vier Kindern zusammen das Aus­tragen von 430 Exemplaren derNeuen Hamburger Zeitung" und 350 Exemplaren desGeneralanzeigers". Da gilt es also, dreimal die Tour abzulaufen, des Morgens und Abends dieNeue Hamburger Zeitung" und nachmittags denGeneralanzeiger" auszutragen, und das mit Kindern im Alter von acht bis zwölf Jahren. Zu all den bereits angeführten schlimmen Folgen, welche die Kinderarbeit für die Kleinen selbst mit sich bringt, tritt noch ein weilerer Nachteil für die Eltern. Die Kinderarbeit ist billiger und wirkt deshalb ungemein lohndrückend auf den Verdienst der anderen Kolporteure. Je mehr Kinder ein Austräger oder eine Austrägerin zur Unterstützung verwendet, je größer dadurch der Ge­samtverdienst wird, desto mehr muß das als Vorwand herhalten, die Bezahlung so jammervoll niedrig als nur möglich zu normieren, das aber unter dem Hinweis, der Monatsverdienst sei doch ein ganz guter. Wieviel Arbeitskräfte sich in den Gesamtverdienst zu teilen haben, wieviel Arbeitsstunden darin stecken, das wird natürlich nicht gesagt. Es soll keineswegs verlangt werden, daß für einige Tagesstunden, welche die Kolportage in Anspruch nimmt, ein voller Tageslohn gezahlt wird. Wie Gelegenheitsarbeit, für die der Stundenlohn höher ist, als für regelmäßige Tagesbeschästigung, sollte jedoch billigerweise auch die Kolportage entlohnt werden. Statt dessen aber erhalten die bei der Kolportage Beschäftigten nicht einmal den Stundenlohn, der bei gewöhnlicher Tagesarbeit gezahlt wird. BeimGeneralanzeiger" wurde den Austrägerinnen versprochen, sie sollten nach zehnjährigem Bestehen der Firma eine Gratifikation erhalten. Ganz abgesehen Eines Tages kam der Bierkutscher zu Besuch. Er war fett geworden, der Bierkutscher. Und dann hatte er sich eine schwere, glänzende, unechte Uhrkette angeschafft, die sich straff über seinem mächtigen Bauche spannte. Sie konnten ihm keine Erfrischungen vorsetzen. Doch sie taten, als verstände sich das von selbst und bemühten sich, ihn so wenig wie möglich zu Worte kommen zu lassen. Das nützte ihnen aber nichts. Das geht wohl nicht so recht mit'm Geschäft", sagte der Bierkutscher,soweit ich sehen kann. Es ist wohl nicht zu be­fürchten, daß dir deine Türklinke fürs erste abgebrochen wird?" Ach", sagte Mogensen und machte ein gleichgültiges Gesicht, ach, klagen kann man ja eigentlich nicht!" So? Na, du hast ja aber fast ein Jahr hier gesessen. Da solltest du doch wissen, ob das anders werden kann." Mogensen erblaßte ein wenig. Du solltest die Sache aufgeben, so lange es noch Zeit ist", fuhr der Bierkutscher fort.Das ist hier nichts wie ein lang­sames Absterben.... Das ist nichts für Leute eures Schlages.... Und da ist es das Beste für dich und deine Frau, ihr laßt die Finger davon!" Als der Bierkutscher gegangen war, saßen Mogensen und Marie lange stumm. Doch auf einmal ging sie zu ihm hin und strich ihm mit der Hand über die Stirn. Ob es nicht das beste wäre, wenn man sich wieder nach einer Stelle umsieht?" sagte sie leise.