Bestreben, der Natur ihre geheimsten Eigentümlichkeiten abzulauschen, führt hier, wie manchmal zu einer ungewollten Vergewaltigung der selben. Durch die mechanische Einteilung der Menschheit i» ein passives weibliches und ein aktives mannliches Geschlecht ist auch den ausnahmsweise geartete» Individuen die ihrer Statur entsprechende Entwicklung doktrinär abgesprochen. Auch ich verurteile auf das entschiedenste eine Bevorzugung der Frauen aus mißverstandener Rücksichtnahme auf ihr Geschlecht, aber um so uneingeschränkter soll die Möglichkeit vorhanden sein, daß die Befähigten zu dem für sie geeigneten Tätigkeitsfeld gelangen können. Wie aber soll die Arbeiterin für die Organisation gewonnen werden? Mit der Beantwortung dieser Frage glaubt der Artilelschreiber der Mitteilungen zugleich die Lösung des oben gestreiften Problems gesunde» zu haben. Die religiösen Vereine beider Konfessionen, welche gerade den jugendlichen Arbeiterinnen Festigkeit und Verständnis für die ernsten Aufgabe» des Lebens einflößen sollen, mögen auch die Vorbereitungsschulen für die gewerkvereinliche Tätigkeit der Frauen sein, können diese doch, wie Gertrud Dyrensurth in einem Artikel derSozialen Praxis" sagt, am ehesten dann für eine Idee gewonnen werden, wenn diese ihnen im Lichte religiöser Bedeutung erscheint. Die unmittelbare religiöse Betätigung innerhalb der Gewerk- vercine schließt natürlich der interkonfessionelle Charakter, welchen auch der Autor der Mitteilungen den Berufsorganisationen unbedingt erhalten wissen will, vollständig aus. Eine Diskussion hat bis jetzt trotz der Aufforderung der beiden Redaktionen über diese Borschläge in der christlichen Arbeiterpresse noch nicht stattgefunden. In Einzelfragen dürften verschiedene Arbeiter­führer von dem hier geschilderten Organisalionsprojekt abweichen, vielleicht würde auch die Ansicht, daß eine Gleichberechtigung der Frau nicht nur nnmöglich, sondern nicht einmal wünschenswert sei, eine Zurückweisung erfahren, in der Grundidee, der Nutzbarmachung der religiösen Veranlagung der Frau als Triebfeder zum sozialwirt­schaftlichen Wirken in der Organisation, wird aber voraussichtlich ungeteilte Uebereinstimmung herrschen. Auch wir können, ganz gleich­gültig, wie wir der Religion überhaupt und den einzelnen Konfessionen gegenüberstehen, es nur mit Freuden begrüße», wenn die praktische gewerkschaftliche Tätigkeit mit tief im Volksleben eingewurzelten Weltanschauungen in harmonischen Einklang gebracht wird. Voraus­setzung ist selbstverständlich, daß die Betonung des religiösen Moments die Kluft nicht erweitert, welche heute die Arbeiter der verschiedenen Weltanschauungen und deren Organisationen voneinander trennt- Durch die Notwendigkeit eines Zusammenwirkens auf wirtschaftlichem Gebiet werden auch hier mit dem Schwinden der Intoleranz in prinzipiellen und programmatischen Fragen die Anforderungen an das solidarische Mitwirken im praktischen Kampfe zunehmen. ___ Fanny Jinle. Aus der Bewegung. Den ersten Fraucn-Wahlverein in Preußen haben am M. April die Genossinnen von Berlin und Umgegend auf Grund des 2l des preußischen Vereinsgesetzes in öffentlicher Versammlung begründet, die von gegen tausend Personen besucht war. Die Grün­dung wurde durch ein vorzügliches Referat des Genossen Stadt­ hagen eingeleitet. Sachkundig erwies er an der Hand der Ent­stehungsgeschichte und des Textes der S und 2l des preußischen Vereinsgesetzes, sowie der geltenden Rechtsprechung, daß die Frauen in Preußen unzweifelhaft das Recht besitzen, zu jeder ausgeschriebenen bestimmten Wahl Wahlvereine allein oder zusammen mit Männern zu gründen. Unter Bezugnahme auf die Hochwichligen Interessen, welche gerade bei den bevorstehenden Reichstagswahlen für die Prole­tarierin und ihre Klasse auf dem Spiele stehen, legte er dar, daß die Frauen das ihnen zustehende Eintagsrecht ausnütze» müssen. Er empfahl deshalb die Gründung eines sozialdemokratischen Frauen- wahlvereins, der für die Losung wirkt:Nieder mit dem Junkertum und dem Kapitalismus ! Hoch die Arbeit und der Sozialismus!" Genossin Baader sprach in dem gleichen Sinne und befürwortete einen Statutenentwurf, der folgendes festsetzt: Der Verein führt den NamenSozialdemokratischer Wahlverein der Frauen für Berlin und Umgegend". Sein Zweck ist die Agitation für die Reichstagswahl 1903. Jede erwachsene weibliche Person kann Mit­glied werde». Der Vorstand besteht aus drei Personen. Nach Be­endigung der Reichstagswahlen löst sich der Verein wieder auf und verwendet etwa noch vorhandenes Vermögen im Interesse der Ar­beiterbewegung. Monatlich werden zwanzig Pfennig Beitrag erhoben. Genossin Ihrer beantragte, in die Statuten auch die Forderung des Frauenwahlrechts aufzunehmen. Ihr Antrag wurde von den Ge­nossinnen Tietz und Bien unterstützt, von den Genossinnen Wengels 8- und Weyl, sowie von Genosse Stadthagen bekämpft. Die Ge­nossinnen machten vor allem geltend, daß ein sozialdemokratischer Wahlverein dem Parteiprogramm entsprechend selbstverständlich auch für das Frauenstimmrecht eintrete. Genosse Stadthagen war der gleichen Auffassung und führte des weiteren aus, daß auch Gründe juristisch-formeller Natur gegen die Annahme des Antrags sprächen. Sobald man das Frauenstimmrecht als Ziel der Vereinstätigkeit be­zeichne, werde eine Handhabe geschaffen für Auslegungskunststücke der Behörden und die Auflösung der Organisation. Der Antrag wurde mit erdrückender Majorität abgelehnt, ebenso fiel derjenige von Ge­nossin Tietz, den Vereinsbeitrag auf zehn Pfennig pro Woche zu er­höhen. Der Statutenentwurf gelangte unverändert zur Annahme. In den Vorstand des Vereins wurden die Genossinnen Baader, Wengels und Bauschke gewählt. Im weiteren Verlauf der Ver­sammlung sprachen Genossin Zetkin und zwei Anhängernationaler Politik", die Herren Schowalter und Weißenborn. Die letzteren machten den total mißglückten Versuch, de» Zollwucher als Segnung zu preisen. Ihre Ausführungen wurden bald von Heiterkeit, bald von Ausbrüchen stürmischen Unwillens unterbrochen. Besondere Er­regung bemächtigte sich der Versammelten, als Herr Weißen dorn sich erdreistete, unter Berufung auf Ehren-Stöckerdie jüdischen Mil­lionäre in der Sozialdemokratie" zu begeifern. Genossin Zetkin diente den zwei Herren gründlich, wenn auch nicht mitchristlicher Sanftmut". Dem gegründeten Wahlverein traten in der Versammlung 229 Mitglieder bei. Er wird in den nächsten Wochen eine rege Agi­tation entfalten. V on der Agitation. Im März hielt Genossin Kühler-Dresden im Auftrage des b. Gaues des Fabrik arbeiterverbandes in mehreren Orten Versammlungen ab. In Naumburg , wo die Arbeits­und Lebensverhältnisse der Arbeiter die denkbar traurigsten sind, war die Versammlung so mäßig besucht, daß nur eine Privatbesprechung gepflo­gen wurde. In Halle a. d. S. fanden zwei gut besuchte Versamm­lungen statt. Die Versammlung zu Weißenfels erfreute sich ebenfalls eines zahlreichen Besuchs. Besonders waren die Arbeiter und Ar­beiterinnen der dortigen Papierfabrik stark vertreten. Dieselben sind nioderne Lohnsklaven in der vollen Bedeutung des Wortes und haben im allgemeinen bei schwerer Fron nur kargen Verdienst; die kärg­lichste Entlohnung aber erhalte» die Arbeiterinnen. Es gelang, ca. 29 der in der Papierfabrik Beschäftigten dem Verband zuzuführen. In Ost münde, einem ländlichen Orte in der Nähe von Halle, hatten sich Arbeiter und eine große Anzahl von Frauen versammelt und lauschten gespannt den Ausführungen der Referentin. In allen Ver sammlungen sprach diese überdie Aufgaben der modernen Arbeiterbewegung im zwanzigsten Jahrhundert". Eine stattliche Anzahl Mitglieder wurden durch die entfaltete Agitation für den Verband gewonnen. Mögen dieselben mutig und hoffnungs­freudig für ihre eigenen Interessen, sowie für die ihrer Brüder und Schwestern kämpfen. �V. X. Im Auftrage des Kreisvertrauensmannes für den Wahlkreis Duisburg-Mülheim sprach daselbst Genossin Zieh anfangs April in neun Versammlungen zu Duisburg , Neudorf, Hochfeld, Holten, Heiße», Laar, Mülheim (zwei Versammlungen» und in Oberhausen . Überall stellten die Frauen ein sehr hohes Kontingent der Versammlungsbesucher. Besonders glänzend besucht war die Ver­sammlung, die an einem Sonntag Morgen in Holten stattfand, und zu der trotz strömendem Regen Männer und Frauen stundenweit aus der llmgegend herbeigeeilt waren. In der Versammlung zu Neudorf sprach in der Diskussion der frühere Zentrümler Stabber, der mit der Zentrumspartei bös ins Gericht ging und derselben prophezeite, daßsie sich in Wohlgefallen auflösen würde". Er stimmte der Referentin in allem zu, erklärte jedoch, sich als guter Katholik der Sozialdemokratie nicht anschließen zu können. Wie es heißt, wird der ziemlich konfuse Herr dem Kaplan Hitze in München-Gladbach als Kandidat einer neuenchristlich-demokratischen" Partei entgegen­gestellt werden. Die Referentin unterstrich seine Kritik des Zentrums, übte aber im übrigen scharfe Kritik an all den Absurditäten, die er zu tage gefördert. In sämtlichen Versammlungen, deren Tagesord­nung lautete:Die bevorstehende Reichstagswahl", wurden zahlreiche Abonnenten für die Arbeiterpresse, darunter circa 199 für dieGleichheit" gewonnen und der sozialdemokratischen Organisation neue Mitglieder zugeführt. I-. Am 19. April fanden in Oberhausen morgens 11 Uhr und nachmittags 1 Uhr zwei überfüllte Fabrikarbeiterversammlungen statt. In beiden sprach Genossin Zietz-Hamburg über dieNotwendig­keit der gewerkschaftlichen Organisation", sowie überdie Kämpfe der Gewerkschaft gegen die Polizei". Es wurden zahlreiche Mitglieder dem Fabrikarbeiter- und Bergarbeiter­verband zugeführt Am 21. März sprach Genossin Zietz ebenfalls in Oberhausen in einer überfüllten Fab rikarbeiterversamm-