lung, die jedoch frühzeitig der Auflösung verfiel, weil ein Versammlungsbesucher die Maßnahmen der Polizei kritisierte. Der überwachende Beamte, der erst kürzlich von Sachsen nach Oberhausen versetzt worden ist, entzog dem Redner das Wort. Der Vorsitzende und verschiedene Versammlungsbesucher protestierten dagegen, worauf der Beamte, nachdem dem Redner vom Vorsitzenden wieder das Wort erteilt worden, die Versammlung auflöſte. Eine ganze Anzahl Schußleute, die vor dem Lokal Posto gefaßt hatten, drangen ein, um das Lokal zu räumen. Dem Wirt war um 102 Uhr das Schänken verboten, troßdem er bis 11 Uhr Polizeistunde hat. Selbstverständlich ist Beschwerde eingelegt gegen das ungesetzliche Vorgehen des Beamten. Fabrikarbeiterversammlungen, in denen Genossin Zieh über„ Der Zolltarif und die Gewerkschaften" referierte, sanden statt in Bergedorf , Limmer, Hainholz, Sarstedt und HammeIn. Eine für Misburg geplante Versammlung konnte nicht tagen, da in letzter Stunde der Wirt das Lokal zurückzog. In allen Versammlungen wurden dem Verbande neue Mitglieder gewonnen.
-
L. Z.
Um für den Wahlkampf auch die Frauen zu gewinnen, fanden am 22. und 23. März in Thale und Quedlinburg Versammlungen mit dem Thema statt:„ Die Frauen und der Wahlkamps". Als Referentin war Genossin Gradnauer- Berlin erschienen. Die Versammlungen waren äußerst zahlreich von Frauen besucht und nahmen einen günstigen Verlauf. In Quedlinburg wurde Genossin Lütge als Vertrauensperson gewählt. Genossin Gradnauer sprach außerdem über„ Die soziale Gesetzgebung und die Frauen" in Magdeburg Neustadt in einer fast ausschließlich von Frauen besuchten Volksversammlung. An den Vortrag knüpfte sich eine lebhafte Diskussion, an der sich einige Genossinnen beteiligten. Fräulein Pannicke wurde hier als Vertrauensperson gewählt, des weiteren ward eine Beschwerdekommission ernannt.
R.
79
Eine Agitationstour auf Tod und Leben hat kürzlich Genossin Kähler im sächsischen Erzgebirge bestanden, wo sie in Königswalde sprechen sollte. Ein Wagen sollte unsere Genossin dorthin führen. Vor den ersten Häusern von Geyersdorf hatte sich jedoch eine drei Meter hohe Schneemauer gebildet, in der sich die Pferde vollständig festfuhren. Nachdem in den ersten Häusern Lärm geschlagen worden, tamen einige Bauern mit Schaufeln dem Fuhrwerk zu Hilfe. Unter schrecklichem Schneesturm gelang es mit größter Mühe und Not, die Pferde aus dem Schnee herauszuholen, in welchem dieselben buchstäblich eingebettet waren. Nach weiteren Anstrengungen gelang es, Genossin Kähler aus ihrem Schneegefängniß zu befreien. Da von einer Fortsetzung der Fahrt augenblicklich keine Rede sein konnte, die Reisenden waren völlig erschöpft, so wurde die Zeit benützt, um beim nächsten Bauer die Oberkleider unserer Genossin zu trocknen. Als etwas später zwei Genossen aus Annaberg eintrafen, beschloß man, den Weg zu Fuß fortzusetzen. Er führte durch tiefe Schneewehen und über Glatteisflächen; im Schneegestöber waren die Augen taum offen zu halten. Vier Uhr nachmittags erreichten die tapferen Wanderer glücklich Königswalde . Die für diese Zeit angesetzte Versammlung mußte begreiflich genug um eine halbe Stunde vertagt werden, da Genossin Kähler vollständig erschöpft war. Die Versammelten, welche das Lokal bis auf den letzten Platz füllten, und unter denen sich ein Drittel Frauen befanden, dankten der Referentin am Schlusse ihres Vortrags mit nicht enden wollendem Beifall für ihre Ausführungen und ihren Opfermut. Wir glauben, nicht allzuviel bürgerliche Politiker würden dem Beispiel der Genossin Kähler folgen. Nur die felsenfeste Überzeugung, im Dienste einer großen heiligen Jdee zu wirken, verleiht solchen fühnen Opfermut.
Notizenteil.
Soziale Gesetzgebung.
Ein neues Arbeiterinnenschutzgesetz in der Schweiz . Zu denjenigen Schweizerkantonen, in denen in starkem Maße der plutofratische und manchesterliche Geist herrscht, gehört der welsche Kanton Waadt . Im vorigen Jahre hatte er einen Anlauf mit einem Sonntagsgesetz gemacht, allein unter der oppositionellen Führung der Wirte ist das Gesetz in der Voltsabstimmung verworfen worden. Nun hat die Regierung des Kantons Waadt in jüngster Zeit dem Großen Rat( Landtag) den Entwurf zu einem fantonalen Arbeiterinnenschutzgesetz vorgelegt, dessen Schaffung seitens der sozialdemokratischen Partei schon seit langer Zeit gefordert wird und womit dem Kanton Waadt seit 15 Jahren schon eine große Zahl anderer Kantone vorausgegangen ist. Nach dem Entwurf fallen unter das Gesetz Verkaufsbuden, Bureaus, Pensionen, Wirtschaften und dergleichen, sowie alle gewerblichen Betriebe, die nicht dem
eidgenössischen Fabrikgesetz unterstellt und in denen Arbeiterinnen beschäftigt sind. Dem Kantonsrat( Regierung) ist der Erlaß von hygienischen und sonstigen Schutzvorschriften überlassen. Kinder unter 14 Jahren dürfen nicht anhaltend in Gewerben beschäftigt werden. Frauen dürfen nach einer Niederkunft erst nach Ablauf von 6 Wochen die Arbeit wieder aufnehmen. Die wöchentliche Arbeitszeit in Werkstätten 2c. beträgt 65 Stunden, die Mittagspause mindestens 1 Stunde. In Läden, Bureaus 2c. darf bis abends 9 Uhr gearbeitet werden, jedoch ist für jede Mahlzeit eine Stunde freizugeben. In Hotels, Pensionen und Wirtschaften hat das Personal Anspruch auf 12 Stunden Ruhe innerhalb 24 Stunden, und zwar müssen täglich ununterbrochen 9 Ruhestunden gewährt werden. Nach 9 Uhr abends dürfen Mädchen unter 18 Jahren, wenn sie nicht zur Familie des Wirtes gehören, nicht mehr zur Bedienung der Gäste verwendet werden. Diesem Personal sind ferner im Jahre 52 Tage freizugeben, wovon 17 auf einen Sonntag fallen müssen. Die Lohnzahlung muß alle 14 Tage erfolgen, und zwar am Vorabend eines Arbeitstags, also nicht am Samstag. Der Lohn ist in gesetzlicher Münze auszubezahlen. Lohnabzüge für Miete, Heizung, Beleuchtung und dergleichen sind verboten, ebenso Bußenabzüge, insofern nicht in der behördlich genehmigten Arbeitsordnung Bußen vorgesehen sind. Über eventuelle Bußenabzüge ist Rechnung zu führen und sind dieselben im Interesse der Arbeiterinnen zu verwenden. Der Unternehmer wird verpflichtet, den aus dem Geschäft austretenden Arbeiterinnen 2c. ein Zeugnis mit Angabe der Art der Dienstleistung und der Dauer der Dienstleistung auszustellen. Das Gesetz bedeutet gegenüber dem bestehenden regellosen Zustande unbedingt ein Fortschritt, aber einen nur mäßigen, und es bleibt weit zurück hinter dem Arbeiterinnenschutzgesetz des Kantons Zürich und einiger anderer Kantone. Leider ist auch wenig Aussicht vorhanden, daß es bei den Beratungen im Großen Rate verbessert werden wird.
d. Z.
Gesetzlicher Schutz der Frauen im Eisenbahn- und Postdienst zc. in der Schweiz . Ohne Volksabstimmung passierte das neue Gesetz über die Arbeitszeit 2c. bei den schweizerischen Eisenbahnen und anderen Verkehrsanstalten. Ein Paragraph des Gesetzes behandelt speziell den Schutz des weiblichen Personals, indem er bestimmt: " Im durchgehenden Nachtdienst dürfen in der Zeit von 11 Uhr abends bis 4 Uhr morgens keine Frauenspersonen, ausgenommen Telegraphiſtinnen, Telephonistinnen, Wartefrauen, Toilettenwärterinnen, Buzzerinnen und ähnliche Bedienstete beschäftigt werden. Abgesehen von den eigentlichen Nachtwächtern darf ein und derselbe Angestellte innerhalb des Zeitraums eines Monats höchstens(!) an 14 Tagen zum Nachtdienst verhalten werden. Nachtarbeit, d. h. Arbeit zwischen 11 Uhr abends und 4 Uhr morgens, ist in den Diensteinteilungen mit 25 Prozent Zuschlag zu berechnen. Letztere Bestimmung ist sehr begrüßenswert, aber das Gesetz erklärt eine auffallend furze Zeitspanne als Nachtarbeitszeit, nämlich bloß 5 Stunden, während sonst in der Arbeiterschutzgesetzgebung die Nachtarbeit von 8 Uhr abends bis 5 Uhr morgens gerechnet wird und somit 9 Stunden umfaßt. Vom speziellen Arbeiterinnenschutz sind so viele Kategorien ausgenommen, daß man verwundert fragen muß, wer denn da überhaupt noch geschützt ist. Der eigentliche Schutz des Personals besteht in der Festsetzung der täglichen 11stündigen Arbeitszeit für die Beamten, Angestellten und Arbeiter, der ununterbrochenen täglichen Ruhezeit von wenigstens 9 bis 10, ausnahmsweise 8 Stunden, in der Festsetzung von 52 jährlichen Ruhetagen, wovon mindestens 17 auf den Sonntag zu fallen haben und wovon ferner mindestens 8 Tage als zusammenhängender Urlaub zu gewähren sind. Vom 9. Dienstjahre und 33. Altersjahre ab ist über die 52 Ruhetage hinaus der gleiche Urlaub allen Kategorien des Personals zu gewähren und für je 3 weitere Dienstjahre je 1 Tag mehr. Der Güterdienst ist an Sonntagen und 8 Festtagen untersagt mit Ausnahme der Beförderung von Vieh und anderem Eilfrachtgut. Das Gesetz bedeutet einen sehr schätzbaren Fortschritt. Wie groß die Zahl von Frauen im schweizerischen Eisenbahnwesen ist, ist mir nicht bekannt, nach der Berufsstatistit von 1888 waren 2114 Frauen als Angestellte im Verkehrswesen tätig, wovon aber wohl der Hauptteil auf Post- und Telegraphendienst entfiel. Das vorstehend besprochene Gesetz gilt auch für die Angestellten dieser Verkehrsanstalten.
d. z.
Die Maßregeln zur Fürsorge für Schwangere und Wöchnerinnen seitens der Krankenversicherung sind vom Reichstag in zweiter Lesung der Krankenversicherungsnovelle gemäß den Ergeb nissen der Kommissionsberatungen beschlossen worden. Wir haben die betreffenden Bestimmungen ausführlich in Nr. 7 wiedergegeben. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion trat auch in zweiter Lesung wieder dafür ein, daß die Fürsorge für Schwangere obligatorisch und nicht blos fakultativ sein sollte, wie die Kommission beschlossen. Der entsprechende Antrag wurde neuerlich abgelehnt.