rungen auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet vertreten, umso- mehr muß das Unternehmertum wie die Gesetzgebung mit ihnen rechnen. Was die letztere anbetrifft, so muß die heilsame Furcht vor der Sozialdemokratie, vor dem„Massenschritt der Arbeiterbataillone" wieder einmal zu einem kräftigen Vorwärts der Sozialreform anspornen. Wie winzig sind nicht die Abschlagszahlungen, mit denen die Arbeiterklasse sich bisher begnügen mußte, und wie leiden nicht gerade die Frauen, die Arbeiterinnen unter diesem Stande der Dinge! Ginge es nach dem Herzen der Herren Agrarier und Jndustrieritter, so bliebe auch in Zukunft Arbeitertrutz und Kapitalistenschutz Trumpf in der deutschen Gesetzgebung. Das muß durch die Erkenntnis und den Willen der Werktätigen anders werden, die es müde sind, mit ihrer Arbeit den Geldsack der Reichen zu füllen und selbst eine sorgenschwere, entbehrungsreiche Existenz zu schleppe»; die es müde sind, als Steuerzahler und Steuerzahlerinnen die Staatslasten zu tragen und vom Staate nur geringeres Recht und gänzlich unzureichenden Schutz zu erhalten. Die Männer und Frauen der Arbeiterklasse wollen, daß Brot, Bildung und Freiheit aufhören, das Vorrecht von Nichtstuern zu sein, von deren Existenz das Wort gilt: Sie säen nicht, sie ernten nicht und die fleißige Hand der Arbeiter und Arbeiterinnen ernähret sie doch. Sie fordern ihr Recht auf ein gesichertes, menschenwürdiges Dasein, auf edlen Lebensgenuß, auf Kultur. Sie müssen deshalb unablässig arbeiten und kämpfen, um den Wahlsieg der Sozialdemokratie zu vervollständigen und zu befestigen. Nur auf dem Boden des Klassenkampfes zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern werden sie der kapitalistischen Gesellschaft ernste Reforme» für die frondenden Massen entreißen, werden sie volle Befreiung für alles erringen, was Menschenantlitz trägt. Frida Wulff-Berlin . Erklärung. Raummangels halber mußte in voriger Nummer folgende Erklärung unserer Genossin Zieh zurückgestellt werden: „Ich habe inich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht V am 12. Juni dieses Jahres davon überzeugt, daß die in Nummer 4 der„Gleichheit" vom 11. Februar dieses Jahres in dem Artikel„Frauen und Kinder bei der Zeitungskolportage in Hamburg " gegen Frau Schmidt, Hohe Bleichen, erhobenen Beschuldigungen der„scheußlichen Ausbeutung" von Kindern bei der Kolportage völlig unbegründet sind, daß im Gegenteil die Kinder in durchaus humaner Weise behandelt und beschäftigt worden sind. Ich nehme daher die gegen Frau Schmidt erhobenen beleidigenden Vorwürfe mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück und erkläre, daß ich in dieser Hinsicht falsch informiert worden bin. Hamburg . Louise Zieh." Nachricht, daß unser Hausarzt bettlägerig wäre. Meine Frau sah mich gebrochenen Auges an und sprach mit gebrochener Stimme: „Das ist die Hand der Vorsehung! Es ist vorherbestimmt. Er war sonst nie krank— niemals. Wir haben nicht gelebt, wie wir sollten, Mortimer! Immer und immer wieder habe ich es gesagt. Jetzt siehst du die Folge?. Unser Kiud wird nie mehr gesund werden. Danke Gott , wenn du dich schuldlos fühlen kannst; ich kann es mir nie vergeben!" Ich sagte, ohne sie verletzen zu wollen, aber ohne auch die Worte abzuwägen, ich könne nicht finden, daß wir ein so leichtfertiges Leben geführt hätten. „Mortimer! Willst du das Strafgericht auch über den Kleinen heraufbeschwören?" Dann fing sie an zu weinen, rief aber plötzlich aus: „Der Doktor muß Medizin geschickt haben!" „Natürlich", sagte ich,„hier ist sie. Ich wartete nur, bis du mir Zeit ließest." „So gib sie mir doch! Weißt du nicht, daß jeder Augenblick kostbar ist? Aber wozu schickt er Medizin, wo er doch weiß, daß die Krankheit unheilbar ist?" Ich meinte, daß wo noch Leben sei, auch Hoffnung wäre. „Hoffnung! Mortimer, du weißt nicht mehr, was du sprichst, nicht mehr, als ein ueugeborenes Kind!— Möchtest du— so wahr ich lebe, hier steht stündlich cincn Teelöffel voll! Stündlich! — Als ob wir ein ganzes Leben vor uns hätten, um das Kind zu retten! Mortimer, mach schnell; gib dem armen Ding einen Eßlöffel voll und bitte, beeile dich!" „Aber, Liebste, ein Eßlöffel voll könnte am Ende..." (Schluß folgt.) Es ist das erstemal in den mehr als elf Jahren ihres Erscheinens, daß die„Gleichheit" veranlaßt ist, zu widerrufen, was sie betreffs Mißständen im Arbeitsverhältnis berichtet hat. Und dies, obgleich sie es nie an Schärfe der Kritik fehlen ließ. Daß in dem angezogenen Artikel auf Grund falscher Mitteilungen Unzutreffendes behauptet worden ist, bedauern wir nicht bloß unserer Zeitschrift, sondern auch unserer fleißigen Genossin Zieh wegen. Wir wissen aus langjähriger Erfahrung, daß sie die gewissenhafteste Mitarbeiterin ist, die sich jederzeit peinlich genau zu informieren strebt. Aus der Vewegnug. Bericht über die Tätigkeit des ersten sozialdemokratischen Wahlvcrcinö der Frauen Berlins und Umgegend. Zum erstenmal haben die sozialdemokratischen Frauen Berlins und Umgegend das leider nur wenige Wochen währende Recht, einen politischen Verein zu gründen und ihm als Mitglieder anzugehören, in ergiebiger Weise anläßlich der Reichstagswahlen ausgenutzt. Der Verein wurde am 2V. April gegründet und, wie es das Gesetz verlangt, nach beendeter Reichstagswahl aufgelöst. Der Erfolg der Gründung des Vereins, die zugleich eine Demonstration für die Forderung politischer Rechte für die Frauen bedeutele, übertraf alle Erwartungen. Fast jede der neun Versammlungen, die der Wahlverein in den verschiedenen Stadtteilen veranstaltete, war von Frauen überaus zahlreich besucht. Jede brachte neue Mitglieder, so daß die beachtenswerte Zahl von iKZkz erreicht worden ist. Viele neue Gesichter waren in jeder Versammlung zu bemerken, ein Zeichen dafür, daß immer breitere Schichten der Proletarierinnen bewußt werden, wie wichtig für sie der Besitz politischer Rechte ist, und daß immer größere Scharen diese Rechte fordern und erkämpfen wollen. Sicher hat die durch den Verein betriebene Aufklärungs- und Agitationsarbeit ihre Scherflein zu dem großen Wahlsieg der sozialdemokratischen Partei beigetragen. Aber auch in pekuninärer Beziehung war der Erfolg ein guter. Es konnten dem Parleivorstand zu den Kosten der Reichstagswahl 300 Mark übergeben werden. War auch diesem ersten Wahlverein der sozaldemokratischen Frauen nur das Leben von kaum zwei Monaten beschieden, so wird seine Wirkung doch bei vielen eine dauernde sein. Der ausgestreute Samen wird aufgehen. Der Einfluß der empfangenen Ideen wird sich darin äußern, daß die Mitglieder des ersten politischen Frauenvereins dauernd der Sozialdemokratie gewonnen wurden und als treue Kämpferinnen in Reih und Glied mit ihr stehen Kassenbericht. Einnahmen: Beiträge............ Mark 412,70 Freiwilliges Geschenk von Genossin H..„ 10,— Tellersammlung.......... 100,08 Summa: Mark S88,78 Ausgaben: Darunter überwiesen dem Parteivorstand. Mark 300,— Den Vertrauenspersonen......„ b0,31 Der ehemalige Vorstand. Revidiert und für richtig befunden: Genossinnen: Bertha Lutz . Bertha Bratow und Frida Wulff. Von der Agitation. Bei der Stichwahl war Genossin Zieh im fünften Schleswig-Hol steinischen Wahlkreis tätig. Versammlungen fanden statt in Neufeld, Eddelack, Marne und Läger dorf . Sie waren sämtlich glänzend besucht und wiesen auch eine starke Beteiligung der Frauen auf. Überall Begeisterung und Siegesgewißheit, die diesmal leider sich noch nicht erfüllte. Der Freisinn, der 1898 den Kreis an den Brotwucherer Kahlke ausliefern half, hat in diesem Jahre den Judaslohn für seinen Volksverrat eingeheimst. Die Konservativen und die Nationalliberalen stimmten geschlossen für den Freisinnskandidaten, Pastor Hoeck. Die„Jtzehoer Nachrichten", das konservative Organ, hatte dem Freisinn seinen damaligen Verrat offiziell bezeugt und ihm die Belohnung zugesichert. Auch von anderer Seite her wurde ihm Unterstützung. In richtiger Selbsterkenntnis schrieben die Nationalsozialen, die schon im Jahre 1898 den Kreis dem Brotwucherer ausliefern halfen, in bezug auf den Freisinn:„Wir sind Fleisch von eurem Fleisch! Unsere Hilfe ist euch sicher." So gestützt von rechts und links brachten es die Freistnns- mannen auf 163S6 Stimmen, während wir aus eigener Kraft 13 800 musterten. Seit 1838 eine Zunahme um mehr als 5<XX>, und das in einem ländlichen Kreise. Wem wäre es zweifelhaft, welche Seite den moralischen Sieg davongetragen? Und das trotzdem mit allen Mitteln, de» schäbigsten Verleumdungen, den größten Beschimp-
Ausgabe
13 (15.7.1903) 15
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