die Verkäuferinnen. Nachweislich sind in Görlitz gelernte Ver­käuferinnen mit einem Monatsgehalt von 17 Mark abgespeist worden. Entsetzt muß man fragen, wie ein junges Mädchen diese paar Groschen einteilen soll, um damit auch nur das nackte Dasein fristen zu können, geschweige denn die Kosten für die Kleidung zu erschwingen, die doch nicht nur anständig, sondern obendrein modern und schick sein soll. Nun besitzen allerdings manche der Verkäuferinnen zum Glücke noch Eltern, welche für den größten Teil des Unterhaltes aufzukommen imstande sind. Aber bei weitem nicht alle der Damen sind in der Wahl ihrer Familie so vorsichtig gewesen. Diesen Ärmsten bleibt bei den niedrigen Gehältern nichts übrig, als nach des Tages Last und Mühe Stickerei- und Näharbeiten nach Hause zu nehmen und sich bis tief in die Nacht hinein für den nötigen Zuschuß zum Einkommen abzumühen. Manch eine aber, die davor zurückschreckt, die nicht im schlimmsten Augenblick den gesuchten ehrlichen Nebenerwerb, verständnisvollen ermutigenden Zuspruch sindet, wird unter solchen Umständen auf die Bahn des Lasters gedrängt. Die nackte Tugend mag den ersten Stein auf diese Unglücklichen werfen! Tief bedauer­lich ist es, daß trotz der jämmerlichen Lage die Verkäuferinnen noch nicht zu der Erkenntnis durchgedrungen sind, daß auch sie zu den Prole­tarierinnen gehören, denen der Kapitalismus ausbeutend den Fuß auf den Nacken setzt. Weil sie Glacéhandschuhe und Schleier tragen, dünken sie sich hoch über die Fabrikarbeiterin erhaben, obgleich diese nicht selten besser daran ist, als die Lohnsklavin hinter dem Laden­tisch. Dazu kommt, daß die jungen Damen auf gute Versorgung durch eine Heirat rechnen. Sie übersehen dabei, daß in dem Klein- und Mittelbürgertum dank der kapitalistischen Entwicklung die Ehe immer weniger eine Versorgungsanstalt sein kann, welche der Frau die Möglichkeit sichert, nur ihren Gattinnen- und Mutterpflichten zu leben. Auch hier müssen die verheirateten Frauen mehr und mehr zum Erwerb heran, ja in Zeiten schlechten Geschäftsganges sind sie wie im Proletariat nicht selten die alleinigen Ernährer der Familie. Dieser Stand der Dinge wird zusammen mit unserer poli­tischen und gewerkschaftlichen Aufklärungsarbeit allmählich auch die falschen Vorstellungen und zähen Vorurteile aus dem Hirn der Hand­lungsgehilfinnen vertreiben und sie uns als Mitkämpferinnen um eine menschenwürdige Existenz aller Arbeitenden zuführen. Mit den Arbeits- und Lebensbedingungen der verschiedenen Arten von Fabritarbeiterinnen werden wir uns später einmal beschäftigen. Heute sei betreffs derselben nur folgendes hervorgehoben. Auch in Görlitz hat in den letzten Jahren, zum Teile unter dem Einfluß der Krise, die Frauenarbeit als billige Arbeit neue Gebiete erobert. So waren zum Beispiel in einer Schraubenfabrik gegen 40 Arbeiterinnen beschäftigt. Sie stehen an Spitz- und anderen Maschinen, die früher von Männern bedient wurden, welche gegen 18 Mark pro Woche erhielten, während die Frauen für die gleiche Arbeit nur mit 7,50 Mark entlohnt werden. Die trockenen Ziffern sagen uns beredt, wie notwendig, ja unentbehrlich die Aufklärung und Organisierung der Arbeiterinnen ist, und das sowohl im Interesse derselben, wie in dem der Männer. Erfreulicherweise nehmen zwar die weiblichen Mitglieder der hiesigen Gewerkschaften zu, aber noch immer stehen ihnen Tausende von Arbeiterinnen fern. Dafür mit ganzer Kraft zu wirken, daß in Zukunft immer mehr Lohnstlavinnen die Segnungen des gewerkschaftlichen Zusammenschlusses erkennen, muß deshalb nach wie vor eine der wichtigsten Pflichten unserer Genossinnen am Orte sein. Anna Gregor- Görlitz.

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Weibliche Fabrikinspektoren.

Als Assistentin der Gewerbeinspektion von Bremen ist Frl. Hermine Seelhof angestellt worden und hat ihre Tätigkeit am 2. Juli begonnen. Über das etwaige frühere Berufsgebiet und den Bildungsgang der Beamtin liegen uns zur Zeit keine Mit­teilungen vor.

Die Zahl der englischen Sanitätsinspektorinnen, die mit der Überwachung bestimmter gesetzlicher Vorschriften zum Schutze der Arbeiterinnen betraut sind, ist seit der ersten Anstellung in 1897 stetig gewachsen und betrug im letzten Jahre 45. Es amtierten Sanitäts­inspektorinnen in Birmingham 12, in Liverpool 9, in Shef­ field 7, in Leeds 6, in Manchester und Stockport je 2, in Bradford , Oldham , Bootle, St. Helens, Middlesborough, Norwich und Rochdale je 1. In sechs anderen Städten stand die Ernennung von Sanitätsinspektoren durch die Kommune in sicherer Aussicht. Die Beamtinnen treten in unregelmäßigen Zwischenräumen zu einer Konferenz zusammen, um durch Jdeenaustausch ihre Amts­tätigkeit zu fördern und zu vertiefen. Die erste solche Konferenz fand im April 1901 in Leeds , die zweite im November des nämlichen Jahres in Sheffield , die dritte 1902 in Liverpool statt.

Betreffs der Amtstätigkeit der Assistentinnen der hessischen

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Verantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin ( Bundel) in Stuttgart.­

Gewerbeinspektion konstatiert der letzte Jahresbericht, daß das Vertrauen der Arbeiterinnen zu den weiblichen Beamten in erfreu licher Zunahme begriffen sei Gegen das Vorjahr hat sich der Ver­kehr der Arbeiterinnen mit den Assistentinnen gehoben. Namentlich sind es im Bezirk Offenbach die jüngeren Arbeiterinnen", heißt es in dem Bericht, welche in wirtschaftlichen und sittlichen Fragen gern den Rat der Assistentin suchen, während man im Wormser Bezirk beobachtet hat, daß es gerade die älteren sind, die ihr mit Vertrauen entgegenkommen; die jüngeren dagegen zeigen sich scheu. Es ist anzunehmen, daß auch im Wormser Bezirk es der Assistentin noch gelingen wird, ebenso wie in dem ihr gleichfalls unterstellten Bezirk Mainz einem wachsendem Verständnis bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu begegnen. Haben sich doch auch männliche Arbeiter an sie gewandt bei Beschwerden, welche auf das Wohlergehen von Arbeiterinnen Bezug hatten." Die gemeldeten Tat­sachen sind freudig zu begrüßen, denn die vertrauensvollen, verstän­digen Beziehungen zwischen Arbeiterinnen und Fabrikinſpektorinnen sind uns die wichtigsten Vorbedingungen für die erfolgreiche Amts­tätigkeit der letzteren, für die gewissenhafte Durchführung der gesetz­lichen Bestimmungen zum Schutze der ersteren.

Vereinsrecht der Frauen.

Dürfen Frauen in Preußen auch außerhalb der Wahlzeit politische Vereine bilden? Diese Frage ist von der 3. Straffammer des Landgerichts I Berlin verneint worden, wie wir bereits in der letzten Nummer der Gleichheit" mitteilten. Der Staatsanwalt beantragte die Bestrafung Stadthagens, weil er die Frauen zum Ungehorsam gegen§ 8 des preußischen Vereinsgesetzes aufgefordert hatte. Seiner Auffassung nach besteht dieser Paragraph zu Recht, die Verordnung vom 11. März 1850 ist gültiges Gesetz, da sie vorschriftsmäßig als solches publiziert worden sei, sich in Übereinstimmung mit der Verfassung befinde und nur Beschränkungen enthalte. Der Richter habe nicht nachzuprüfen, ob das Gesetz gültig sei. Der Angeklagte Stadthagen habe sich deshalb gegen§ 110 des Strafgesetzbuchs ver­gangen. Das gleiche gelte betreffs des Mitangeklagten Leid. Die Stellung, die der Vorwärts" innerhalb der sozialdemokratischen Partei einnehme, sei bekannt. Täglich würden in dem Blatte Wei­sungen an die Genossen veröffentlicht, die gewohnt seien, die Rat­schläge und Winke zu befolgen. Indem der Vorwärts" den Appell Stadthagens an die Frauen in gesperrtem Drucke wiedergegeben, habe er selbst dessen Aufforderung zum Ungehorsam wiederholt. Ge­nosse Stadthagen plädierte auf Freisprechung und Übernahme auch der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse. Er gab zu, die inkriminierte Aufforderung an die Frauen erlassen zu haben und zwar ausschließlich in der Absicht, eine Entscheidung des Reichs­gerichtes über die Rechtsungültigkeit des§ 8 des sogenannten preußischen Vereinsgesetzes herbeizuführen. Seine Überzeugung von der Rechtsungültigkeit der betreffenden Vorschriften stützte er auf die Gründe, welche die Gleichheit" in Nr. 15 bereits ausführlich dargelegt hat. Unsere Leserinnen kennen den Ausgang der Verhandlungen. Auffällig ist, daß die erfolgte Verurteilung auf Gefängnis lautet. Die für Stadthagens Vergehen" übliche geringste Strafe ist drei Mart. Das Verlangen, daß Richter die Rechtsgültigkeit eines Ge­sezes prüfen, und daß Frauen ihre durch die Verfassung gewähr leisteten Rechte gebrauchen sollen, ist sicher keine Moritat", die der Gesetzgeber mit Gefängnis geahndet wissen wollte. Auf die weitere Entscheidung in der interessanten und wichtigen Streitfrage darf man gespannt sein.

Frauenstimmrecht.

Die Bewegung für das Frauenstimmrecht in Schweden macht nach der frauenrechtlerischen Zeitschrift Nylaende" gute Fortschritte. Die Agitation für die politische Gleichberechtigung der Frau wurde bereits vor zwanzig Jahren vom Friederika- Bremer­Bund" begonnen, sie faßte jedoch lange nur kleine Kreise. Erst der Kampf um das allgemeine Wahlrecht brachte die Bewegung in kräf­tigeren Fluß. In Stockholm wurde ein Verein für die Erringung des politischen Frauenstimmrechtes mit 200 Mitgliedern gegründet. Jetzt zählt man 18 solcher Organisationen mit etwa 3000 Mitgliedern. Um ein Zusammenwirken der einzelnen Lokalvereine herbeizuführen, ist kürzlich ein Landesverband für das Frauenstimmrecht ins Leben gerufen worden.

Die Einführung des politischen Frauenstimmrechtes in dem Staat Connecticut ist anfangs Mai im Abgeordnetenhause mit 105 gegen 60 Stimmen abgelehnt worden. Die vorberatende Kommission hatte die betreffende Vorlage zur Annahme empfohlen.

Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart .