wurden die Genossinnen Baader, Ihrer und Klotzsch gewählt; zur Brandenburger Konferenz wurden die Genossinnen Stock, Lutz, Hofinann, Bauschte, Klotzsch und Baur delegiert. In einer öffentlichen Versammlung zu Lichtenberg beschäftigten sich die Genossinnen des Wahlkreises Niederbarnim mit Parteitag und Konferenz. Die Anträge zum Parteitag, de» gesetzlichen Arbeile- rinnenschutz und das Frauenwahlrecht betreffend, fanden ungeteilte Zustimmung. Zum Parteitag erhielt Genossin Jung, zur Branden­burger Konferenz Genossin Ihrer ein Mandat. Zum Parteitag und zur Brandenburger Konferenz nahmen die Genossinnen von Rixdorf in öffentlicher Frauenversaminlung Stellung. Einleitend hielt Genosse John einen Vortrag über die Frage:Haben die Frauen ein Interesse an der Politik?" Als Delegierte des Kreises Tellow-Beeskow-Storkow-Char- lottenburg zur Konferenz wurde Genossin Thiel gewählt Aus Schlesien . Liebe Otti! Du siehst, daß es mir ernst mit dem Halten meines Versprechens ist, Dir nach meiner Rückkehr aus Schlesien zu schreiben. Freilich kann ich Dir nicht, wie Meta, Ergötzliches von der Gefährlichkeit politischer Esel und der Weisheil einer lieben Polizei berichten. Dafür werde ich versuche». Dir ein flüchtiges Bild von den Ver­hältnissen der Arbeiterbevölkerung in der Gegend Schlesiens zu geben, in welche die Agitation mich führte. Von den Verhältnisse» der schlesischen Arbeilerbevölkerung schreiben, was heißt das aber anders, als von Slot und Elend schreiben, von langstündiger, schwerer, schlechtgezahlter Fron und kärglicher Lebenshaltung, in der sehr oft sogar das Nötigste mangelt. Verzeihe, daß mir die Gefühle mit der Feder durchgehen, noch ehe daß ich Dir etwas berichtet. Wer einen Blick in die schlesische Armut getan, der vergißt nicht sobald, was er geschaut. Durch Laub- und Nadelwälder, goldig glänzende Kornfelder, sattgrüne Wiesen, vorbei an hochragenden Schloten, an Städten und Dörfern führte mich das Dampfroß auf der Linie Dresden�Görlitz meiner Bestimmung entgegen. In Görlitz hatte ich zwei Stunden Aufenthalt, die ich im Bahnhof verbrachte.Die liebe Bequem­lichkeit!" wirst Du wahrscheinlich ausrufen, und Du hast damit nicht ganz unrecht. Aber sieh! liebe Otti, mehr noch als die Bequemlich­keit hielt mich die Freude am Beobachten und Gedankenspinne» im Bahnhof fest. Solch ein Bahnhof ist ein äußerst anregender, lehr­reicher Platz. Ist er mit seinen Wartesälen und Restaurants ver­schiedener Klassen fürgnädige Herrschaften" undgewöhnliche Leute", die über die Achsel angesehenenViertklässer" nicht zu vergessen, nicht ein getreues Abbild unserer heutigen Klassengesellschaft mit ihren Vorteilen für die einen, ihren Beschwerden und Entbehrungen für die anderen? Die wenigste Bequemlichkeil bietet er gerade denen- die für ihren müden, abgearbeiteten Körper ihrer am meisten be­dürsten. DieGerechtigkeit" der Heuligen Ordnung im kleinen das! Das Maß der Rücksicht richtet sich»ach der Größe des Portemon­naies. Und das Publikum, das im unaufhörlichen Flusse des Gehens und Kommens durch die Bahnhofsräume strömt, sich jetzt stauend, dann wieder hastig drängend und nach allen Seiten aus­einanderstiebend! Gestalt um Gestalt taucht auf, in welcher greisbar deutlich die sozialen Gegensätze zwischen Reich und Arm, Ausbeutern und Ausgebeuteten verkörpert sind. Da der Fleisch und Blut ge­wordene Überfluß und Müßiggang , die sich langweilende Blasiertheit; dort die Verkörperung bitterster Not, steter Hätz um das liebe Brot, hoffnungslosen Stumpfsinns. Aus Schauen und Sinnen riß mich die Stimme des Portiers:Nach Lauban -Hirschberg-Striegau ! ein­steigen, höchste Zeit!" Fort ging's. An jeder Station zeigten mit Bergstock und Rucksack ausgerüstete Touristen, daß wir uns dem Riesengebirge näherten. Die Gespräche der Reisenden drehten sich um die Schneekoppe , den Kynast, Bad Flinsberg usw. Fern am Horizont erhoben sich nebelhafte Bergrücken. Ich dachte an die Rübezahlsagen und das Elend der schlesischen Weber. Nachdem ich noch eine kurze Strecke die Bimmelbahn benutzt, war ich endlich in Striegau . Die Stadt bietet dem Auge nichts besonderes. Außer etlichen Kirchen fällt nur ein etwa 100 Personen fassendes Zuchthaus für katholische Männer auf. Kirchen und Zuchthaus und mehr noch bleiche, welke und versorgte Gesichter künden, daß wir uns in der besten aller Welten" befinden. In Striegau wird die Zigarren- und Bürstenfabrikation betrieben, ferner ist die Täschnerbranche als Heimindustrie vertreten, eine große Anzahl Arbeiter sind in den Steinbrüchen beschäftigt. Daß das Kapital die Arbeitenden rück­sichtslos ausbeutet, dafür spricht der große Umfang der industriellen Frauenarbeit. In den zwei zuerst genannten Industrien sind zwei Drittel der Beschäftigten Frauen und nur ein Drittel Männer. Die Arbeilerinne» verdienen bei zehnstündiger Fron S bis 6 Mark pro Woche, die Männer erhalten 2 Mark Taglohn. Bei größter An­strengung erzielen die Heimarbeilerinnen in der Täschnerei ebenfalls einen Wochenverdienst von ö Mark. In der Landwirtschaft bei den Bauern und auf den Rittergütern der Umgebung beträgt der Taglohn der Frauen 60 bis 70 Pfennig, der Männer 1.50 bis I,S0 Mark. Wohlgemerkt ohne Kost, höchstens wird dem Betreffenden ein Stückchen Land zum Bau von Kartoffeln überwiesen. Grinst aus den ange­führten, trockenen Talsachen nicht die Schwere des proletarische» Elends heraus, insbesondere aber die Ausbeutung und Belastung der Frau? Sie lassen mit Händen die Ursache der Erwerbstätigkeit der Proletarierin greifen: Die Unzulänglichkeit des Lohnes, den der Mann heimbringt; sie zeigen, daß für den Kapitalisten die Frau ein noch einträglicheres Ausbeutungsobjekt als der Mann ist, sie wird mit der Hälfte, ja noch weniger seines Verdienstes abgespeist. Er­freulicherweise erwacht in den Arbeiterinnen und Arbeiter» von Striegau die Einsicht, daß sie die Pflicht haben, sich bessere Arbeits­bedingungen zu erkämpfe». Die Versammlung, in der ich über die Notwendigkeit der gewerkschaftlichen Organisation" sprach, war sehr gut besucht und brachte dem Fabrikarbeiter­verband 30 neue Mitglieder. Von Striegau ging es nach Schweidnitz . Hier sind die verschie­densten Industrien vertreten, die Textilindustrie aber herrscht vor. Zwei Drittel der verwendeten Arbeitskräfte sind Frauen. Das Unternehmer­tum betrachtete sicherlich die Bestrebungen, den Arbeitern und Arbeite rinnen durch die Macht des gewerkschaftlichen Zusammenschlusses mehr Brot, besseres Brot zu verschaffen, mit nichts weniger als freundlichem Auge. Dafür sprach ein bezeichnender Vorfall. In der großen mechani­schen Weberei Rosenthal waren einige Einladungszettcl zu der ein­berufenen Versammlung im Abort angeklebt worden. Diese Schandtat sollte bestraft werden. Am Mittag des Versammlungstags erschien in der Fabrik ein Anschlag, der besagte, daß eine Belohnung von 20 Mark für die Nennung des Frevlers ausgesetzt sei. Um 4 Uhr nachmittags verkündete ein zweiter Anschlag, daß im nächsten Jahre sämtlichen Leuten die Nutznießung des Stückchen Ackerlandes entzogen würde, wenn der Name des Übeltäters nicht genannt werde. Da weder das Versprechen noch die Drohung jemand zum Denunzianten werden ließ, kündigte die Firma willkürlich zwei Personen, darunter einem Svjährigen Manne , der bereits seit zehn Jahren im Betrieb tätig war. Die Herren Kapitalisten verfallen auf die kleinlichsten und schäbigsten Schikanen, umihre" Lohnsklaven an der Ausübung ihres Koalitionsrechts zu hindern. Nun trotz alledem war unsere Versammlung sehr gut besucht, denn das Gewerkschaftskartell hatte gut vorgearbeitet. Erfolg: Gründung einer Zahlstelle des Fabrik­arbeiterverbandes mit 35 Mitgliedern. In Liegnitz hätte die Versammlung im Verhältnis zu den sehr zahlreichen Arbeitern und Arbeiterinnen am Orte weit besser besucht sein sollen. Dem Verbände wurden S Personen gewonnen. In Peterswaldau (Eulengebirge) hatte ich Gelegenheit, die Lebenshaltung der Tabakarbeiter und-Arbeilerinnen kennen zu lernen. Sie spottet jeder Beschreibung, liebe Otti! Erklärlich ist sie dafür nur zu sehr, sobald man die Höhe oder richtiger die Niedrigkeit der Löhne betrachtet. Pro Hundert erhalten die Wickelmacherinnen 18 bis 21 Pfennig, die Roller 35 bis 40 Pfennig. Wer die verküm­merte», abgezehrten Gestalten der Tabakarbeiter und-Arbeiterinnen sieht und ihre mehr als dürftige Lebensweise beobachtet, der ruft mit Lassalle empört und entsetzt aus:Diese verdammte Bedürfnislosig­keit!"' Schmalhans ist Küchenmeister. Tagaus, tagein trägt er in der Hauptsache nur Kartoffeln, Brot und Zichorienbrllhe auf. Ich wohnte dem Mittagessen einer Familie bei, wo der Mann zu den besser ge­lohnten Arbeitern gehört. Er allein erhielt zu den obengenannten Gerichten" ein kleines Stückchen Bulter:Er verdient ja besser", meinte die Frau fast entschuldigend ob solcherSchlemmerei". Bei nicht wenigen Familien langt es nicht einmal Sonntags zu einem ordentlichen Fleischgericht. Die Wohnungsverhältnisse sind entsprechend traurig. Abgesehen von dem niedrigen Einkommen der Arbeiter­bevölkerung trägt die Habgier der Hausagrarier das ihrige dazu bei. Ein Zimmer kommt 120 bis 180 Mark Jahrcsmiete. Sehr viele Familien müssen sich deshalb als Heim mit einem einzigen Zimmer begnügen, in dem gewohnt, gekocht, gearbeitet, gewasche» und ge­schlafen, geboren und gestorben wird Die gesundheitlichen und sitt­lichen Folgen dieses schauerlichen Standes der Dinge liegen auf der Hand. Das Wohnungselend, eines der schrecklichsten Übel unserer Zeit, ist nicht bloß in den Großstädten, sondern überall zu treffe», wo Menschen von Menschen ausgebeutet werden. Nach dem Vor­stehenden wird es Dich, liebe Otti, nicht wundernehmen, daß in Peterswaldau vom Kinde bis zur Greisin alles in dürftigster Kleidung und bloßen Füßen geht. Nicht etwa, weil die Leute auf die Kneipp-