Die Ausgaben für die Ernährung verteilten sich pro Woche
wie folgte 2 Brote ü S0 Pfennig.......... I,— Mark Schrippen:c.............. 1,0S- Sonntagsgebäck.............— ,2S- Milch, 1 Liter täglich, Sonntags 2 Liter.... 1,60- Fleisch, täglich V- Pfund ä 3S Pfennig, Sonntags für 1 Mark............ 3,10- Wurst, täglich Pfund......... 2.4ö- Käse.................—.32- Grünes Gemüse............— ,40- Reis, Erbsen, Hafermehl, Kakao'/» Pfund... 1,—- Weizenmehl, 1 Pfund..........— ,19- Zucker, 1 Pfund............— ,30- Gedörrtes Obst, frisches Obst........—,40- Schmalz, 1'/- Pfund........... 1,0S- Butter,'/� Pfund............— ,69- Rindstalg,'/» Pfund...........—,39- Malzkaffee,'/« Pfund..........—,18- Bohnenkaffee,'/» Pfund..........— ,1S- Petroleum und Streichhölzchen.......—,29- Koks................—,39- Seifenpulver, weiße und grüne Seife.....— ,S9- Zwiebeln und Gewürz..........— ,0S- Salz.................—,97- Kartoffeln, 10 Pfund...........— ,2S-
Summa 1S,ö1 Mark Die vorstehenden Zahlen erzählen schon deutlich genug von einer mehr als bescheidenen, von einer mühe- und sorgenreichen, dürftigen Lebenshaltung. Aber sie erhalten noch größere anklagende Wucht, sie rufen noch eindringlicher nach Hebung der proletarischen Lage, wenn man die folgenden Umstände berücksichtigt. 1992 gestalteten sich für uns die Einkommensverhältnisse günstiger als seit vier Jahren. Unsere Familie besteht nur aus drei Personen: Vater, Mutter und einem zwölfjährigen Knaben. Wir blieben glücklicherweise 1902 sowohl von Arbeitslosigkeit wie von schwerer Krankheit verschont. Abgesehen davon, daß ich dem Haushalte baren Verdienst zuführe, spare ich nicht wenige Ausgaben. Wäsche, Kleidung, die Arbeitskleidung des Mannes inbegriffen, ebenso meine Hüte, fertige ich selbst an. Nur das Schuhwerk und der Sonntagsanzug des Mannes wird fertig gekauft. Beiläufig sei bemerkt, daß es uns seit vier Jahren erst 1902 möglich war, einen neuen Sonnlagsanzug für den Mann zu beschaffen. Unsere Wohnung, die für drei Personen zu klein ist, liegt in einem
Die Erwartung des Haushofmeisters ging jedoch nicht in Erfüllung. Die Herrin war mit dem Heiratsprojekt so beschäftigt, daß sie sogar in der Nacht nur davon gesprochen hatte mit einer ihrer Gesellschafterinnen, welche nur für den Fall von Schlaflosigkeit im Hause gehalten wurde und wie ein Nachtkutscher bei Tage schlief. Als Gawrila nach dem Tee bei ihr eintrat, um Bericht abzustatten, war ihre erste Frage:„Und wie ist's mit unserer Heirat? Geht die Sache?" Natürlich antwortete er, es gehe ganz vortrefflich und Klimow werde noch heute erscheinen, um der Herrin zu danken. Die Herrin war etwas unwohl und widmete sich nicht lange den Geschäften. Der Haushofmeister kehrte in seine Wohnung zurück und berief einen Kriegsrat. Die Sache erforderte in der Tat besondere Überlegung. Tatjana widersprach natürlich nicht, aber Klimow erklärte laut vor allen, er habe nur einen Kopf, nicht zwei und nicht drei. Gerassim blickte rasch und finster nach allen, wich nicht von dem Mädchen-Flügel und schien zu erraten, daß etwas Schlimmes im Anzug sei. Die Versammelten, unter welchen sich auch der alte Küchenmeister mit dem Beinamen Onkel Zopf befand, an den sich alle ehrerbietig um Rat wandten, obgleich nichts weiter von ihm zu hören war, als:„Siehst du, wie die Sache ist, ja, ja, ja, ja", begannen damit, daß sie zur Sicherheit Klimow in einen Verschlag bei der Wasserreinigungsmaschine einschlössen und hielten dann eifrig Rat. Es wäre natürlich leicht gewesen, Gewalt zu brauchen, aber Gott behüte, dann entsteht Lärm, die Herrin wird beunruhigt. Was sonst? Lange dachten sie nach und endlich wurde etwas erdacht. Schon oft war bemerkt worden, daß Gerassim Betrunkene nicht leiden konnte. Am Hoflor sitzend, wandte er sich immer mit
Vorort und ist deshalb verhältnismäßig noch„billig". Die mitgeteilten Ziffern weisen aus, daß ohne meinen Verdienst von 99,60 Mark statt eines Überschusses von 91 Mark am Jahresschluß ein Defizit von S,60 Mark vorhanden sein würde. Sie bezeugen auch, daß wir nichts weniger als„geschlemmt" haben. So manche„wohlmeinende" Dame, die den Arbeitern Genügsamkeit, den Arbeiterfrauen Sparsamkeit und gute Wirtschaftsführung predigt, würde in tödliche Verlegenheit geraten, wenn sie gegenüber meinen Aufzeichnungen nachweisen sollte, wie ich sparsamer haushalten und wie unsere kleine Familie bescheidener leben könnte. Ja, wenn ich an die Arbeitsleistung denke, die von meinem Manne und von mir selbst gefordert wird, wenn ich mir vergegenwärtige, daß unser Knabe noch in der Entwicklung steht, Gesundheit und Kraft für ein junges, arbeitsreiches, hartes Leben sammeln sollte: so bin ich fest überzeugt, daß wir, wie viele andere, zu einem gesundheitswidrigen Sparen gezwungen sind, daß im schreienden Gegensatz nicht bloß zu dem Überfluß einer kleinen Zahl von Müßiggängern steht, sondern vor allein auch zu dem heutigen Stande der Kultur. Ich frage: wie bitter müssen die Sorgen, wie hart die Entbehrungen der Tausende und Zehntausende von Arbeiterfamilien sein, für welche bei gleichem Einkommen wie das unserige jene Umstände in Wegsall kommen, die unsere Lage günstig beeinstußlen? Im allgemeinen trifft man in einem proletarischen Heim mehr als ein einziges Kind an; die Ausgaben für die Wohnung sind vielfach höher, als in unserem Falle, weil nicht im Vorort gewohnt werden kann oder zahlreiche Kinder da sind; nicht jede Hausmutter kann dem Verdienst nachgehen, Wäsche und Kleidung selbst anfertigen; Krankheit und Arbeitslosigkeit sind häufige Gäste im Proletariat. Wenn auch nur einer von diesen Umständen vorhanden ist, so wird die Lage der Familie verschlechtert, und Soll und Haben deckt sich nicht mehr. Wird das Loch in der Kasse vermiede», so gibt es einen Fehlbetrag an Gesundheit und Lebensfreude. Meiner Ansicht nach müßte es sich jede proletarische Hausfrau zur Pflicht machen, Tag für Tag Einnahmen und Ausgaben genau einzutragen und auf Grund dieser Aufzeichnungen das Budget der Familie zu berechnen. Die Ziffern würden der Proletarierin recht deutlich sagen, wie notwendig es ist. daß der Mann sich gewerkschaftlich und politisch organisiert, damit er für sich und die Seinigen höheren Verdienst und eine bessere Lebenshaltung zu erringen vermag. Sie würden ihr klar machen, daß die Frau selbst ein großes Interesse an der Politik hat, weil diese von Einfluß auf die Löhne und die Preise der Lebensbedürfnisse ist, sie würden auch ihr die Notwendigkeit predigen, sich aufzuklären und am Befreiungskampfe der Arbeiterklasse teilzunehmen. M. Jeetze -Berlin .
Abscheu ab, wenn ein Betrunkener mit unsicheren Schritten, die Mütze auf dem Ohr vorüberging. Man beschloß, Tatjana anzuweisen, sich betrunken zu stellen und taumelnd bei Gerassim vorüberzugehen. Das arme Mädchen weigerte sich lange, ließ sich endlich aber überreden. Überdies sah sie selbst ein, daß sie sich anders von ihrem Verehrer nicht befreien könne. Sie ging. Klimow wurde aus der Rumpelkammer Herausgelaffen, denn die Sache ging ja ihn doch auch an. Gerassim saß auf einem kleinen Pfosten an der Pforte und bohrte mit der Schaufel in die Erde.... Von allen Ecken und allen Fenstern blickte man neugierig nach ihm. Der Streich gelang vorzüglich. Als er Tatjana erblickte, nickte er zuerst mit dem Kopfe, unter freundlichem Brüllen, wie gewöhnlich, dann blickte er sie aufmerksam an, ließ die Schaufel fallen, sprang auf, trat auf sie zu und näherte sein Gesicht dem ihrigen.... Aus Angst schwankte sie noch mehr und schloß die Augen.... Darauf erfaßte er sie an der Hand, zog sie im Laufe durch den ganzen Hof und trat in das Zimmer, wo die Beratung staltfand. Dort stieß er sie gerade zu Klimow hin. Tatjana fiel in Ohnmacht. Gerassim blieb stehen, betrachtete sie, zuckte die Achseln, lachte und ging mit schweren Schritten in seine Kammer. Ganze Tage lang kam er nicht mehr zum Vorschein. Der Stallknecht Antipka erzählte später, er habe durch eine Spalte gesehen, wie Gerassim, auf seinem Bett sitzend, die Hand an die Wange legte und leise im Takt sang, zuweilen brüllend, dann sich mit geschlossenen Augen wiegte und den Kopf schüttelte, wie die Postillone oder die Bootsknechte, wenn sie ihre schwermütigen, gedehnten Lieder singen. Antipka wurde unbehaglich zu Mut und er zog sich von der Spalte zurück.-(Fortsetzung folgt.)