Eröffnung des Gesamtparteitags, der am 9. November zusammen­tritt. Die erste derartige Konferenz in Österreich tagte vor mehr als vier Jahren. Das Frauenreichskomitee geht von dem Ge­danken aus, daß die Konferenz sowohl die gewerkschaftliche Organi­sation der Arbeiterinnen, als auch ihre Betätigung im poli­tischen Kampfe des Proletariats fördern soll. Als vorläufige Tagesordnung schlägt es vor: 1. Bericht des Komitees. 2. Organisation, Agitation. 3. Arbeiterinnenschu 1. 4. Presse. 5. Die politische Betätigung der Frauen. 6. Eventuelles. Das Frauenreichskomitee hofft auf eine rege Beteiligung der Genossinnen und befürwortet, daß überall, wo zur Frauenfonferenz delegiert wird, der Wahlkreis eine Genossin auch zum Parteitag entsende. Gleichzeitig mit Bekanntmachung seiner Vorschläge verschickt das Frauenreichskomitee einen Fragebogen an die Genossinnen, der folgende Auskünfte einfordert: 1. Name der Organisation, beziehungsweise der Vertrauensperson; 2. Sitz derselben; 3. Zahl der Mitglieder; 4. Wieviele Mitglieder sind gewerbliche Arbeiterinnen? 5. Wieviele derselben sind Heimarbeiterinnen und in welchen Berufen? 6. Wieviele arbeiten außer Haus und in welchen Berufen? 7. Welchen Organisationen in ihrem Orte gehören noch Frauen an und wieviele? 8. Betätigen sich die Frauen auch in den politischen Organisationen? Wenn ja, wie viele? 9. Auf welche Art? 10. Wie viele Arbeiterinnen Zeitungen sind abonniert? Wieviele folportiert?

Frauenstimmrecht.

Die Forderung des Frauenstimmrechtes für Preußen be­treffend nahm die Parteikonferenz für die Provinz Brandenburg ein­stimmig folgende Resolution der weiblichen Delegierten an: Bei dem Kampfe um die Eroberung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direk ten Wahlrechtes zum Landtag in Preußen ist dem sozialdemokratischen Programm entsprechend auch die Forderung des Frauenstimmrechtes überall mit aller Energie zu fordern und eingehend zu begründen." Die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen, welche mit der Verleumdung hausieren, der Sozialdemokratie sei es nicht ernst mit ihrem Ein­treten für Frauenrecht, die mit der Behauptung krebsen, die freisinnige Volkspartei sei der festeste Hort der Fraueninteressen, mögen den gleichen Beschluß seitens einer bürgerlichen Partei vorweisen!

Die Forderung der vollen politischen Gleichberechtigung der Geschlechter ist in dem fürzlich veröffentlichten Entwurf zum Programm der Schweizerischen Sozialdemokratie enthalten. Sie ist eine Selbstverständlichkeit, die sich aus dem Wesen der sozia­ listischen Partei und ihrer geschichtlichen Auffassung ergibt. Eine Partei, welche für die Befreiung alles dessen tämpft, was Menschen­antlig trägt; eine Partei, welche die veränderten Lebensbedingungen und Aufgaben der Frau begreift: kann die Frau, die Mutter und Erzieherin der fünftigen Gesellschaftsbürger, nicht als politisch Un­wissende und Rechtlose von der Mitarbeit an der Gestaltung des sozialen Lebens, von der Wahrung ihrer eigenen Interessen und der­jenigen der Allgemeinheit ausschließen. Eine Partei, welche die politischen Macht erobern muß, um das Zwinguri der kapitalistischen Fron brechen zu können: muß die politisch gleichberechtigte Prole­tarierin als gleichberechtigte Rämpferin in ihren Reihen haben.

Das Wahlrecht in Staat und Gemeinde für alle ein­undzwanzigjährigen finnischen Frauen verlangte der Parteitag der finnischen Sozialdemokratie, der vom 17. bis 20. August in Forssa stattgefunden hat. Er erklärte sich des weiteren für die Einführung des Einkommensystems und völlige Vereins-, Versammlungs-, Rede­und Preßfreiheit .

Frauenbewegung.

Zulassung der Mädchen zum Gymnasialunterricht. Das fleine Offenburg marschiert in den ersten Reihen der wenigen Städte, Fünf die gestatten, daß Mädchen das Gymnasium besuchen. Mädchen machen bis jetzt in verschiedenen Klassen von diesem Rechte Gebrauch, und daß sie hinter den Knaben nicht zurückstehen brauchen, beweist der Umstand, daß eine Schülerin der Obertertia sich im eben abgelaufenen Schuljahr den zweiten Preis errang. Der Direktor der Anstalt- Hofrat Weiland einer der tüchtigsten Pädagogen, betont immer wieder gerne den anspornenden Einfluß, den diese Mädchen auf ihre Mitschüler ausüben.

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m.

Die ,, Bibliothek zur Frauenfrage", Berlin , Seydelstraße 25, ist seit dem 1. September wieder geöffnet, und zwar Mittwochs von 5 bis 8, Sonnabends von 6 bis 9 Uhr. Die Benutzung derselben ist jedermann gegen eine Leihgebühr von jährlich zwei Mark ge­stattet. Anfragen find an die Bibliothekarin, Frl. D. Hirschfeld, zu richten.

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Verantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin ( Bundel) in Stuttgart ..

Verschiedenes.

Fraueninteressen im Programm der schweizerischen Sozial­demokratie. Die sozialdemokratische Partei der Schweiz steht im Be­griff, sich ein neues Programm zu geben, und die bezügliche Kommission hat jüngst einen Entwurf dazu veröffentlicht, der aber leider nur den praktischen Teil umfaßt, also eine Halbheit ist. Der Programm­entwurf ist selbstverständlich durchweg von dem Geiste der Gleich­berechtigung aller Menschen erfüllt, und gleich der erste Punkt lautet: Gleichstellung der Frau mit dem Manne in öffentlich und privat­rechtlicher Beziehung und daher Aufhebung aller der Gleichberechti­gung entgegenstehenden Verfassungsbestimmungen. Weiter enthält der Entwurf folgende die Frau speziell berührende Forderungen: Gleich­heit der Löhne bei gleicher Arbeit für beide Geschlechter, Anstellung von Fabrikinspektorinnen, Gesetz betreffend die Heimarbeit, den Schutz des Wirtschaftspersonals, des Ladenpersonals, der Dienstboten, Heim­stätten für Wöchnerinnen, Versorgung mit Säuglingsmilch, Fürsorge für Witwen und Waisen, unentgeltliche Geburtshilfe und Wöchnerinnen­pflege. Im übrigen liegt es in der Natur der Sache, daß alle Forde­rungen des Entwurfes, die eine Besserstellung des Arbeiters bezwecken, also eine Hebung der Lage des arbeitenden Volkes überhaupt zum Ziele haben, auch im Interesse der Arbeiterinnen liegen. Dazu ge= hören vor allem auch die Forderungen an die Gestaltung der Arbeiter­schutzgesetzgebung, die sich auf den Achtstundentag, freien Samstag nachmittag, wöchentlichen Ruhetag von mindestens 36 Stunden, jähr­lichen zusammenhängenden Urlaub von mindestens 14 Tagen bei Zahlung des vollen Lohnes erstrecken. Hoffentlich werden die schweize­rischen Arbeiterinnenvereine auch ihre Aufgabe, die allseitige Förderung der Arbeiterbewegung, immer mehr erkennen und durchführen.

Z.

Berufliche und hauswirtschaftliche Bildung des weiblichen Geschlechtes in der Schweiz . In der Schweiz bestanden im Jahre 1902 214 Töchterfortbildungsschulen, Koch- und Haushaltungsschulen, Dienstbotenschulen" usw., zu denen von den Gemeinden, den Kan­tonen und vom Bund insgesamt zirka 700 000 Franken beigetragen wurden. Die Gesamtkosten beliefen sich auf rund 1 Million Franken. Von 1896 bis 1902 stieg die Zahl der Bildungsanstalten, Kurse usw., welche der Fortbildung der Mädchen und Frauen dienen, von 114 auf 214, also um 100, die Summe der Gesamtkosten von 479 216 Franken auf rund 1 Million Franken. Über die Zahl der Schülerinnen in diesen Anstalten liegen keine Angaben vor, doch dürfte sie mehrere Zehntausende betragen. Was auf diesem Gebiet bis jetzt getan, so anerkennenswert es ist, bedeutet nicht viel mehr als einen Anfang, denn hier sind noch ungemein viele und wichtige Aufgaben zu lösen.

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Weberlied.

Seht auf dem Felde die Lilien an: Die arbeiten nicht

Und sie spinnen nicht Doch scheint ja die liebe Sonne sie an, Doch tragen sie Kleider, schön gemacht, Noch schöner als Salomo in seiner Pracht. Seht auf den Bäumen die Vöglein an: Sie arbeiten nicht Und sie spinnen nicht Die singen nur froh zu dem Himmel hinan Und werden ja alle, all ernährt

Und nimmer wird ihnen das Leben erschwert! Am Webstuhl aber da stehen wir, Wir arbeiten früh

Und wir spinnen spät:

Doch tragen wir Lumpen, doch hungern wir Doch finden wir nimmer des Lebens Freud ' Und schleppen mit uns ein nie endendes Leid!

Quittung.

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Z.

Luise Otto .

Für den Agitationsfonds der Genoffinnen gingen bei der Unter­zeichneten ein: aus Eichlingshofen durch Genossin Kesten 23 Mark; Berlin Liste 653 7,20 Mart; Liste 42 und 43 18,20 Mart; Görlitz durch Genossin Gregor 20 Mark; Genossinnen in Magdeburg 20 Mark; Ertrag einer Sammlung bei der Generalversammlung der Offenbacher Frauenkranken- und Sterbekasse 33,50 Mark. Summa 121,90 Mark. Dankend quittiert

Berlin , 10. September 1903.

Ottilie Baader , Vertrauensperson der Genossinnen Deutschlands . Berlin SW. 29, Belle- Alliancestr. 95, Hof, 3 Tr. Druck und Verlag von J. H. W. Die Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart .