Nr. 7 Die Gleichheit 39 dichterischen WeltbildeZ zu gewinnen. Das Publikum brachte . Andersen gleich mit seinem ersten Buche, einer parodistischen Fußreise, auf seine Seite, aber die Kritik nahm ihn jahre- , lang hart mit. Der Weg ging über Dornen, aber der Weg ' wurde gemacht: in dem Schriftsteller, der von seiner Feder leben mußte, rang sich der Dichter echt und tief ans Licht. In dem ersten größeren Werke, das seine Züge deutlich erkennen ließ, dem Roman„Der Improvisator", spiegelt ' sich Andersens echte Künstlerschaft, die sehr wohl wußte, daß � und weshalb sie über bloßen, Handwerkertum stand. Andersen � beichtet:„Das Schöne und Edle in jeder Sache riß mich hin. In ruhigen Augenblicken gedachte ich oft prüfend aller meiner ' Erzieher, und es kam mir dann vor, als stünden sie in der ' ganzen Natur und dem Weltleben, für welche meine Ge- ' danken und meine Seele nur lebten, als geschäftige Handwerker da. Die Welt selbst kam mir wie eine junge Schön- � heit vor, deren Geist, Gestalt und Gewänder meine ganze ' Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hatte.... Mich ergreift ' � das Ganze; ich sehe wohl die Schönheit der einzelnen Teile; � allein, um euch einen Gefallen zu tun, kann ich doch weder ' Schneider noch Schuhmacher werden; mein Beruf ist, die � Schönheit des Ganzen aufzufassen. Ihr guten Männer und ' Frauen, zürnt mir und verdammt mich nicht darum."—„Es ist ihm zu niedrig und seinem poetischen Geiste nicht hoch ' genug!" spöttelten sie alle.„Kein Tier ist doch so grausan, � wie der Mensch! Wäre ich reich und unabhängig gewesen, ' hätten die Ansichten bald gewechselt. Alle waren sie kliiger, � gründlicher, vernünftiger als ich. Ich lernte verbindlich � lächeln, wo ich hätte weinen mögen, mich vor dem verbeugen, � den ich gering schätzte, das leere Geschwätz der Toren auf- merksam anhören. Verstellung, Bitterkeit, Überdruß des � Lebens waren die Früchte der Erziehung, welche die Umstände und die Leute mir aufdrangen." Andersen hatte das Schicksal des unbegriffenen, verkannten Genies zn " kosten, aber er war diesem Schicksal gewachsen. In Deutsch land hat man zuerst ein starkes Bewußtsein seiner großen ' Dichterschaft gehabt, aber schließlich beugte sich auch die widerspenstige dänische Kritik. Reiseplaudereien, Dramen, Gedichte, Romane, Erzählungen, ° Skizzen, Märchen— was Andersen schrieb, füllt in der � deutschen Ausgabe nicht weniger als fünfzig Bände.„Der � Improvisator " hatte in Italien gespielt, dänischen Boden � zeichnete der Roman O. T.(1836), die Geschichte eines im � Zuchthaus geborenen Knaben, dem ein Sträfling die beiden � zweideutig Geburtsstätte und Namen andeutenden Buch- � staben eingebrannt. Und auch der dritte große Roman„Nur � ein Geiger"(1837) führte in das Landleben auf den dänischen � Inseln. Die Romane sind in ihrer Handlung durchaus dichterische Selbstspiegelungen: überall der Kampf des unter schlimmen äußeren Umständen geborenen Talents, das um � sein Lebensglück ringt. Im Geiger steht der Aufschrei: 7„Lasset das wahre Talent nicht irdisch zugrunde gehen!" � Das Wort, das Andersen vom eigenen Leben gelernt, könnte '' allen drei zum Motto dienen. In den Romanen— auch 2 in der kürzeren Erzählung„Glückspeter"— steckt eine Fülle � Andersenscher Selbstbiographie, und weil der Dichter in die � Kampfzeit seines Lebens, in die Zeit der Entbehrung und . der unerfüllten Wünsche griff, mußte ein Zug in die Romane kommen, den jene Ära der dreißiger und vierziger Jahre, " die für das Elend der unteren Schichten Augen bekam, als '' sozial empfand. Politische Züge von etwelcher Schärfe weist das Bild " Andersens nicht auf. Der Dichter verkehrte viel mit aller- � Hand Fürstlichkeiten— er hatte viel Gutes vom dänischen � Königshause erfahren und galt in Deutschland , namentlich � in Weimar , als intimer Freund— irgendwer in diesen � Kreisen nannte ihn einmal„einen lieben, braven Poeten, mit ' dem man aber nicht von Politik spreche". Die dänische � Kritik hatte ihn weidlich wegen seines„Hofdienstes" oer- " spottet, aber es wäre doch falsch, ihn einen Höfling zu � nennen. Er hat gerade die Höflingsdemut, Unwahrhaftig- � keit, Unnatur mit deutlichem Spotte gegeißelt, und zwar in ? seinen— Märchen. Man lese nur Des Kaisers neue Kleider , ! Die Nachtigall, Der Schweinehirt, Der Springer! Es ist ein gutes Wort: seine Märchen seien gleichsam mit dem Munde � eines Kindes unter 12 Jahren für große Kinder über 24 � Jahren erzählt. Was heute nun freilich matt erscheint, das ' wurde damals immerhin als Stich empfunden. Die großen � revolutionären Ereignisse seiner Zeit— Polenaufstand, Juli- ' revolutton, Februarrevolution— ziehen in Andersens Werken und Briefen nur schwache Spuren. Er stand den lauten � Dingen der Welt fern, und es paßt ganz und gar zu seinem Bilde, wenn sein dramatisches Spiel Ole Luköje, das 18S0 � auf die Bühne kani, den Wert materiellen Reichtums bestritt 7° und einen genügsamen, gesunden Sinn als das wahre Glück � pries. Andersen war auch nicht ein großer Menschenkenner, � wie der geringe psychologische Gehalt seiner Romane zeigt. � Nur wie die Dinge der Welt sich in der Seele des Kindes � spiegeln und wie die ganze weite Natur sich in kindlicher � Märchenlieblichkeit beseelt und verlebendigt, das weiß er, und nun lese man in seinem von den Reizen stiller, zarter Schön- � heit erfiillten„Bilderbuch ohne Bilder" jenes wundervolle ' Blatt, das da verrät, was ihn an dem Barrikadenkampf der Pariser Julirevolution so besonders tief ergriff. Das Bilder- � buch gibt kleine Lebensvorgänge, die der vielbewanderte pl Mond einem Maler erzählt. Also: Gestern, fing der Mond an, blickte ich auf das bewegte el Paris nieder; mein Auge drang in die Gemächer des Louvre. r- Eine alte Großmutter, ärmlich gekleidet— sie gehörte den � geringeren Klassen an—, folgte einem der untergeordneten Bedienten in den großen, leeren Thronsaal; dieser war es, den sie sehen wollte, sehen mußte; es hatte ihr manches � kleine Opfer, viele Worte gekostet, ehe sie soweit gelangte. � Sie faltete ihre mageren Hände und blickte andächtig umher, als befände sie sich in einem Gotteshause.„Hier war es!" sagte sie,„hier!" und sie näherte sich dem Throne, von dem der reiche, mit goldenen Fransen besetzte Sammet herabhing. „Da!" rief sie,„da!" und sie kniete nieder und küßte den Purpurteppich— ich glaube, sie weinte.„Dieser Sammet war es aber nicht", sagte der Bediente, und ein Lächeln spielte um seinen Mund.„Aber hier war es doch", erwiderte die alte Frau,„so sah er doch auch aus."„So, und nicht so", antwortete er,„die Fenster waren eingeschlagen, die Türen ausgehoben, auf dem Fußboden floß Blut!— Sie kann doch sagen: Mein Enkel ist auf dem Throne Frank reichs gestorben."„Gestorben!" wiederholte die alte Frau. — Ich glaube nicht, daß weiter etwas gesprochen wurde, auch verließen sie bald den Saal. Die Abenddämmerung verschwand und mein Licht bestrahlte doppelt hell den reichen Sammet auf dem Throne Frankreichs . Für wen hältst du wohl die alte Frau?— Ich werde dir eine Geschichte erzählen. Es geschah in der Julirevolution, am Abend des glänzenden Siegestages, als jedes Haus eine Festung war, jedes Fenster eine Schanze;— das Volk stürmte die Tuilerien. Selbst Frauen und Kinder befanden sich unter den Kämpfenden, sie drangen in die Gemächer und Säle des Schlosses. Ein armer, halberwachsener Knabe in Lumpen kämpfte mutig unter den älteren Kriegern; tödlich verwundet von mehreren Bajonettstichen sank er zusammen; das geschah in dem Thronsaal; man legte den Blutenden auf den Thron Frankreichs , wickelte den Sammet um seine Wunden, sein Blut strömte auf den königlichen Purpur! Das war ein Gemälde. Der prächttge Saal, die kämpfenden Truppen! Eine zerbrochene Fahne lag auf dem Fußboden, die dreifarbige Flagge wehte über den Bajonetten, und auf dem Thron saß der arme Knabe mit dem blassen, verklärten Gesicht, die Augen gen Himmel gerichtet, während seine Glieder im Todeskampf zuckten; seine nackte Brust, seine ärmliche Kleidung, halb bedeckt von dem reichen, mit silbernen Lilien gestickten Sammet. An des Knaben Wiege war prophezeit:„Auf Frankreichs Throne wird er sterben!" Das Mutterherz träumte von einem zweiten Napoleon.— Meine Strahlen haben den Jmmortellenkranz auf seinem Grabe gekiißt, meine Strahlen haben in dieser Nacht die Stirn der alten Großmutter geküßt, während sie träumend das Bild erblickte, welches du hier zeichnen kannst: der arme Knabe auf dem Throne Frankreichs. Niemand hat wohl den auf der Barrikade der Freiheit gefallenen Kindern ein schöneres Denkmal gestiftet als der Dichter Andersen . Es ist wohl wahr: wäre er ein Reaktionär gewesen, dieses Blatt des Ruhmes wäre seiner Dichterschaft nicht ergrünt. Er war von jenem kleinbürgerlichen, vor- märzlichen und stockdänischen Typus, der überhaupt noch nicht zur Politik erwacht war und in dessen Leben die empfindsame Gefühlssaite mit kindlich religiösem, moralischem Grundklange am stärksten schwang. In der Hinkehr zur Natur konnte sich der ideelle Inhalt solchen Lebens zu seiner höchsten Höhe erheben und erschöpfen. Ein Grundzug seiner Märchenphantasie ist, daß sich ihr alles— Tiere, Pflanzen, selbst die leblose Natur— menschlich beseelt. Aus der Liebe zur Güte und aus den Sinnen des Kindes heraus, die überall Wunder formen und sie ohne Staunen als das Selbstverständlich-Natürliche nehmen. Andersen ist in den Märchen kein Romantiker, der in eine farbig-seltsame Vergangenheit zurückversetzen will; er ist in seiner Weise Realist: alles hat bei ihm den Atem gegenwärtigen Lebens. Mit dieser Eigentümlichkeit ging Andersen über die Romantik hinaus, ein bedeutsames, literarisches Verdienst, und nicht zum wenigsten wegen seiner Unmittelbarkeit saugt ihn jedes kindliche Leben so intensiv auf, und das Aufgenommene wird Lebensgut. Als Andersen diesen Märchenzug seiner Seele dichterisch schaffend begriff, konnte er sein Weltbild geben und nun der große Dichter werden, den wir in ihm verehren. Ein Wort des natursinnigen deutschen Poeten Karl Mayer , der dem Kreise um Uhland und Mörike nahestand, mag zum Schlüsse das Charakterbild Andersens durchleuchten. Mayer nannte den dänischen Dichter einmal einen Menschen aus dem goldenen Zeitalter, da noch Löwe und Lamm zusammenspielten. k'r. 0. Aus dem Reiche des voigtländischen Textilkapitals. Arbeiterinnen der Reichenbacher Textilindustrie, organisiert euch! Diese Mahnung.rufen uns wichtige Vorgänge im Orte laut zu. Die Herren Fabrikanten, die sich stolz unsere Brotgeber nennen, aber in Wirklichkeit unsere Brot- nehmer sind, haben sich bekanntlich in dem„Jndustrieverein für Reichenbach und Umgebung" zusammengeschlossen. Durch die Macht der Vereinigung wollen sie den bescheidenen Forderungen der Arbeiter und Arbeiterinnen Trotz bieten, wollen sie als„Herren im Hause" die Arbeitsbedingungen der Fabriksilaven so festsetzen, wie es ihren Geldsackswünschen und Machtgelüsten entspricht. Die Bedürfnisse der Arbeiter, der Arbeiterinnen und ihrer Familien wiegen dabei für sie nicht eine Feder. Was das heißt, kann man ermessen, wenn man bedenkt, wie schlecht die Arbeitsbedingungen der Textilarbeiterschaft im allgemeinen sind, und wie sie insbesondere auf den Frauen und Mädchen lasten, die für billigen Lohn unter ungesunden Verhältnissen lange Stunden fronen müssen und daheim noch die Bürde der häuslichen Arbeit zu tragen haben. Die bleichen, verhärmten Gesichter der Textilarbeiterinnen, die skrofulösen, schwächlichen Gestalten der Kinder reden herzzerreißend davon. Die Errichtung eines Arbeitsnachweises, der seit dem 15. Februar besteht, ist seitens der Fabrikantenorganisation als ein Hauptmittel gedacht, die Arbeiter und Arbeiterinnen in Unterwerfung zu halten und jede Forderung ihrerseits niederzuzwingen. Zu diesem Zwecke führt er eine geradezu büttelmäßige Kontrolle über die Arbeiter ein, verpflichtet die Mitglieder des Jndustrievereins, nur Arbeitskräfte mit einem Arbeitsnachweisschein einzustellen, und untersagt ihnen, in den Lokalblättern nach Arbeitern und Arbeiterinnen zu inserieren. Dadurch ermöglicht er, die„unruhigen",„unzufriedenen",„verhetzenden" und sonstigen mißliebigen Elemente auszuscheiden, zu kennzeichnen und der Arbeitslosigkeit, der Verdienstlosigkeit zu überantworten. Auf Schleichwegen meuchelt er also die Bestimmungen der HZ Iii und 113 der Gewerbeordnung, welche es verbieten, auf Entlassungspapieren, Arbeitsscheinen und Arbeitsbüchern Zeichen anzubringen, die den Inhaber als„mißliebig" verfemen. Dannt nicht genug. Der Arbeitsnachweis hat auch die gleich arbeiterfeindliche Aufgabe, im Falle von Lohnbewegungen Streikbrecher von auswärts zu liefern. In der Geschäftsordnung heißt es, daß die Nachweisstelle verpflichtet ist, bei Arbeitermangel geeignete Arbeiter von auswärts herbeizuschaffen. Die Unternehmer, welche gegen die Bestimmungen der Geschäftsordnung verstoßen,„vorsätzlich oder fahrlässig", werden in jedem einzelnen Falle der Zuwiderhandlung mit 3 Mark gesttaft. In dieser Bestimmung zeigt sich der gleiche„Terrorismus" gegenüber dem einzelnen Fabrikanten, wie in den Satzungen des Jndustrievereins überhaupt. Denn nach diesen verfallen Mitglieder, welche eine statutengemäß beschlossene allgemeine Aussperrung in ihrem Bettieb nicht zur Durchführung bringen, in eine Strafe, die für jeden Tag der Zuwiderhandlung eins vom Hundert der in dem letzten Jahre der Berufsgenossenschaft gemeldeten jährlichen Lohnsumme beträgt. Man stelle sich die Entrüstung der Unternehmer und die Schärfe des behördlichen Einschreitens vor, wenn eine Gewerkschaft durch eine ähnliche Bestimmung ihre Mitglieder zum Streiken zwingen wollte. In Reichenbach und Umgegend ist jetzt schon die Möglichkeit, Arbeit, vor allem aber lohnende Arbeit zu finden, recht gering. Man stelle sich nun vor, wie die Dinge sich gestalten müssen, wenn der Arbeitsnachweis Arbeitskräfte von auswärts heranzieht. Das Herabsinken der Löhne auf das denkbar niedrigste Niveau ist die Folge davon. Offenbar soll der Arbeitsnachweis jede Bewegung für bessere Arbeitsbedingungen im Keime ersticken. Unter den Textilarbeitern von Reichenbach und Umgegend gärt es, nicht bloß, weil eine Verbesserung ihrer Lage dringend nötig wäre, nein, weil ihre Arbeitsbedingungen in manchen Betrieben noch verschlechtert worden sind. So hat zum Beispiel der Besitzer einer Färberei und Appreturanstalt eine Fabrikordnung ausgehängt, welche die bis jetzt geltende vierzehntägige Kündigungsfrist abschafft. Des weiteren bestimmt sie, daß die Arbeiter— sobald im Bettieb etwas abhanden gekommen ist— sich einer Visitation durch den Portier unterwerfen müssen. Die Arbeiter empfanden das als einen Schimpf und wurden vorstellig. Welche Antwort erhielten sie vom Unternehmer?„Na, wer nicht unterschreibt, der kann gehen. Wenn ihr streiken wollt, so streikt nur! Ich gehe in den Arbeitsnachweis, und da kriege ich Leute, so viel ich brauche." Ein kleiner Webereibesitzer, welcher der Forderung der Arbeiter nach Verkürzung der Arbeitszeit um eine halbe Stunde gern entgegengekommen wäre, erklärte, daß er in punkto Arbeitsbedingungen nicht sein eigener Herr sei, sondern sich nach den Beschlüssen der Unternehmerorganisation richten müsse. Der Verband der sächsischen Textilindustriellen habe beschlossen, die Einführung der zehnstündigen Arbeitszeit mit der Begründung abzulehnen, die Regierung möge diese Reform gesetzlich festlegen. Die Regierung, die bekanntlich die gesetzliche Einführung des Zehnstundentags unter den schäbigsten, fadenscheinigsten Vorwänden von Jahr zu Jahr verschleppt! Die Regierung, welche die Arbeiter und Arbeiterinnen mit Enqueten abspeist, die an erster Stelle zeigen, daß die Regierenden als gehorsame Diener der herrschenden Klassen nicht einmal den Willen zu bescheidenen Reformen haben! Die Unternehmerorganisation soll ferner beschlossen haben, daß ihre Mitglieder nicht mehr Lohntarife aushängen dürften. Wie die Dinge in Reichenbach liegen, gilt es, Zuzug von auswärtigen Arbeitskräften fernzuhalten und die Organisation der Textilarbeiter zu stärken. Erfreulicherweise scheint es, daß die Textilarbeiter von Reichenbach und Umgegend die Sprache der Tatsachen verstehen. Sie begreifen, daß aus ihrer Haut breitere Riemen geschnitten werden sollen. Und das Vorgehen der Unternehmer stößt sie mit der Nase darauf, was sie zu tun haben, um sich gegen den Egoismus und Übermut der Herren zu schützen. Sie müssen sich gleich ihnen zu Schutz und Trutz fest zusammenschließen. Die Mitgliederzahl des Verbandes ist in den letzten Wochen bedeutend gewachsen, Arbeiter und Arbeiterinnen sind ihm beigetreten, die bis dahin indifferent beiseite standen. Aber freilich, noch immer fehlt es nicht an Lauen und Flauen, an Törichten, welche gegen ihre ureigensten Interessen sündigen, indem sie der Organisation fernbleiben. Sie durch Aufklärung aus ihrer Gleichgültigkeit, aus ihrer Hoffnungslosigkeit und ihrem Sklavensinn aufzurütteln und dem Verband zuzuführen, ist mehr als je Pflicht aller Männer und Frauen, die schon zur Erkenntnis ihrer Lage gekomnien sind. Insbesondere müssen die Genossinnen mit aller Kraft dafür tätig sein, daß die Arbeiterinnen erfahren, was für sie auf dem Spiele steht. Schließen auch die Arbeiterinnen sich in Massen der Organisation an, betätigen sie sich als treue, aufopfernde Gewerkschafterinnen, so werden die Fabrikanten trotz Arbeitsnachweis und anderer Kniffe und Pfiffe zur Knechtung der Arbeitenden, den Interessen der Ausgebeuteten mehr Rechnung tragen müssen. Arbeiterinnen der Reichenbacher Textilindustrie, es steht bei euch selbst, ob ihr euer trauriges Los noch
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15 (5.4.1905) 7
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