Nr. 25

Die Gleichheit

15. Jahrgang

eoeoeoer Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen ee

Die Gleichheit" erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

Inhalts- Verzeichnis.

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Her mit dem Zehnstundentag! Von Gustav Hoch . Über Schul­gesundheitspflege. VI. Von Dr. Zadek. Der preußische Landtag.

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" Zehn Gebote für die Männer." Von Heinrich Schulz.

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Feuilleton: Nationalität. Bon Gottfried Keller. ( Gedicht.) Im neuen Dom. Von W. R.- Nikolai. Von Gottfried Keller . ( Gedicht.) Die beiden Brüder. Von Iwan Turgenjeff. Wir sind die Saat. Von Otto Erich Hartleben. ( Gedicht.)

Stuttgart den 13. Dezember 1905

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Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit" sind zu richten an Frau Klara Zetkin ( 3undel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.

Hesse fand in der Luft eines Berliner Schulzimmers in einem Kubikmeter Luft:

.

M

im Minimum

.

1500 Reime

im Maximum über im Durchschnitt.

3000000

=

268 000

.

=

·

Freilich verlangten sie, daß dem Arbeitgeber im Hin-| das nach kurzer Unterbrechung noch eine zweite, dritte, später blick auf die Erhaltung seiner Wettbewerbsfähigkeit, auf selbst vierte und fünfte Stunde hindurch obendrein in Die wechselnde Geschäftslage und auf die Eigenart seines einem Raume zusammen mit 50, 60, ſelbſt 70 Kindern und Die Arbeiterinnen am Wiener Wahlrechtstag. Von Adelheid Popp. bleibe, in den durch die bestehenden Gesetze gezogenen zustande kommt, kann jeder schon riechen, der nach Beendi Betriebs nach wie vor die freie Entschließung gewahrt darüber. Was da durch die Ausatmungs- und Ausdünstungs­produkte so vieler Menschen für eine Luftverschlechterung -Aus der Bewegung: Von der Agitation. Von den Organi­sationen.- Jahresbericht der Leipziger Vertrauensperson. Das Grenzen die Arbeitszeit in seinem Betrieb zu bemessen gung des Unterrichts einen solchen Raum betritt. Betten­Frauenſtimmrecht in den Wahlrechtskämpfen des deutschen Prole- und festzustellen". Dieser Anspruch der Industriellen kofer verlangt als höchst zulässigen Gehalt der Luft an tariats. Frauen bei Wahlen. - Agitation im fituften und ist eine Forderung des allmählich sanft entschlafenen Kohlensäure ein pro Mille( auf Tausend), darüber hinaus dritten Schleswig- Holsteinischen Wahlkreis . Von Luise Ziet. Manchestertums, das die Regelung der Lohn und Arbeits- kommt es bei längerem Aufenthalt zu eingenommenem Kopfe Politische Rundschau. Von G. L.- Gewerkschaftliche Rundschau. verhältnisse dem freien Walten der wirtschaftlichen und Müdigkeit, Schwindel und Ohnmacht, das heißt Ver­Notizenteil: Der Riefenkampf in der sächsisch- thüringischen Textil- Kräfte" überlassen wollte und jede Einmischung" der giftungserscheinungen mit Kohlensäure, wie sie in überfüllten industrie. Adressenverzeichnis. Vergewaltigung der Staatsbürger" verabscheute. Den schiffen usw. nicht selten beobachtet werden und selbst schon Gesetzgebung in diese Verhältnisse als eine unerträgliche und überhitzten, schlecht ventilierten Versammlungslokalen, Theatern und Konzertsälen, im Zwischendeck von Auswanderer­seligen Manchester wird aber auch der mächtigste Zentral- den Tod herbeigeführt haben. Die Untersuchung der Luft verband nie und nimmer wieder ins Leben zurückrufen. in unseren Volksschulen hat gegen Schluß des Unter­über diese Zeit sind wir endgültig hinaus. Heute gibt richts einen Kohlensäuregehalt von 9, selbst 12 pro es fein Mittel mehr, um die Tatsache zu verdunkeln, Mille ergeben. Her mit dem Zehnstundentag! daß bei der Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse Der Reichstag hat wieder seine Arbeit aufgenommen, nicht einzig und allein das Profitinteresse in Betracht und wieder sollen die Arbeiterinnen in ihrer Hoffnung fommt, sondern auch das Wohl Tausender von Arbeite- vor Beginn des Unterrichtes.. 2000 Keime während des Unterrichtes. . 16500 auf Verkürzung der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit be- rinnen, das Glück Tausender von Arbeiterfamilien, die am Schlusse der Stunde 35000= trogen werden. Diese Tatsache muß auch die letzte Ar- förperliche und geistige Gesundheit der Arbeiterjugend, Letztere Zahl übertrifft den Reimgehalt, welchen Uffelmann beiterin davon überzeugen, daß die schönen Worte der die Zukunft der Gesamtheit auf dem Spiele steht. bürgerlichen Arbeiterfreunde über ihren großen Eifer für Unser Zeitalter ist stolz auf die Errungenschaften der in einem fensterlosen Alfoven und in einer schlecht gelüfteten und dennoch soll durch Ruete untersuchte in einer Reihe von Hamburger Schulen des Vaterlandes Wohlfahrt und Ehre" nichts als eine öffentlichen Gesundheitspflege und dennoch soll durch Arbeiterwohnung konstatiert hatte( 27 000 respektive 31 000). ſchamloſe Komödie find. Denn sonst wäre es nicht mög- eine überlange Arbeitszeit die Lebenskraft unserer Ar- die Luft um Uhr, also nach Schluß des Unterrichts, er lich, daß die Arbeiterinnen in Deutschland sich noch immer beiterinnen vor der Zeit aufgebraucht, sollen die Arbeiter- fand in einem Kubikmeter Luft: um die Erlangung des Zehnstundentags bemühen müssen. mütter so weit aufgerieben werden, daß sie nicht mehr In dieser Sache sind wahrlich schon längst Worte fähig sind, gesunde Kinder zu erzeugen; sollen sie den genug gewechselt. Seit faft 40 Jahren tritt die Sozial- Pflichten als Erzieherinnen ihrer Kinder entzogen werden? Demotratie im Reichstag für die gesetzliche Beschränkung Unser Zeitalter erkennt als die erste Voraussetzung einer Jetzt wird uns mit einem Schlage flar, wie es kommt, daß der täglichen Arbeitszeit auf höchstens zehn beziehungs- weiteren segensreichen Entwickelung der Gesamtheit die aus dem frischen, munteren, rotwangigen Rinde nach der Ein­weise acht Stunden ein. Und so sehr sich auch anfangs Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der schulung ein müdes und blutarmes Geschöpf wird, das die bürgerlichen Parteien dagegen sträubten, mußte doch Arbeiterklasse an und dennoch sollen die Arbeiterinnen schlecht schläft und in beständiger Angst vor der Schule lebt, bei den letzten Debatten im Reichstag über diese Forde durch das Übermaß an Arbeit von allen Segnungen jene Veränderung, welche man kurz und treffend mit schul­rung der Redner der ausschlaggebenden Partei, des unserer Kultur, von allen höheren Bestrebungen der trant" bezeichnet hat. Der vielstündige Aufenthalt Zentrums, der Abgeordnete Trimborn zugeben, daß die Menschheit, von dem Kampfe der Arbeiterschaft um on 60, 70 Kindern in einer derart vergifteten Luft, die Einatmung von Tausenden und Millionen Forderung des gesetzlichen Zehnstundentags für die Ar- beffere Arbeits- und Lebensverhältnisse ausgeschloffen sein, kleinster Lebewesen( Schimmelpilze, Bakterien usw.) muß beiterinnen, überreif" jei. In ähnlichem Sinne sprachen ja der rücksichtslosen Lohndrückerei dienstbar gemacht auf die Atmung und Blutbildung, die Ernährung und Nerven­tätigkeit, die förperliche und geistige Frische der sich abgesehen von den Sozialdemokraten, die selbst- werden? Solchen Anforderungen fügen sich die Arbeiter und Kinder den allerschlimmsten Einfluß haben, die verständlich aufs entschiedenste ihren alten Antrag befür­worteten die Redner der Polen , der liberalen Ver Arbeiterinnen nicht mehr. Immer gewaltiger wächst die Kränklichkeit erhöhen und die Widerstandsfähigkeit gegen an­einigung und der Antisemiten aus. Ebenso haben bei Schar derjenigen Arbeiter und Arbeiterinnen an, die den steckende Krankheiten herabsetzen. Hier eröffnet sich ein weites der vorigen Etatsberatung nicht nur die Sozialdemokraten, Kampf um die Befreiung aus der gegenwärtigen Aus- Arbeitsfeld für den Schularzt, der immer und immer wieder sondern auch das Zentrum die Regierungen durch be- beutungswirtschaft aufgenommen haben und ihn mit auf diese Gefahr hinzuweisen hat. sondere Resolutionen aufgefordert, einen Gesezentwurf immer stärkerer Kraft durchführen. Eine der wichtigsten zum Zwecke der Beschränkung der regelmäßigen Arbeits- und dringendsten Forderungen in diesem Kampfe ist die zeit der Arbeiterinnen über 16 Jahre in Fabriken und Verkürzung der Arbeitszeit. Zunächst gilt es, den Zehn­in den diesen gleichgestellten Anlagen auf höchstens zehn ſtundentag zu erringen. Dann geht es weiter zum Acht­Stunden täglich, an den Vorabenden von Sonn- und ſtundentag, zur Herabsetzung der täglichen Arbeitszeit bis zu der Dauer, die der Rücksicht auf das Wohl der Ar­Festtagen auf höchstens neun Stunden vorzulegen". Seitdem ist die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes beiterinnen, auf das Glück der Arbeiterfamilien, auf die immer flarer zutage getreten. Aus der inzwischen er- Erziehung der Arbeiterkinder entspricht." In diesem Kampfe gibt es für die Arbeiter und Ar­schienenen Denkschrift der Regierungen über die Arbeits­zeit der Fabrikarbeiterinnen ergibt sich, daß am 1. Of beiterinnen fein Halt, kein Zurück, sondern nur ein Vor­tober 1902 nahezu zwei Drittel aller in Betracht kommenden wärts, ein immer weiteres Ausbauen der gewerkschaftlichen treten. Und was die Reinigung betrifft, so geschieht nicht Anlagen ihre Arbeiterinnen über 16 Jahre nicht länger und politischen Organisationen, einen immer größeren Druck einmal das, was jede ordentliche Hausfrau für ihre selbst­als zehn Stunden beschäftigten, und daß trotzdem noch auf das wirtschaftliche und politische Leben, bis der Wider verständliche Pflicht hält, nämlich ihr Wohnzimmer täglich für eine sehr große Anzahl von Arbeiterinnen die tägs stand der Unternehmer überwunden ist. Möge jeder naß aufzunehmen. Bis vor kurzem glaubte man vielmehr liche Arbeitszeit über zehn Stunden ausgedehnt ist. Genosse und jede Genossin mithelfen, daß dieses Ziel selbst in Berlin genug getan zu haben, wenn man dem Schul­Gustav Hoch. diener auftrug, wöchentlich zweimal die Schulzimmer zu Ferner befürworteten die meisten der in der Denkschrift recht bald erreicht wird. reinigen. Und dem entsprach denn auch der Erfolg. Hören wir, wie die Lehrer noch in den neunziger Jahren darüber flagen:

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zusammengestellten Gutachten die Herabsetzung der Ar beitszeit, während sämtliche dagegen geltend gemachten Gründe bereits durch die Erfahrung widerlegt worden find. Daher nimmt die Zahl der Betriebe mit einer täglichen Arbeitszeit von zehn Stunden und weniger von Jahr zu Jahr zu.

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Über Schulgesundheitspflege.

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Bon Dr. Zadek. VI.

Man sollte es für selbstverständlich halten, daß Räume,

die täglich von einer solchen Anzahl von Menschen bevölkert

werden, deren Luft derart verschlechtert wird, in die so viel

Straßenschmutz hineingeschleppt und in denen so viel Staub während der Pausen aufgewirbelt wird, in der unter­richtsfreien Zeit besonders gut ventiliert und ge= reinigt werden. Was die Lufterneuerung angeht, so haben die Kohlensäurebestimmungen ergeben, daß die Luft des Klassenzimmers bereits vor Beginn des Unterrichts meist schon mehr Kohlensäure enthält, als das Pettenkofersche Maximum beträgt, also bereits verdorben, zur Atmung untauglich ist, wenn die Kinder die Schulräume be­

,, Großes Reinemachen, wozu das Puyen der Fenster, daß Abstäuben der Fenstervorhänge, das Abwischen der Öfen und Wände gehört, findet höchstens zweimal im Jahre statt, in der Regel vor der öffentlichen Prüfung. Dann liegt wieder Staub bei Staube, sechs volle Monate lang. An die Fenster malen böse Jungen die Namen unbeliebter Lehrer; beim Herablassen der Vorhänge wirbeln große Staubwolken auf, an den Heizkörpern dörrt im Winter der Staub und ver breitet einen häßlichen brenzlichen Geruch usw."

Aber nicht nur die Infektionskrankheiten bedingen durch Das wichtigste Zeugnis für die Notwendigkeit des die giftigen Ausscheidungen der Bakterien und die Hinter gesetzlichen Zehnstundentags haben uns jedoch die eifrigsten lassung von Reimen in den Organen jene chronischen Krank­Gegner unseres Antrags, der Zentralverband Deutscher heitszustände, die Ernährungsstörungen, das blasse Aussehen, Industrieller, geliefert. Er hat eine Resolution ver den unruhigen Schlaf, kurzum die Kränklichkeit vieler öffentlicht, in welcher er sich mit Entschiedenheit gegen Schulkinder, dazu tritt noch ein anderer Faktor, der minde­jede weitere Verkürzung der gegenwärtig zulässigen Ar- stens in gleichem Maße hierfür verantwortlich zu machen iſt: beitszeit der Arbeiterinnen durch Gesez" ausspricht. Selbst das lange Stillſizen mit angestrengter Aufmerksamkeit im diener tut so viel oder so wenig, wie ihm beliebt. Die diese Herren haben es nämlich nicht mehr gewagt, die geschlossenen Raume, und zwar obendrein in schlechter Luft. Fenster starren vor Schmutz, die Fußböden ebenso, die Turn­

Forderungen der Arbeiterinnen auf Verkürzung der täg­lichen Arbeitszeit ohne weiteres abzuweisen, sondern sie sahen sich zu dem Versprechen genötigt, daß sie die Ar­beitszeit im Laufe der Zeit" herabsetzen werden.

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Und der Rektor einer Gemeindeschule urteilte: Der Schul­

Bis zum Eintritt in die Schule führt das Kind ein un- hallen sind so staubig wie nie, und der Leiter der Anstalt gebundenes, sorglofes Leben, fast beständig in Bewegung, ist machtlos." Für Berlin haben die beständigen Hinweise aus Lehrer­fast beständig im Freien. Das hört mit einem Schlage auf bei der Einschulung, das Kind wird gezwungen, eine volle kreisen sowie seitens der sozialdemokratischen Stadtverord­Stunde lang stillzusitzen und seinen Geiſt anzuspannen und neten endlich das Eingreifen des Provinzialschulkollegiums