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Die Fabrikarbeiterinnen im Jahre 1904. Von Gustav Soch.

Jetzt endlich ist der letzte Band der Reichsausgabe der Gewerbeaufsichtsberichte für das Jahr 1904 erschienen, der die tabellarischen übersichten zu den Berichten enthält. Da­her sind wir auch erst jetzt in der Lage, unseren Leserinnen ein Bild von der Beteiligung der Arbeiterinnen an der Fabritarbeit in Deutschland während des Jahres 1904 zu geben.

Nach den Aufzeichnungen der Gewerbeaufsichtsbeamten ibaren im ganzen Reiche in den Fabriken und denjenigen Anlagen, die ihnen in bezug auf den gesetzlichen Arbeiter­schutz gleichgestellt sind, im Jahre 1904 beschäftigt:( siehe nebenstehende Tabelle).

Die Gleichheit

In den folgenden Industriezweigen

1. Bergbau, Hütten und Salinen, Torfgräbereien 2. Industrie der Steine und Erden. 3. Metallverarbeitung

4. Industrie der Maschinen, Werkzeuge, Instrumente und Apparate

5. Chemische Industrie.

6. Industrie der forstwirtschaftl. Nebenprodukte, Leucht­stoffe, Fette, Öle und Firnisse.

7. Textilindustrie.

8. Papierindustrie 9. Lederindustrie

Arbeiter über 16 Jahren

weibliche

Nr. 7

Kinder unter 16 Jahren

14-16 Jahren

unter 14 Jahren

männliche über­

über 21

16-21

männ

wetb=

männ- wetb­

haupt

Jahren

liche

liche

liche liche

848 426 516 398

15 330

8 389

6.941

29 593

1 186

169

20

61 441

39 385

22 056

28 915

7064

992

318

361 378

52 081

31 323

20 758

35 426

8 395

736

280

662 765

32517

19 562

12 955

39 295

2 723

659

66

99 111

16 712

10 859

5 853

3 234

1886

40

69

56 219

7 053

4 119

357 904

86 880

64 474

377 773 49 116 12 457

247 396

2 934 130 377

989

987

56

27

28 087

44 296

947 1701

28 669

20 447

6018

7532

172 187

7 703

4 754

3 125

1.600

63

16

276 864

22 678

14 825

7 853

16 465

2720

507

105

365 700

133 030

87 229

45 801

17 006

15 667

356

508

83 342

173 830

89 619

84 211

5 989

29 354

346

719

·

115 237

572

496

76

6 379

23

88

-

99.981 8507

31 362

17 776

2156

1579

13 586 577

11 659

3 867

385

625

184

26

4 003 206

.

1903

3 817 800

988 108 899 338

608 929

570 803

379 179 232 805 328 535 221 744

127 484 5 542

4 100

10. Industrie der Holz- und Schnisstoffe 11. Induſtrie der Nahrungs- und Genußmittel 12. Bekleidungs- und Reinigungsgewerbe 13. Baugewerbe

14. Polygraphische Gewerbe 15. Sonstige Induſtriezweige

Zusammen im Jahre 1904 Dagegen

80 4

106 175 5 391 3 528

In der vorstehenden Tabelle haben wir diejenigen Zahlen durch den Druck hervorgehoben, die größer sind als die ent­sprechenden Zahlen für die männlichen Arbeiter. Hier tommt naturgemäß in erster Linie die Textilindustrie in Be­tracht, die mehr als ein Drittel aller Fabrikarbeiterinnen in Deutschland umfaßt und in dieser Beziehung allen anderen Zweigen unserer Industrie weit voraus ist. An zweiter Stelle steht das Bekleidungs- und Reinigungsgewerbe, das zwar nicht so hohe absolute Zahlen hat, aber relativ ein noch größeres Mehr an Arbeiterinnen ergibt als die Textil­industrie. Bei den Arbeitern über 16 Jahren sehen wir in weibliche Kräfte heranzuziehen, um an Herstellungs-| Grunde günstigere Arbeit als in der Landwirtschaft findet, der Textilindustrie eine fast ebenso große Zahl männlicher tosten zu sparen. In Hamburg weist die Metall- so werden immer mehr Frauen in die Fabrik übertreten. wie weiblicher Arbeiter; im Bekleidungs- und Reinigungs- industrie eine zunehmende Verwendung von Arbeiterinnen Dieser übertritt wird um so schneller erfolgen, je schwieriger gewerbe dagegen doppelt so viele Arbeiterinnen als Arbeiter. auf lediglich deshalb, weil die weiblichen Arbeits- für die armen Leute der Erwerb des zum landwirtschaft­Schließlich ist noch die Papierindustrie hervorzuheben, die träfte sich billiger stellen als die männlichen.lichen Betrieb notwendigen Grund und Bodens ist. Soweit mehr Mädchen als Knaben unter 16 Jahren beschäftigt. In der Porzellanindustrie in Sachsen- Coburg und Gotha ist hat der Gewerbeinspektor ganz recht. Aber auch in solchen Auch bezüglich der Arbeiter über 16 Jahren kommt ihr die eine Verdrängung der männlichen Arbeitskraft Gegenden, in denen die kleinen Leute von jeher die Land­dritte Stelle zu. Denn wenn auch die Zahl der von ihr be- durch die weibliche eingetreten, da besonders für die wirtschaft betrieben haben und auch jetzt noch betreiben schäftigten männlichen Arbeiter fast doppelt so groß ist als von den Mädchen gearbeiteten Artikel beffer Absatz erzielt tönnten, ist die Frau durch die industrielle Entwicklung in die Zahl ihrer Arbeiterinnen über 16 Jahren, so ist doch der und größere Bestellungen eingegangen sind. In den die Fabrik getrieben. Hat zu gleicher Zeit auch der Familien­Prozentsatz der letzteren höher als in den anderen Industrien. Leipziger Buchbindereien macht sich nach dem Bericht der vater einigermaßen günstige Arbeitsgelegenheit in der In­Absolut und relativ ist die Zahl der Arbeiterinnen noch er- dortigen Gewerbeinspektion der Ersatz der Arbeiter dustrie, dann geht auch er in die Fabrik, und so ist die heblich in der Industrie der Nahrungs- und Genußmittel durch Arbeiterinnen bemerkbar; die beteiligten Arbeiter ganze Familie von der Landwirtschaft losgelöst. Der Rück­sowie relativ noch in dem polygraphischen Gewerbe. hätten daher in Versammlungen wiederholt Einspruch gegen gang des landwirtschaftlichen Kleinbetriebs ist mithin nicht Wichtig sind diese Verhältnisse auch in einigen Unter- das überhandnehmen der Beschäftigung von Arbeiterinnen immer die Ursache, sondern oft genug die Folge der Fabrik­abteilungen der aufgeführten Industriegruppen. So waren erhoben und die Tariffommission beauftragt, dagegen vor- arbeit. beschäftigt: zugehen.

In den Zündholzfabriken

männl. Arbeiter weibl. Arbeiter über 16 Jahren 1959

%

= Roßhaarspinnereien, Haar­

und Borstenzurichtereien.

In den Gummiwarenfabriken

761 415

41 368

In den Konservenfabriken

"

9

%

3 093 2070

== Anlagen zur Anfertigung von Zigarren

2 687

786 394

75 759 6 835 1 093

= Zichorienfabriken Diese Betriebe sind meistens solche, in denen die Gesund­heit der Arbeiter ganz besonders gefährdet ist. Um so mehr Beachtung verdient die Tatsache, daß gerade in diesen Be­trieben die Frauenarbeit einen so großen Umfang ge­nommen hat.

Im ganzen sind die Arbeiterinnen in den jüngeren Jahres­tlassen stärker vertreten als in den älteren. Bei den Arbeitern über 16 Jahren kommen durchschnittlich 4 bis 5 männliche Arbeiter auf eine Arbeiterin, bei den Kindern von 14 bis 16 Jahren je zwei Knaben auf ein Mädchen und bei den Kindern unter 14 Jahren fast auf jeden Knaben bereits ein Mädchen. Dieser Umstand läßt darauf schließen, daß auch in den nächsten Jahren die Frauenarbeit für unsere Industrie eine immer größere Bedeutung gewinnen wird.

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VI. Schlußbericht.

Auf der anderen Seite ist demselben Bericht zufolge eine Von der Heimarbeitausstellung in Berlin . bedeutende Abnahme in der Zahl derjenigen Arbeiterinnen eingetreten, die in der Industrie der Steine und Erden be­schäftigt sind. Dies ist die Folge der Vorschriften im§ 10 der Bekanntmachung des Bundesrats vom 20. März 1902, nach welchen Arbeiterinnen in Steinbrüchen nicht bei der Steingewinnung, der Rohaufarbeitung von Steinen und dem Transport von Steinen beschäftigt werden dürfen. Ferner ist im Berginspektionsbezirk Dresden die Zahl der auf den Steinkohlenwerken angelegten Arbeiterinnen zurückgegangen, da die Arbeiterinnen die Beschäftigung in den unweit ihrer Wohnorte gelegenen Fabriken derjenigen auf den Schächten vorziehen.

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Die drei konkurrierenden Gewerkschaftsorganisationen in der Schuhindustrie: die freie, christliche und Hirsch­Dunckersche, sind in der Ausstellung auf einer Tafel ver­einigt. Der Zentralverein stellt hauptsächlich Berliner Arbeiten aus, darunter Ballschuhe, so zierlich und fein, wie sie Aschenbrödel nicht schöner vom Baume schüttelte. Diese märchenschönen Produkte haben ihre Heimat in der Küche der Großstadt, wo sie für niedrige Löhne angefertigt werden. In Kevelaer , der Stadt mit dem wundertätigen Marienbild, erhalten christliche Arbeiter Stundenlöhne von 20 Pf. Das Bild scheint also seine Macht nur an Wall­fahrern von außerhalb zu üben, die heimischen Arbeiter läßt es hungern.

Eine besondere Beachtung verdient die Erhebung, welche die Gewerbeaufsicht für Sachsen- Meiningen über die Be­schäftigung verheirateter Arbeiterinnen in den verschiede­nen Gegenden des Herzogtums veranstaltet hat. Die Er- Die Heimarbeitausstellung zeigt wohl die fertigen oder hebung erstreckte sich auf 94 Prozent aller über 16 Jahre halbfertigen Produkte, meldet die Arbeitszeit, Stundenlöhne alten Arbeiterinnen und ergab im ganzen Herzogtum 6429 und manche anderen wichtigen Umstände, nach denen wir uns Arbeiterinnen über 16 Jahre; davon waren 1684 26,2 eine ungefähre Vorstellung von der traurigen Lage der Prozent verheiratet. Der Prozentsaz der verheirateten Ar- Arbeiter, Arbeiterinnen und Kinder machen können. Da­beiterinnen ist in den verschiedenen Gegenden des Herzog- gegen versagt sie in einer äußerst wichtigen Beziehung: ste tums sehr verschieden. Er schwankt zwischen 3,3 und 73 gibt kein Bild von der Arbeitsweise selbst, und auf diese Prozent. tommt es oft wesentlich an. Wenn wir zum Beispiel lesen, Gegen das Vorjahr ist die Zunahme in der Zahl der be- Der Gewerbeaufsichtsbeamte ist auf Grund der Beob- daß bei der Herstellung von Handbesen der Arbeiter so schäftigten Arbeiterinnen im Jahre 1904 sehr erheblich achtungen der Verhältnisse in sämtlichen Kreisen des Herzog- und so viel Mark in der Woche verdient, so wissen wir und viel stärker gewesen als die Zunahme in der Zahl der tums zu der überzeugung gekommen, daß es von großem noch nicht, daß er mit geradezu affenartiger Geschwindig­männlichen Arbeiter. Dies ist jedoch nicht allein auf Einfluß auf den Eintritt der verheirateten Frau in den feit die einzelnen Borstenbüschel einziehen muß, und daß er eine Mehreinstellung von Arbeiterinnen infolge der günstigeren Fabrikbetrieb ist, ob sich ihr in ihrem Orte Gelegenheit dies mit zerschnittenen, blutenden Fingern tut. Ebenso er­Geschäftslage, sondern auch zu einem guten Teil darauf bietet, sich durch Erwerb eines Stückchen Landes und Halten zählen uns auch die fertigen Schuhwaren nicht, welches zurückzuführen, daß die Gewerbeaufsicht auf solche Betriebe von Vieh landwirtschaftlich zu beschäftigen, oder ob dies er- Quantum Arbeit in ihnen steckt, und unter welchen Bedin­ausgedehnt worden ist, die bisher nicht kontrolliert wurden. schwert oder ausgeschlossen ist. Eine Ausnahme hiervon gungen sie entstanden sind. Sie sagen uns nichts vom So gemäß der Verordnung vom 17. Februar 1904 auf die machen nur die Zigarrenfabriken des Kreises Meiningen , in Furniturenwucher, von der Nachtarbeit, von dem unheim­Maßwerkstätten der Kleider- und Wäschekonfektion für Frauen dem die Verhältnisse für die landwirtschaftliche Beschäftigung lichen Heßen und Jagen der Affordarbeit, von angestrengter und Kinder sowie auf die Putzmachereien. der Frau am günstigsten im ganzen Herzogtum liegen. Denn Tagesarbeit in der Fabrik und ermüdender Arbeit nach Hierzu kommt nach den Beobachtungen des Gewerbe- es gibt hier das meiste bebaute Land, und durch Zer- Feierabend daheim, und sie schweigen von den Opfern ohne inspektors I in Breslau ein recht bedeutungsvoller anderer schlagen der Domänengüter ist dem kleinen Manne der Zahl, die im besten Alter durch die Schwindsucht aus den Grund für die Vermehrung in der Zahl der Arbeiterinnen, Grunderwerb und die Viehhaltung erleichtert worden. Daß Reihen der Lebenden gestrichen werden. Wer sich hierüber nämlich das Bestreben mancher Gewerbeunternehmer, mehr das Verhältnis der verheirateten Arbeiterinnen zu den un- unterrichten will, der lese die standesamtlichen Nachrichten und mehr männliche Arbeiter durch Arbeiterinnen verheirateten in den Zigarrenfabriken so groß ist- 42,5 von Burg bei Magdeburg, Weißenfels , Pirmasens zu ersetzen. In einer Reihe von Industriezweigen, zum Prozent erklärt sich dadurch, daß hier vielfach der Mann und anderen Orten, in denen die Schuhindustrie den größeren Beispiel der Zigarrenfabrikation, hat sich dieser Prozeß be- zu Hause die Viehhaltung führt und kocht, die Frau also, Teil der Einwohnerschaft beschäftigt. Hier tritt der Tod als reits vollzogen, denn der männliche Roller ist aus den Ar- die zum Zigarrenmachen mehr Geschick hat als der Mann, heimtückischer Würger auf, der in die Reihen der Arbeiter und beitssälen verschwunden. In den Websälen und vielen in die Fabrit gehen kann. Außerdem sind die Arbeiterinnen besonders der Arbeiterinnen klaffende Lücken reißt, die aber anderen Betrieben macht es die fortschreitende Vervoll- alle aus den betreffenden Orten selbst und sie haben zum großen schnell wieder mit neuen, dem Tod geweihten Opfern aus­kommnung der Webstühle und der sonstigen maschinellen Teil noch Eltern, die in der Hauswirtschaft helfen. Endlich gefüllt werden. Einrichtungen in immer höherem Maße möglich, den Weber wird was sehr wesentlich ist in den Zigarrenfabriken Mützen aller Art, von der billigsten Knabenmüze bis durch die Weberin zu ersetzen, die erheblich geringere nicht auf pünktlichen Anfang und Schluß der Arbeit gesehen. zu den besseren Beamten- und Studentenmützen, stellt der Lohnansprüche stellt. Mehrere Jahre hindurch wurde diese Letztere wird nach Stück bezahlt, Maschinenkraft wird nicht Kürschnerverband als Berliner Heimarbeiterzeugnisse Bewegung aufgehalten durch die Durchführung der Schuh - verwendet, der Betriebsleiter läßt sich ein Zuspätkommen der aus. Der Höchstverdienst dabei ist 50 Pf., häufiger jedoch geseze für Arbeiterinnen, namentlich das Bestreben der Ge- Arbeiterinnen, und sollte es um einige Stunden sein, gefallen; 20 bis 27 Pf. und für Frauenarbeit gar nur 10 Pf. in der werbeaufsichtsbeamten, Arbeiterinnen aus solchen Beschäfti- er stellt, den Verhältnissen Rechnung tragend, mehr Arbeite Stunde. Beim Nähen von Strohhüten werden in Dresden gungsarten zu entfernen, die für sie ungeeignet waren. Jetzt rinnen ein, und Mangel an Arbeitskräften besteht nicht. Stundenlöhne von 12 Pf. erzielt. Ungeteilter Aufmerksam­hat sie wieder eingesetzt. Hoffentlich sezen aber auch um so nach- Diese vom Gewerbeinspektor mit Recht ausführlich be- keit erfreut sich das Wrack einer Angströhre, die der Hut­drücklicher die Bemühungen der Arbeiterinnen auf Erlangung handelte Ausnahme" hätte aber dem Beamten die Ver- macherverband ausstellt. Solche Zeugen entschwundener besserer Lohn- und Arbeitsbedingungen ein.- Ebenso hebt mutung nahelegen sollen, daß das Verhältnis der Frau zur Pracht kommen als Lumpen nach Deutschland , müssen hier der Bericht für Oberbayern hervor: Es zeige sich das Bestreben, Landwirtschaft auf der einen Seite und zur Fabrik auf der von den Arbeitern à Stück mit einer Mark bezahlt werden wo immer tunlich die billigere weibliche Arbeitskraft anderen Seite doch nicht so einfach ist, wie er glaubt. Aller- und werden dann vollständig aufgearbeitet und bezogen von heranzuziehen. Der Berichterstatter für den Regierungs- dings ist für die Frau die ihr am nächsten liegende Be- neuem in den Handel gebracht, um die pomadisierten Hohl­bezirk Potsdam vermutet, daß die gedrückten Preise der schäftigung die in Haus und Hof. Wenn aber die industrielle töpfe unserer Besitzenden zu schmücken. meisten Industrieerzeugnisse manchen Fabrikanten veranlaßt Entwicklung in jener Gegend so weit gediehen ist, daß die Der Sattlerverband hat Markttaschen und Schul­haben, bei der Vergrößerung seines Betriebs vorwiegend Frau in der Fabrik besser bezahlte oder aus einem anderen ranzen als Erzeugnisse der Görliker Hausindustrie aus­

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