54 Die Gleichheit Nr. 8 Wir sehen heute im ganzen Rheingebiet : Freiburg , Mannheim , Mainz , Frankfurt , Offenbach , Köln , Düsfeldorf, Essen usw. ein machtvolles Aufsteigen der modernen Ge- nofsenschaftsbewegung, allen Anfeindungen der Krämer wie der schwarzen Konkurrenzbewegung zum Trotz. Der größte deutsche Konsumverein, der Mitglieder- zahl nach wohl überhaupt der größte, ist der Breslauer, der kürzlich sein 40. Geschäftsjahr vollendet hat. Von 54 Mitgliedern mit einem Geschäftskapital von 7S Talern S Groschen ist er auf über 8S 000 Mitglieder mit einem Umsatz von über 16 Millionen in 65 Verkaufsstellen, einem Anteil- kapital von über 2'/« Millionen Mark und über 2 Millionen Reinüberschuß gestiegen. Der Verein, der rund 700 Per- sonen beschäftigt, hat im letzten Jahre 17,5 Millionen Kilo Brot in 23 Doppelöfen hergestellt; die höchste Leistung war 87000 Kilogramm am 22. April 1905. Leider steht die innere Entwicklung des Vereins nicht auf gleicher Höhe. Er hält sich der modernen Genossenschaftsbewegung des Zentral- Verbandes ängstlich fern, hat vor drei Jahren die Guthaben über 100 Mk. im Gesamtbetrag von rund 1,5 Millionen den Mitgliedern zurückgezahlt, statt sie zur Ausdehnung des Be- triebs zu verwenden, vor einer Reihe von Jahren eine An- zahl organisierter Bäckereiarbeiter gemaßregelt und ähnliches mehr. Auch ist der Umsatz, der nur halb so hoch ist wie der des größten englischen Vereins in Leeds , im Verhältnis zur Mitgliederzahl nur gering und dürfte von dem des Leipzig -Plagwitzer Vereins bald auch absolut überholt wer- den. Dort beträgt der Umsatz auf das Mitglied etwa 370 Mk., fast doppelt so viel als in Breslau . Beachtenswerte Ausführungen über den Wert genossen- schastlicher Notfonds veröffentlicht Genosse von Elm im Jahrbuch des Wiener KonsumvereinsVorwärts". Da- nach ist bei der HamburgerProduktion" der aus den Rückvergütungen für die einzelnen Mitglieder nach Auf- bringung des Geschäftsanteils von 30 Mk. anzusammelnde Notfonds, der auf je 100 Mk. gebracht wird, bevor eine Auszahlung der Rückvergütung erfolgt, und(außer je zehn Prozent zu Weihnachten) nur bei Notfällen in der Familie, Arbeitslosigkeit und dergleichen, angegriffen werden darf, seit drei Jahren von rund 50000 auf über 170000 Mk. gestiegen. Dazu kommen Spareinlagen, auch von Nicht- Mitgliedern und ganzen Organisationen, in Höhe von mehr als einer Million, ferner auf Anteile eingezahlt über 320000, Reserven in Höhe von 65000 Mk. Welchen Schutz gegen äußerstes Elend, welche Rückendeckung in Lohnkämpfen dieser Notfonds, der ohne jedes Opfer aufgebracht wird, bietet, liegt auf der Hand. Leider hat diese vorzügliche Einrichtung anderivärts keine dauernde Nachahmung gesunden. Nament- lich in den kraftvollen sächsischen Vereinen, bei denen die Dividendenseuche" vielfach zum groben Unfug ausgeartet ist, wären solche Einrichtungen ohne wirkliche Opfer leicht zu schaffen. Vorher ist dort freilich noch ein gut Stück ge- nossenschaftlicher Erziehungsarbeit zu leisten. Auch in Osterreich geht es kräftig vorwärts. Der Erste niederösterreichische Konsumverein in Wien (neben dem noch einige Arbeiterkonsumvereine und ein großer, aber höchst rückständiger bürgerlicher bestehen) hat im letzten Jahre rund 5,4 Millionen Mark umgesetzt. Die Bäckerei hat ihren Um- sah verdoppelt, im Waisenkomitee 150 Kinder verstorbener Mitglieder vollständig gekleidet und beschenkt. Auch die österreichische Großeinkaufsgesellschaft entwickelt sich kräftig. Einzelne Vereine haben Einlagen bis zu 25000 Kronen gemacht. Eine Studienreise nordböhmischer Verwaltungs- Mitglieder, analog der berühmten deutschenEnglandrcise" von 1399, wird nach Hamburg gehen. So haben auch wir imReiche" heute schon Vorbildliches zu bieten. ____ Simon Katzenstein . Notizenteil. Lohnbewegung der Lansitzer Textilarbeiter. Schon zur Zeit der Handweberei erfreute sich die Textil- industrie der Niederlausitz eines guten Rufes, und ihre Tuche waren sehr begehrt. Seit die mechanische Weberei den Hand- stuhl verdrängt hat, haben sich die Verhältnisse zwar etwas geändert, jedoch auch heute noch behaupten die Lausitzer Fabrikate ihren Platz aus dem Weltmarkt. Die Orte Kottbus , Forst, Sorau , Sommerfeld, Guben , Schwiebus , Spremberg , Finsterwalde , Vetschau und Peitz bilden ein großes zusammen- hängendes Industriegebiet. In Kottbus werden im allgemeinen die besseren Tuche gewebt, und dort sind auch die Arbeits- löhne etwas höher als in allen anderen Orten. Während die Fabrikanten des ganzen Industriegebiets recht fette Profite einsäckeln, ist die Lage der Arbeiter und Arbeite- rinnen eine sehr traurige. Bei einer Arbeitszeit von 10 bis 11 Stunden werden Durchschnittslöhne von 5 bis 15 Mk. pro Woche gezahlt. Abgesehen von den niedrigen Lohnsätzen sind noch andere Umstände vorhanden, welche den Verdienst kürzen. In Spremberg , Sorau , Sommerfeld, Guben und Finsterwalde zum Beispiel gibt es fast in keinem Betriebe Stuhluhren, welche mechanisch jeden Schuß notieren. In der Folge können die Weber und Weberinnen nicht genau nachrechnen, wie hoch ihr Verdienst ist, und werden oft noch bei der Berech- nung nach Maß hart übervorteilt. Es kommt vor, daß ihnen an einem Stück Tuch von 40 Metern und 80000 Schuß beim Auszahlen 8000 bis 14000 Schuß weniger angerechnet werden, als sie gearbeitet haben. Das zu verarbeitende Material wird vielfach schlechter, der Fabrikant beansprucht aber höhere Leistungen. Das Anknüpfen und Vorrichten wird fast nirgends bezahlt, so daß die Arbeiter oft 2 bis 3 Tage umsonst schuften müssen. Der Verdienst der Stundenarbeiter ist geradezu himmelschreiend. In der Walkerei, Färberei, Wolferei, Krempelei und Spinnerei werden 12 bis 22 Pf. pro Stunde gezahlt, und das für eine schwere Arbeit, bei welcher der sich entwickelnde Staub und andere Einflüsse noch die Gesund- heit stark schädigen. Aus den angezogenen Löhnen ergibt sich schon, daß der Mitverdienst der Frau eine Notwendigkeit für die Existenz der Familie ist. Die Frauenarbeit hat in der Niederlausitzer Textilindustrie eine kolossale Ausdehnung gewonnen. Tausende und Tausende von Frauen und Mädchen strömen beim Feierabend aus den Fabriken. Die Zentren der Niederlausitzer Textilindustrie sind dank der kapitalistischen Ausbeutung zu wahren Konzentrationslagern des Hungers und des Elends in jeder Gestalt geworden. Das bezeugen die Jammergestalten der Textilarbeiter und Textilarbeite- rinnen, unter denen die Schwindsucht zahlreiche Opfer findet, die ihr durch übermäßige Arbeit, ungenügende Ernährung und andere Entbehrungen überliefert werden. Uns sind Fälle bekannt, wo die Mutter aus der Lungenheilanstalt zurückgeholt werden mußte, weil der Vater so schnell als möglich in ihr untergebracht werden sollte, und die Kinder nicht ohne Pflege bleiben konnten. Der Gedanke der gewerkschaftlichen Organisation hat nur langsam und schwer unter den Ausgebeuteten Fuß gefaßt. Das lag unter anderem mit daran, daß in den Fabriken eine bunt zusammengewürfelte Bevölkerung frondet, Städter und Dörfler, die jeden Abend zurückwandern aufs Land, Wenden, Spreewälder usw. Aber trotz aller Hindernisse hat sich endlich die Erkenntnis Bahn gebrochen, daß die Ausgebeuteten sich zu- sammenschließen und für eine Verbesserung ihrer Lage kämpfen müssen. Bereits im November 1904 setzte eine Bewegung ein zur Erreichung des Zehnstundentags, die jedoch erfolglos blieb. Die infolge der Lebensmittelverteuerung gestiegene Not brachte jedoch im November 1905 die Bewegung abermals in Fluß. In allen Orten der Niederlausitz fanden Massen­versammlungen statt, in welchen durch Resolution der Zehn- stundentag, eine 20prozentige Lohnerhöhung und Schußuhren in all den Betrieben gefordert wurden, wo solche noch nicht vorhanden sind. Die Fabrikanten sollten bis zum 15. Januar 1906 Stellung zu diesen Forderungen nehmen. Mit Feuer- eifer ward dafür gewirkt, die noch indifferenten Arbeiter und Arbeiterinnen wachzurütteln und dem Textilarbeiter- verband zuzuführen. Der 15. Januar brachte den Arbeitern eine bezeichnende Antwort von feiten der Fabrikanten. Nicht etwa, daß diese sich in ihrer Protzigkeit herabgelassen hätten, auf die Eingabe der Arbeiter zu erwidern. Sie gründeten dafür an dem genannten Datum in Kottbus einen Arbeit- geberbund für die ganze Lausitz. Statt dem bescheidenen Verlangen der Arbeiter entgegenzukommen, forderten sie diese brutal heraus. Die Erbitterung der Ausgebeuteten stieg dadurch auf das höchste. In Versammlungen, wie sie die Niederlausitz noch nie gesehen, erneuerten die Arbeiter und Arbeiterinnen ihre Forderungen, die sie zunächst auf dem Wege gütlicher Verhandlungen zu verwirklichen suchen. In Betriebsversammlungen wurden Ausschüsse zum Zwecke von Verhandlungen mit den Kapitalisten gewählt. Die Unternehmer ihrerseits haben unterdes zum Krieg gerüstet. Die Arbeitsnachweisstelle Spremberg sucht schon seit einem Vierteljahr in den Grenzzeitungen von Oberschlesien , Sachsen und Böhmen Weber und Weberinnen, Fadenanleger und sonstige Arbeitskräfte zur Tuchfabrikation. Lohndrücker und Streikbrecher von auswärts sollen dazu helfen, daß die Kette der Ausbeutung fester geschlossen wird, an welcher die Niederlausitzer Textilarbeiterschaft zu rütteln wagt. Echt christlich, echt patriotisch und vor allem echt kapitalisttsch! So handeln die nämlichen Herren, die den Mund nicht weit genug aufreißen können, um sich über die Vaterlands- losigkeit der aufgeklärten Arbeiter zu entrüsten. Sie würden Arbeitskräfte nicht bloß aus Böhmen , sondern vom Monde her holen, um die Niederlausitzer Proletarier mehr zu drücken und auszubeuten, wenn das nur möglich wäre. Hoffentlich erkennt unser Textilproletariat immer mehr den Ernst der Situation. Gebieterisch treibt die jämmerliche Lage vorwärts in den Kampf für eine bessere Lebenshaltung, für ein Stückchen mehr Brot, für verkürzte Fron, für etwas Familien- glück. Aber der Feind, den es zu überwinden gilt, ist mächtig, reich an Geld und sozialem Einfluß, und er stützt sich obendrein noch auf eine starke Organisatton. Möchte das den Arbeitern und Arbeiterinnen zur Lehre gereichen. In Massen sollten sie ihrer Gewerkschaft, dem Textilarbeiter- verband, zuströmen, denn nur mittels seiner Macht können sie erwarten, den mächtigen Fabrikherren bessere Arbeits- bedingungen abzutrotzen. Wo ein Wille ist, da ist ein Weg, sagt das Sprichwort. Auf, Arbeiter und Arbeiterinnen der Niederlausitzer Texttlindustrie, beweist, daß ihr einen Willen habt, beweist, daß ihr zielbewußt den rechten Weg zu gehen vermögt. Hinein in den Deutschen Textilarbeiterverband, er wird euch zum Siege führen. f. ch. Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation. Das erste Hunderttausend Mitglieder hat der Verband der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und-arbeiterinnen über- schritten. Es ist das doppelt erfreulich. Erstens weil es die- jenige Organisation ist, in welcher sich die am meisten Unterdrückten und Ausgebeuteten, unter denen auch die Agitation am schwersten ist, zum Kampfe gegen das Kapital scharen. Zwettens weil die Organisation nicht nur den Kampf zu führen hatte gegen die Kapitalsmacht, sondern auch gegen die Polizeiallgewalt. Der Fabrikarbeiterverband ist die bestgehaßte Organisation bei Unternehmern und Be­hörden. Kein Wunder! Ist sie es doch, welche die bisher Widerstandsunfähigsten, die Geduldigsten und Rechtlosesten zum Klassenbewußtsein erweckte und die einzelnen armen wehrlosen Lohnsklaven zu einer mächttgen Schar muttger Klassenkämpfer zusammenschweißte. Klein war im Jahre 1890 die Schar der Männer und Frauen, die den Grundstein zur Organisatton legten. Im Nebenamt versorgten Vorsitzender und Kassierer ihre Arbeiten für den Verband. Die Publikattonen erfolgten in der ersten Zeit in dem Organ einer anderen Organisation, derjenigen der Hausdiener. Aber unermüdlich, allen Hemmnissen zum Trotze, ward agitiert und organisiert, und es ging vorwärts. Von Berbandstag zu Verbandstag war eine steigende Zu- nähme, oft eine Verdoppelung der Mitglieder zu verzeichnen. Mochten auch oft Zahlstellen wieder eingehen, entweder in- folge der Ungunst der Verhältnisse oder infolge polizeilicher Auflösung, immer aufs neue ward der Samen der Auf- klärung ausgestteut. Wenn auch manches Korn auf steinigten Boden fiel und verdorrte, so gingen andere dafür auf und trugen reiche Früchte. Immer größer ward die Zahl der Frauen und Männer, die es der Organisation zu danken haben, wenn ihre Last ein wenig erleichtert, ihre Sklaven- rast verlängert, ihr Leben heller und sonniger ward. Mit Freuden begrüßen wir es, daß es erreicht ist, was die Kol- leginnen und Kollegen so heiß ersehnt, wofür die meisten wacker gekämpft haben: das erste Hunderttausend an Mit- gliedern. Die Erkenntnis, daß das Schicksal des einzelnen auf das engste verknüpft ist mit dem Schicksal, dem Blühen und Gedeihen seiner Organisatton, wird die Kollegenschast anspornen, mit frischem Mute, mit gestärkter Kampfesfreudig- kett die Werbearbeit fonzusetzen unter der Parole: Das zweite Hunderttausend muß bald folgen! l,. Z. Katholische Schmuykonkurrenz gegen dir gewerk- schaftliche Organisierung der Arbeiterinnen. Je eifriger die freien Gewerkschaften dafür wirken, in Bayern die Ar- beiterinnen zu organisieren, um so mehr lassen es sich die Klerikalen angelegen sein, katholische Arbeiterinnenvereine zu gründen. Wie in vielen anderen Orten wurde auch in Markt-Redwitz ein katholischer Arbeiterinnenverein ins Leben gerufen, dessen Aufgabe offenbar sein sollte, die Ar- beiterinnen dem Porzellanarbeiterverband abwendig zu machen. Trotz großer Mühe des Ortsgeistlichen war es nämlich nicht gelungen, die Arbeiterinnen dieser freien Gewerkschaft zu entfremden. Es wurde zum Arger der Schwarzen außerdem noch ein besonderer Frauen- und Mädchenbildungsverein ge- gründet, der die Proletarierinnen aufklären sollte. Ein wesent- liches Mittel, die Arbeiterinnen in den proletarischen Organi­sationen zusammenzuhalten, bilden bekannttich die Feste, die nicht nur das berechtigte Bedürfnis nach höherer, gemeinsam genoffener Freude beftiedigen sollen, die vielmehr dem Zwecke dienen, das Solidaritätsgefühl zu wecken und zu befesttgen, den Geist anzuregen und das Gemüt zu bereichern. Diese Feste sind denn auch bei den Proletarierinnen von Markt- Redwitz sehr beliebt. Der katholische Arbeiterinnenverein gab in der Folge die Parole aus, seine Mitglieder dürften an allen Festlichkeiten der proletarischen Organisationen teilnehmen, jedoch diesen selbst nicht angehören. Die Ant- wort darauf seitens unserer Organisatton war die Losung: Wer nicht mit uns arbeitet, braucht auch nicht mit uns fröhlich zu sein und zu feiern. Arbeiterinnen, die dem kacho- tischen Verein angehören, mögen die trübseligen, eintönigen Feste desselben mitmachen. Die sonnigen Feste der fteien Arbefterschaft sind nicht für sie da." Man hofft, daß dadurch den Arbeiterinnen die Augen dafür geöffnet werden, welcher Organisatton sie anzugehören haben, so daß sie selbst sich dagegen wenden, daß von katholischer Seite die Frage des religiösen Bekennwiffes als Vorwand ausgenutzt wird, die Proletarierinnen ihrer Organisation fernzuhalten. Der Unter- nehmer beutet die Arbeiterinnen ohne Rücksicht auf ihren Glauben aus. Eine Gewerkschaftsorganisation, welche die Interessen der Arbeiterinnen vertritt, wird nicht fragen. was ihre Mitglieder glauben oder nicht glauben. Das religiöse Bekenntnis ist Sache jedes einzelnen Mitgliedes. Die fteien Gewerkschaften handeln dieser Auffassung ent- sprechend. Sie sind deshalb die berufenen Vertreterinnen der Arbeiterinneninteressen und nicht die katholischen Bereine. Das werden auch in Martt-Redwitz die Arbeiterinnen bald einsehen und sich treuer als je ihrer Gewerkschaftsorganisation anschließen._ H. G. Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen. Das Recht der sächsischen Arbeiter und Arbeiterinnen der Stoffhandschnhbranche aufBegehrlichkeit" wird durch ihre Arbeitsbedingungen für jeden erwiesen, dem der kapitalistische Profit nicht Zweck und Sinn der menschlichen Arbeit ist. In der Umgegend von Chemnitz schwankt der Wochenverdienst der genannten Arbeiterkategorie zwischen 12 und 14 Mk. Es muß betont werden, daß der erstgenannte Satz viel öfter vorkommt als der letztgenannte, der nur von sehr geschickten Arbeitern und Arbeiterinnen erreicht wird, vorausgesetzt auch noch, daß sie gutes Material haben usw. usw. Die Arbeitszeit dauert in den Fabriken 10 bis 14 Stunden, da llberzeitarbeit geradezu zur Regel geworden ist. Nacht- arbeit ist in vielen Fällen üblich. Für die Heimarbeiter und Heimarbeiterinnen ist die Länge des Arbeitstags über- Haupt nicht festzustellen. Sie ist ungeregelt und unbegrenzt und wird oft noch um Stunden durch lange Wege ver- längert, welche beim Abholen und bei der Lieferung zurück- gelegt werden müssen. Die Ausbeutung der Lohnsklaven ist mit der Entwicklung der Technik gestiegen; bediente ein Ar- beiter früher ein bis zwei Kettestühle, so muß er jezft mit zwei bis acht ferttg werden. Als besonderer Mißstand wird empfunden, daß die Fabrik- wie die Heimarbeiter und -arbeiterinnen für allerlei Zutaten und Bedarfsartikel aus ihrem eigenen mageren Geldbeutel auftommen müssen, so für Nadeln, Ol, Licht usw. Es kommt häufig genug vor, daß am Sonnabend vom kargen Wochenlohn 2 bis 4 Mk. für allerhand Produktionsbedarf abgezogen wird, der von Rechts wegen vom Fabrikanten gettagen werden müßte. Für Licht allem müssen die Arbeiter und Arbeiterinnen im Jahre mit einem Lohnverlust von 20 bis 30, ja sogar 40 Mk. rechnen.