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Dienstbotenschlaf.

Bon Moris Hartmann.

D, weckt sie nicht, ihr kommt vom Trinkgelage, Sie haben sich gemüht für euch bei Tage; Ihr leertet aus den Becher süßer Lust, Sie stellten hin den bittern Kelch der Plage.

Legt Sanftmut auf die ungerechte Wage, Daß euch nicht einst ihr blasses stummes Aug' Und ihrer Wangen Blässe furchtbar frage: Wer gab in eure Hand das Recht der Plage? Für euch nur raffen sie die Kraft so eilig Im kurzen Schlaf zusammen stört sie nicht! Auf ihren Stirnen steht es hundertzeilig: Dienstbotenschlaf ist heilig, dreimal heilig!

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So heilig wie das Schwert des müden Kriegers, So heilig wie das Zelt ruhmvollen Siegers Und wie der Stab, daran zusammenbricht Vom letzten Kampf die Kraft des Unterliegers.

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Legt Sanftmut auf die ungerechte Wage! ihr kommt vom Trinkgelage, D, weckt sie nicht- Geht leisen Schritts, reißt an der Glocke nicht Wer gab in eure Hand das Recht der Plage?

Der Besuch.

Von A. R.*

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Die Gleichheit

zu

Nr. 15

Deine Nüffe!" grinfte das Eichhörnchen und machte

genieren.

zu besuchen. Endlich war Schluß der Arbeitszeit; die| große Möbelfabrik mit dem hohen Schornstein pfiff zu fich, was es nur konnte, über die Nüffe her, ohne sich erst, der Ton war laut und hart; dann folgten die an­deren Fabriken, und die schrillen Töne hingen um die riefigen Schornsteine und riefen von den Wänden und famen bis tief in die Kohlenkeller und riefen müden Menschen zu: Freiheit! Ruhe, Frei- heit!"

,, Laß sein, Dieb da!"

Mit welchem Recht, wenn ich fragen darf, gehört dieser Busch dir?"

,, Kraft des jus primi venientis, fraft des Rechts des

Der junge Maschinist eilte durch die Straßen nach Zuerstkommenden, wenn du so willst." des Mädchens Wohnung. Er mußte mehrmals nach" Sehr gut, mein Herr, und ich eigne mir ihn an der Straße fragen und wurde jedesmal rot dabei. fraft des jus primi occupantis, fraft des Rechts des zuerst Einmal fragte er eine Zeitungsfrau und dann einen in Besitz Nehmenden. Gewalt geht vor Recht. Ich bin fleinen Jungen, der lief ein Stück mit ihm und zeigte der Stärkere, also habe ich den Vortritt vor dir, siehst du?" ihm das Haus. Dann mußte er fünf Treppen in die" Was habt ihr da zu tun?" plapperte der Eichel­Höhe steigen. Es waren dunkle und schmale Treppen. häher, durch den Lärm herbeigelockt. Laß meine Nüsse An der Tür der Dachstube links stand des Mädchens sein, sonst sollst du mal sehen." Name. Er las ihn, wie man die Schrift auf einem bedeutenden Denkmal liest. Das waren dieselben Buch­staben wie in dem Brief. Sie waren auf ein Blatt aus einem Notizbuch geschrieben, das hatte sie mit einer Stecknadel festgemacht, und es hing ein wenig schief.

"

" Entschuldigen Sie, mein Herr," antwortete das Eichhörnchen sofort, aber ich habe eben diesen Busch entdeckt."

"

,, Daß du meinen Busch entdeckt hast, glaube ich schon, aber mit welchem Recht hast du dich seiner bemächtigt?" " Ich habe ihn genommen kraft des..." " Du hast ihn ganz einfach genommen. Und nun komme ich und nehme ihn wieder."

Im selben Augenblick, wie der Eichelhäher auf das Eichhörnchen losstürzen will, fällt ein dichter Steinregen auf die Streitenden nieder, die sich schleunigst aus dem Staube machen.

" Ich glaube, man amüsiert sich da hinter den Büschen," brummte der Pächter, der jetzt den Schauplatz betrat. Gestattet, ihr Herren Diebe, daß ich euch bei den Ohren nehme, auf daß eure Ansichten über das private Eigen­tumsrecht nicht auf Jrrwege geraten."

"

Schöne Gerten, die," unterbrach ihn der Korporal, der mit der Patrouille daherkam, und zog seinen Säbel, gerade wie wir sie zu den Faschinen gebrauchen." " Halt," wandte der Pächter ein.

Nun trat er ein. Die beiden Menschen sahen sich in die heißen, jungen Augen und vergaßen, Guten Tag" zu sagen. Das Mädchen war gefallen, und der Fuß tat ihm weh, und es lag auf dem niedrigen Bett. Es stand auf und wurde verlegen, und Freude glänzte in seinen Augen. Das Mädchen hinkte nach dem Tisch. Dort standen zwei Stühle; einer war ein Gartenstuhl und war von Eisen. Die jungen Menschen setzten sich ,, Solche Racker," schrien die Jungen, die zu Nüsse­Zwei junge Menschen trafen sich jeden Morgen auf und legten die harten Hände auf den Tisch und sprachen sammeln hergekommen waren, jetzt friegen sie nichts dem Wege zur Arbeit. Sie wußten, wie sie hießen und nichts. Die Nachbarin rasselte mit der Nähmaschine, für ihre Mühe." wo sie wohnten, das hatten sie sich gesagt; und sie wußten, dann hustete sie sehr, und die Maschine stand ein Weilchen Und die Jungen fingen an, die Nüsse in ihre Mützen daß sie sich gern hatten, und das hatten sie sich nicht still. Das Mädchen erzählte, daß die Näherin oft bis zu pflücken. gesagt. Wozu sollten sie sich das sagen? Sie gingen Mitternacht arbeite, und daß sie wenig verdiene und Langsam eine Strecke weit zusammen und sahen sich neulich eine Mark zu Kaffee bei ihr geborgt habe. Nun zuweilen an. Wenn ihre jungen Augen sich fanden, redeten sie wie zwei alte, fluge Leute von ernsten Dingen dann blickten sie schnell auf den Weg oder in einen und von der Arbeit und merkten nicht, daß die Zeit Laden und sprachen etwas Gleichgültiges: etwa, daß rasch verrann und ein letzter Abendsonnenstrahl durch dieses oder jenes billig sei, oder daß die Straße lang die kleinen, sauberen Gardinen schimmerte. sei. Darüber redeten sie dann eifrig. Bei dem Zigarren- Du sollst noch meinen Garten sehen." Sie ging laden an der Ecke mußten sie sich trennen und sahen zu- zum Fenster und hatte dabei große Schmerzen. Er hätte sammen noch ein Weilchen nach den Bildern, die der sie gern mit seinen starken Armen um den Leib gefaßt Händler zwischen die hellbraunen Risten gestellt hatte, und getragen; aber darf man ein so feines, gutes Mäd­oder nach dem Mohren, der eine dicke Zigarre in den chen anfassen? Er stand verlegen in der Stube und fah schwarzen Händen hielt; sie schauten sich in dem blanken eine Träne des Schmerzes in ihren Augen, doch sie lächelte. Glas und gingen rasch auseinander. So war es jeden Tag. Die Träne lief über die Wange, und sie wischte sie mit der Heute mußte der junge Mann den Weg allein gehen. Hand weg und lächelte. Beide sahen den Garten. Das Er trug einen Mädchenbrief in der Tasche. Sie schrieb, waren Nelten auf dem Fensterbrett, weiße und rote, und daß sie frank sei und in der Stube bleiben müsse. Solch Geranien und noch eine andere Blume; die kannte er nicht ein Brief! Es war ein kurzer Brief mit Kinderbuch- und fragte nach dem Namen. Sie erzählte von ihren Lieb­staben, und die Tinte war blaß. Er konnte sich gut lingen und lobte sie. Und er sah glücklich in diese kleine, vorstellen, wie das Mädchen mit seinen flaren Augen stille Welt und versprach dem Mädchen einen Rosenstock der spizzen, schwarzen Feder gefolgt war, und wie es zum Geburtstag. Sie sah nach seinen Augen und nickte zulegt mit seiner roten Zunge am Umschlag geleckt hatte. und sagte: Da soll er stehen", und rückte die beiden Gewiß hatte die Nachbarin, die Näherin, den Brief zur Nelkenstöcke auseinander, als ob der Rosenstock schon da Post getragen. So dachte er und kam an den Eckladen sei. Dann sahen beide noch ein wenig über die Dächer; und fah in das Fenster, als ob er etwas suche und griff die Straße fonnte man nicht sehen. Es war eine enge mit den Händen in die Tasche und griff den Brief. Da Straße. Die Sonne sant. Nur die Schornsteine standen ging er rasch in die Fabrik, ins Maschinenhaus. Was noch im Licht.

"

war das für ein merkwürdiger Weg heute. Die Vögel" Jeßt mußt du fortgehen; jetzt wird es Nacht, gelt." sangen nicht, und die Blumen hinter den starken Gittern Sie pflückte eine rote, halboffene Nelke und steckte sie hatten einen matten Schein, und alle Menschen machten ihm ins Knopfloch und nahm seine Hand in ihre Hände: traurige Gesichter. Der Maschinist hing seine Überkleider Das ist lieb, daß du gekommen bist; aber nun darfst neben die Betriebsordnung an einen eisernen Haken, den du nicht wieder kommen; ich will's nicht, und bald bin hatte er einmal auf der Straße gefunden. Die Maschine ich wieder gesund; dann gehen wir wieder zusammen zur lag besonders ernst und schwer da, wie ein mächtiges Arbeit." Raubtier. Der junge Mann lehnte nicht wie sonst an Sie sahen sich noch ein wenig offen und lieb an und dem schmalen Fenster und sah, wie Arbeiter in schwarze, füßten sich mit den Augen und schieden. ernste Tore gingen, und wie auf dem Güterbahnhof die Die Straßen waren voll Lärm. Aus einer Kneipe Wagen zu Zügen vereinigt wurden. Er stand nach- tönte ein Orchestrion. Und die vielen Wagen. Und die nach- tönte denklich vor dem Feuerloch, als ob er die Aufschrift der Menschen. Wie still war es in dem Mädchenzimmer, Feuertür auswendig lernen wollte. Die wußte er längst. und wie schön waren die Blumen auf dem Fensterbrett! Da schlug die Uhr; die Arbeitsstunde begann, und Wie blank alles, und wie lieb das Mädchen. So ein er griff an ein kleines, blankes Rad. Die Maschine sing liebes Mädchen; daß es solch ein Mädchen geben konnte! an zu leben, und das Schwungrad drehte sich schneller Der Maschinist ging in die stillen Anlagen und trug den und schneller und summte und sang das heilige Lied Hut in der Hand. Der Kopf war ihm heiß, und er der Arbeit. Der rote, starke Riemen lief durch eine strich leise und liebevoll über die rote Nelke. Öffnung in der Wand in die Fabrikräume, zog mit starker Kraft das Gold aus der Welt und führte es in das stille Haus des Fabrikbesizers, vor dem rote, leichte Bänke unter Rosen stehen und der Springbrunnen den lauschenden Blumen Märchen erzählt. Aber von dem Schwungrad erzählt der Brunnen nichts. Das gehört zu einer anderen Welt.

Eigentumsrecht.

Von August Strindberg .

Ein schöner Haselstrauch stand im Hag. Die Nüsse waren reif, als ein Eichhörnchen daherkam, eines strahlen­

Heute wollte die Arbeitszeit kein Ende nehmen. Der den Augusttages.

Maschinist ging wohl zehnmal mit der Olfanne zu den Dies ist mein Haselbusch," sagte es zu sich selbst Lagern; die Schmierbüchsen waren jedesmal noch fast und sprang auf einen Zweig hinauf, um seine Zähne voll; freilich, sonst brauchte man nur zweimal zu ölen. an den leckeren Früchten zu prüfen.

Oder er legte die braune Hand auf eine blanke Schutz-" Fort von hier, du Dieb!" war eine schwache Stimme stange und sah, wie der Rolben spielend auf und nieder aus dem Innern des Busches zu hören. ging. Er lauschte auf das regelmäßige Pochen der" Wer da?" rief das Eichhörnchen und guckte bald Maschine und dachte: Nun ist sie frant, nun ist sie hierhin, bald dorthin. Schließlich hatte es an dem Fuße frant; was fehlt ihr denn? Und er nahm sich vor, sie des Strauches eine Haselmaus entdeckt.

* Nachdruck nur mit Erlaubnis des Verfassers.

Willst du deinen Weg trotten und meine Nüffe Frieden lassen," nahm die Haselmaus wieder das wort

" Sind Sie etwa der Eigentümer?" fragte der Kor­poral. Nein, das sind Sie nicht! Halten Sie also den Mund!"

Aber ich bin der Bächter."

"

Nun also! Sie haben selbst nicht das Recht, diesen Haselbusch abzuschneiden, aber ich habe es."

Sollten die Gesetze über Eigentumsrecht vielleicht aufgehoben sein?" fragte der Pächter.

" Für dieses Mal, mein guter Mann; unter den Waffen schweigen die Geseze, und wenn Sie mich zum Eigen­tümer begleiten wollen, will ich ihm die Requisitions­order zeigen. Hier ist sie."

Sie gehen; doch kaum sind sie fort, als ein Eisenbahn­nivelleur an der Spize eines Trupps Arbeiter auftritt. Er stellt seine Wasserwage auf, macht Berechnungen, nimmt Visier, macht Aufzeichnungen und verteilt die Arbeiter.

" Haut den Busch dort fort, um damit anzufangen," sagt er. Gesagt, getan.

"

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Mit welchem Recht unterstehen Sie sich, Waldfrevel zu verüben?" fragte der Eigentümer, der auf den Platz gekommen ist.

Kraft des Expropriationsgesetzes." ,, Gut, mein Herr. Bitte."

frieden.

Und der Eigentümer geht, mit dieser Erklärung zu­ Gesetzlicher Eingriff ins private Eigentumsrecht," sagt der Korporal. Mit dem Recht des Zulehtkommenden," bricht der Pächter aus. " Jetzt wollen wir uns beeilen, die Nüsse zu expro­priieren," murmeln die Jungen.

"

Ich mache Requisition," plappert der Eichelhäher. Kommt mir jegt und sagt, daß es ein Eigentums­recht gibt," piept die Haselmaus.

Spruch.

Bon Friedrich Bodenstedt .

Ich stand einst hoch in Gnade bei dem Schach, Der oftmals bitter sich bei mir beklagte, Daß ihm tein Mensch so recht die Wahrheit sagte. Ich dachte ob dem Sinn der Worte nach,

und fand, daß er mit gutem Grunde flagte. Doch als ich ihm so recht die Wahrheit sagte, Verbannte mich von seinem Hof der Schach.

Wohl giebt es Fürsten ,

Die nach Wahrheit dürsten,

Doch wenigen ward ein so gesunder Magen Sie zu vertragen.

Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshögs Poft Degerloch bet Stuttgart . Druck und Berlag von Paul Singer in Stuttgart .