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Die Gleichheit

16. Jahrgang

eeee Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen eLERLERLER

Mit den Beilagen: Für unsere Kinder und Frauen- Beilage

Die Gleichheit" erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Poft vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

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Juhalts- Verzeichnis.

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Stuttgart den 31. Oktober 1906

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Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit" sind zu richten an Frau Klara Zetkin ( Zundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.

der Entlohnung der weiblichen Arbeitskraft erhält mit sozialen Frage. Eine Reform im Rahmen der kapita­Die Lohnfrage und die Frauen. Bon D. Frauenstimmrecht und der stärkeren Verwendung derselben erhöhte volkswirt liftischen Gesellschaft ist wohl möglich, die endgültige Wahlrechtstampf in Österreich . Von Klara Zetkin . Von der schaftliche Bedeutung. Einmal ist der niedrige Lohn der Lösung bringt jedoch erst die sozialistische Gesellschaft. sozialistischen Frauenbewegung in Italien . Von Gisela Michels Frauen ein starkes Hemmnis für die Lohnforderungen Man fann ruhig sagen: mehr noch als der Mann ist Lindner. Wenn die Frauen erwachen. Bon m. g. Eine der männlichen Arbeiter. Des weiteren aber dienen die die Frau an dem Siege des Sozialismus über den aus­freie Schule vor fünfzig Jahren. Von Anna Blos . Die An- niedrigen Frauenlöhne mit dazu, trotz der Lohnerhöhungen, beutenden Kapitalismus interessiert! Damit ist auch der fänge der proletarischen Frauenbewegung in Deutschland . Von die ein Teil des industriellen Proletariats erkämpft, die Weg gewiesen, den die Proletarierin gehen muß. Mit Klara Zetkin. ( Forts.) Aus der Bewegung: Von der Agitation. Vom Koalitionsrecht Rapitalsrente nicht sinken zu lassen. Durch vermehrtes aller Energie, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln ber Arbeiter und Arbeiterinnen in Braunschweig . Politische Einstellen schlecht gelohnter weiblicher Arbeitskraft findet muß die erwerbstätige Frau ihre Interessen innerhalb Rundschau. Bon G. L.- Genossenschaftliche Rundschau. Von das Kapital einen Ausgleich für die höheren Löhne, die der kapitalistischen Gesellschaftsordnung vertreten, muß es den Facharbeitern zahlen muß. Je kampffräftiger die sie ihr wirtschaftliche Vorteile und Reformen jeder Art Gewerkschaften werden, desto größer wird daher der An- zu entreißen suchen, aber ihre Hauptaufgabe bleibt die reiz für das Unternehmertum, sich nach billigerer Frauen- Förderung der sozialistischen Bestrebungen, die darauf arbeit umzusehen. Es liegt daher im eigensten Interesse hinzielen, durch Eroberung der politischen Macht an die der männlichen Arbeiter, für die Forderung nach Er- Stelle der kapitalistischen die sozialistische Gesellschafts­höhung der Frauenlöhne auf das Niveau der Männer- ordnung zu setzen. Löhne energisch einzutreten.

Simon Katzenstein .

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Notizenteil: Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen. Dienstboten frage. Frauenstimmrecht. Frauenbewegung. Feuilleton: Der Flüchtling. Von Else Belli. Ein gutes Gewiffen. Von Alexander L. Kielland.

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Frauenstimmrecht und Wahlrechtskampf

in Desterreich.

D.

Genoffin Popp hat sich in der letzten Nummer gegen die Auffassung gewendet, die ich in meinem Referat über das Frauenstimmrecht in bezug auf den Wahlrechtskampf des österreichischen Proletariats vertreten habe. Meine Aus­führungen lauteten:

Die Lohnfrage und die Frauen. Selbstverständlich dürfen die Frauen nicht untätig Die Frage der Frauenarbeit nimmt einen immer bleiben und geduldig darauf warten, daß ihre Arbeits­breiteren Raum in der öffentlichen Diskussion ein. In fraft höher entlohnt wird. Sie selbst müssen mit aller der bürgerlichen Presse überwiegen dabei die morali Energie dafür kämpfen, daß sie nicht nur theoretisch und fierenden Sentiments. Sie knüpfen besonders an die schließlich auch als Staatsbürgerinnen die Anerkennung hygienischen Folgen der Frauenarbeit an und an ihre weits der Gleichberechtigung erlangen, sie müssen sie auch als wirkenden sozialen Begleiterscheinungen, die zu augen- Verkäuferinnen von Arbeitskraft beanspruchen. Es wird scheinlich zutage treten, als daß man sie übersehen könnte. noch schwere Kämpfe toften, bis das Ziel erreicht ist, Auch abgesehen von dem vorliegenden wissenschaftlichen und der endliche Erfolg wird keineswegs die Lösung der ,, Eine ähnliche Situation wie in Schweden und Belgien hat auch in Österreich vorgelegen. Dort ist es dem Prole­Beweismaterial ist es mit Händen zu greifen, daß lange sozialen Frage bedeuten. Arbeitszeiten, daß eine Reihe Beschäftigungsarten unheil- Die Entwicklung zeigt uns eine stetig wachsende soziale tariat nach jahrzehntelangem, zähem Kampfe gelungen, die voll auf den weiblichen Organismus einwirken und da- Differenzierung innerhalb der Arbeiterschaft. Wir haben Regierung endlich zu zwingen, an eine einigermaßen gründ­liche Reform des Wahlrechtes zu gehen, das allgemeine, durch die Lebenskräfte des Nachwuchses herabmindern, heute einen Teil Arbeiter Facharbeiter, der doppelt gleiche und direkte Wahlrecht zu den Reichsratswahlen ein­welcher dem Schoße der kapitalistisch ausgebeuteten Frauen so hohen Lohn erzielt als die Gruppe der Nichtfacharbeiter. zuführen und mit dem Kuriensystem aufzuräumen, dank dessen entstammt. Ebenso besteht kein Zweifel darüber, daß der Daß zwischen dem Facharbeiter, der 6 bis 8 Mt. pro Tag die politische Macht des Proletariats im Parlament völlig Zwang zur ausbeutenden Erwerbstätigkeit, welcher die verdient, und dem Hilfsarbeiter, der es nur auf 3 bis erdrückt wird. Die Wahlrechtsreform, wie die Regierung poletarische Mutter aus dem Hause, von der Seite der 4 Mt. bringt, ein großer sozialer Abstand besteht, liegt sie formuliert hat, ist hochbedeutend, entspricht aber durch­Kinder reißt, für deren körperliche und geistige Entwick auf der Hand, und die Entwicklung drängt dahin, diesen aus nicht den Forderungen der Sozialdemokratie. In dieser lung die verderblichsten Folgen zeitigt. Abstand noch zu erweitern und zu vertiefen. Solche soziale Situation haben die österreichischen Genossen entschieden, Gliederung wird auch bei den erwerbstätigen Frauen daß es zunächst gelte, das Wahlrecht den Männern unbe­dingt und so rasch als möglich zu sichern. Und da ihnen schärfer in Erscheinung treten, je mehr die Gleichbewertung diese Sicherung gefährdet erschien durch die Verquickung des ihrer Arbeitskraft mit der männlichen erkämpft wird. Männerstimmrechtes mit der Forderung des Frauenstimm­Wirtschaftlich steht die erwerbstätige Frau heute noch rechtes, so haben sie beschlossen, diese letzte Forderung zu­ziemlich allgemein unter der Schicht der am schlechtesten rückzustellen. Die österreichische Sozialdemokratie hat sich entlohnten männlichen Arbeiter. Ein Teil der Arbeite- darauf beschränkt, ihre volle Macht für den Wahlrechts­rinnen wird zu der Höhe der Facharbeiter heraufsteigen, entwurf der Regierung einzusetzen, sich dabei bemühend, das Gros aber wird sich nicht über die sozial tiefstehen­den Proletarierinnen erheben.

Die Frage der Frauenentlohnung wird gewöhnlich vom Standpunkt des Rechtes oder Unrechtes aus erörtert. Der niedrige Lohn der Frauenarbeit wird als Unrecht hingestellt, das die Frau als Angehörige des sozial minderberechtigten weiblichen Geschlechtes erfährt, und nicht als naturgemäße Wesensäußerung des Kapi­talismus, unter welchem die erwerbstätige Frau als Mit­glied der ausgebeuteten Klasse leidet. Aber nur, wenn man die Lohnfrage unter dem letzteren Gesichtswinkel betrachtet, kann man sich gründlich mit ihr auseinander­setzen. Das aber zu tun und die erwerbstätige Frau immer mehr und immer tiefer mit der Erkenntnis von der Ursache ihres schmalen Verdienstes und damit hundert fachen Leides zu erfüllen, das ist dringend nötig.

Nachdruck verfochten werden sollen. Wir anerkennen die Disziplin der österreichischen Genossinnen und ihr Solidari­tätsgefühl der Partei gegenüber, indem sie sich der Ent­scheidung der Partei gefügt haben, es fragt sich aber doch, ob diese Entscheidung notwendig gewesen wäre. Und ich persönlich verneine die Notwendigkeit dieser Entscheidung Niemand von uns ist so töricht, zu verlangen, daß die Forderung des Frauenwahlrechtes zu einem ausschlaggebenden Punkt des augenblicklichen Aktionsprogramms der öster­reichischen Genossen hätte gemacht werden müssen. Das wäre ein Verbrechen gewesen. Aber ein anderes ist es, wenn eine Forderung von Anfang an ganz ausgeschieden

durch den parlamentarischen Kampf so viel Verbesserung als möglich herbeizuführen. Man versteht durchaus, von welchen Das Wesentliche ist aber der Abstand in der Lohn- Erwägungen die Auffassung diftiert worden ist, daß das all­haltung, nicht die absolute Lohnhöhe, denn diese ist keine gemeine Männerwahlrecht durch die Forderung gefährdet werden könnte. Es galt eine Wahlrechtsreform endlich zu feste Größe. Die relative Lohnhöhe wird bestimmt von stande zu bringen, die in Österreich nicht nur die Borbe der Kauffraft des Geldes, und da diese ständig sinkt, bingung dazu ist, daß das Proletariat seine volle Macht zu bedeutet die absolute Lohnerhöhung nicht auch die gleiche entfalten vermag, sondern auch die notwendige Voraussetzung Je mehr der Wirbel der wirtschaftlichen und sozialen prozentuale Hebung der sozialen Lage. Die Kauftraft für den Bestand des Staates selbst geworden ist. Aber ich Entwicklung die Frau zwingt, in einer Erwerbstätigkeit des Geldes wird durch verschiedene Faktoren beeinflußt: bin der überzeugung, daß trotz alledem die Forderung des ihren Unterhalt zu suchen, um so brennender wird die Grundrente, Zoll- und Steuerpolitik, Preise der indu- Frauenstimmrechtes von Anfang an hätte aufrecht erhalten Frage nach der Entlohnung der weiblichen Arbeit. Mit striellen Erzeugnisse und der Lebensmittel! Diese Fat- und vor allem in der Agitation und im Parlament mit allem dem billigen Einwand von der Bedürfnislosigkeit der toren können durch den Arbeitsvertrag nicht paralysiert Frau kommt men nicht mehr aus. Das starke Eindringen werden, die Kapitalsrente wird nicht abhängig von der der Frau in Berufe, deren Ansprüchen zu genügen ihr nominellen Lohnhöhe. Daher auch die Erscheinung, daß, bisher das Vermögen abgesprochen wurde, widerlegt das obwohl die Löhne sich nach oben bewegen, die Rente des Märchen von der minderen Qualität der weiblichen Be- industriellen Kapitals wächst. Die Lohnarbeiter, wenigstens fähigung und Leistung. Durch die technische Revolution ein Teil derselben, können innerhalb der kapitalistischen von Anfang an. tritt übrigens in vielen Industrien die physische Arbeits- Gesellschaft durch zähen energischen Kampf wohl Erfolge fraft in ihrer Bedeutung für die Produktion hinter der erzielen, jedoch nicht die Herrschaft des Kapitalismus feinnervigen, hinter Fingerfertigkeit und größere Beweg- brechen. Die zu erlangenden Lohnsteigerungen laufen lichkeit des Dieners der Arbeitsmaschine zurück, und in in ihrem sozialen Werte nicht einmal parallel mit der dieser Hinsicht ist ohne Zweifel die Frau dem Manne Steigerung der Produktivität der Arbeit. vielfach überlegen. Aber der soziale Wert einer Arbeit Die kapitalistische Ausbeutung der menschlichen Arbeits- wird im Kampfe um das Wahlrecht.( Sehr richtig!) Wir ist in der kapitalistischen Gesellschaft nicht der Maßstab kraft wird erst mit der Umwälzung der kapitalistischen bedauern deshalb, daß weder in der Agitation noch im für die Entlohnung, sonst würde zum Beispiel die für in eine sozialistische Produktionsweise verschwinden. Da Parlament die Forderung des Frauenstimmrechtes von die öffentliche Gesundheitspflege außerordentlich wertvolle die wirtschaftlichen Erfolge der kämpfenden Arbeit für unseren österreichischen Genossen mit dem Nachdruck erhoben Arbeit eines Straßenkehrers nicht mit ein paar Pfennigen das Kapital durch andere Faktoren wieder ausgeglichen worden ist, die ihrer Bedeutung zukommt. Die befürchtete bezahlt werden. werden, bedingen gehäufte Quantitäten von Lohnsteige- lange Verschleppung der Einführung des allgemeinen Wahl­Recht und Unrecht, Humanität und Allgemeininteresse rungen doch noch keine Umwertung in Qualität. Eine rechtes wäre dadurch meiner Auffassung nach nicht einge­haben für das Kapital keinen Kurswert. Es ist ein ganz Summe von Lohnerhöhungen bedingt durchaus keine treten. Zunächst war allen Absichten nach Verschleppung der Wahlrechtsreform von vornherein eine Grenze gezogen müßiges Unterfangen, das Unternehmertum durch morali- Verminderung der Kapitalsrente, und deshalb ist mit durch die Furcht vor der Macht des Proletariats; denn die sierende Argumente veranlassen zu wollen, die weibliche der Durchsetzung von Lohnsteigerungen allein die kapita- Haltung der reaktionären Parteien in den Wahlrechtskämpfen Arbeitskraft der männlichen gleich zu entlohnen; eine liftische Gesellschaft nicht zu überwinden. wird im letzten Grade nicht durch die weise Mäßigkeit" der Reform nach dieser Richtung ist gebunden an das Fort- Wie die Lohnfrage überhaupt, so ist auch die der proletarischen Forderung, vielmehr durch den Hinblick auj schreiten des proletarischen Klassenkampfes. Die Frage Entlohnung der weiblichen Arbeitskraft ein Teil der die tatsächliche Macht des Proletariats bestimmt. Auch die