Nr. 25

Die Gleichheit

7777 Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen eer

Mit den Beilagen: Für unsere Kinder und Frauen- Beilage

Die Gleichheit" erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Poft vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

Inhalts- Verzeichnis.

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An die Genoffinnen Preußens! Die gewerkschaftlich organisierten Arbeiterinnen im Jahre 1905. Von Luise Zietz. - Zur Frage des Dienstvertrags. Das Haus Riehl. Von Adelheid Popp . -Über die Ursachen der ungleichen Entlohnung von Männer­und Frauenarbeit. Von Gustav Hoch. - Der Prozeß Augspurg . -Die Anfänge der proletarischen Frauenbewegung in Deutsch­ land . Von Klara Zetkin. ( Schluß.) Aus der Bewegung: August Dreesbach tot! Von der Agitation. Weibliche Delegierte zum zweiten preußischen Parteitag. Tätigkeitsbericht der Vertrauensperson des Stettiner Wahlkreises. Die Polizei im Kampfe gegen die proletarischen Frauen. Gewerkschaftliche Rundschau.

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Stuttgart den 12. Dezember 1906

16. Jahrgang

Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit" find zu richten an Grau Klara Zetkin ( 3undel), Wilhelmshöhe, Poft Degerloch bei Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.

Im Jahre 1905 war diese Zahl emporgeſchnellt auf immer größer werdende Zahl der Opfer, die auf dem 1334808, also eine Zunahme von 292 695= 27,8 Prozent. Schlachtfeld der Arbeit alljährlich Gesundheit und Leben Erfreulicherweise partizipieren daran die weiblichen Ar- einbüßen, prägt so manchem und so mancher die Erkenntnis beiter mit 74411 Mitgliedern in 35 Verbänden. Das ein, daß der vielgerühmte Arbeiterschutz nur zu oft toter ist, im Vergleich zu dem weiblichen Mitgliederstand vom Buchstabe bleibt, wenn nicht die Organisation als Gen­Jahre 1904( 48 604), eine Zunahme von 25807= 53,1 Pro- darm" dahinter steht und seine Innehaltung überwacht. Wir haben hier nur einiges aus der Tatsachenfülle her­zent. Das Korrespondenzblatt" der Gewerkschaften( Nr. 31 des 16. Jahrgangs), dem wir diese Zahlen entnommen haben, ausgegriffen, um zu zeigen, wie viele Umstände zusammen­bemerkt dazu, daß die Tendenz zur Zunahme bei der weib- wirken, um die Vorbedingungen für eine erfolgreiche Dr­lichen Mitgliedschaft auch im Laufe des Jahres angehalten ganisationsarbeit zu schaffen. habe, so daß im vierten Quartal 1905 ihre Zahl auf 89431 angewachsen sei. Auch scheine es, als wenn eine gewisse Stabilität in dem weiblichen Mitgliederstand eingetreten sei. Beides sind überaus erfreuliche Erscheinungen, die sicher frage. Sozialistische Frauenbewegung im Ausland. Frauen- beide gleich hoch zu bewerten sind. Mancher wird sogar die ftimmrecht. Frauenbewegung. - Verschiedenes.- Empfehlens- zunehmende Stabilität mit größerer Freude begrüßen als werte Weihnachtsbücher. die absolute Zunahme der Mitglieder. Kehrte doch gerade Feuilleton: Erster Geburtstag. Von A. R. Ganz allein. Von in bezug auf die weiblichen Mitglieder immer und immer die Klage wieder: Gewonnen sind sie schon, aber sie in der Organisation zu halten, ist so schwer." Für den gewerk. schaftlichen Kampf bedarf man aber zuverlässiger Truppen und nicht unsicherer Kantonisten".

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Notizenteil: Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

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A. Möller.

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Dienstboten­

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Dies Zusammenwirken planmäßig zu fördern, das vors handene Agitationsmaterial flug und geschickt weiter bei intensiver Agitation auszunuzen, wird für die Zukunft unsere Aufgabe sein. Und da möchten wir einen Wunsch äußern, der vielleicht von den in Frage kommenden Organi­fationen als Anregung nicht unbeachtet gelassen wird. Es möge mehr als bisher Gewicht darauf gelegt werden, daß die weiblichen Arbeiter zur Mitarbeit in der Dr. ganisation herangezogen werden, und daß das Material über die Lage der weiblichen Arbeiter nicht nur zur mündlichen, sondern auch zur schriftlichen Andie Parteigenossinnen Preußens! Agitation im Verbandsorgan Verwendung finde. Die größere Stabilität des weiblichen Mitglieder Dadurch wird den weiblichen Mitgliedern das Verbands Wie bereits durch die Parteipresse mitgeteilt worden bestandes bewirkt also, ebensosehr wie die Erhöhung der organ lieber und wertvoller werden. Der Zusammengehörigs ist, beruft die Parteigenossenschaft von Groß- Berlin ent- Mitgliederzahl, eine vermehrte Aktionsfähigkeit teitsgedanke wird gestärkt und die Erkenntnis der wirtschafts sprechend dem ihr gewordenen Auftrag einen zweiten und Stoßkraft der Gewerkschaften. Das aber ist die lichen Zusammenhänge wird gefördert. Dabei wird nicht preußischen Parteitag nach Berlin für den 27., 28. notwendige und wichtige Borbedingung für den sieg- nur an der Verbreiterung der Bewegung, sondern auch und 29. Dezember ein. Der Parteitag beginnt am reichen Ausgang wirtschaftlicher Kämpfe und damit an ihrer Bertiefung gearbeitet und damit dem Ziel zu 27. morgens 9 Uhr in den Räumen des Gewerkschafts- für die Erringung wirtschaftlicher Vorteile. Höher jedoch gesteuert, daß innerhalb der gewerkschaftlichen Dr­als diese praktische Bedeutung der größeren Stabilität ganisation die weiblichen Arbeiter ein ebenso heuses, Engelufer 15. des weiblichen Mitgliederbestandes schäßen wir die steigende wichtiger Faktor werden, wie es im Produktions­theoretische Erkenntnis, die Stärkung des Klassen prozeß die weibliche Arbeitstraft bereits ist. bewußtseins, des Solidaritätsgefühls, wofür sie gleichfalls Zeugnis ablegt.

Als provisorische Tagesordnung ist festgesetzt: 1. Die Organisation für Preußen. Referent: Reichstagsabgeordneter Genoffe Haase- Königsberg . 2. Die bisherige Tätigkeit des preußischen Landtags und das Wahlrecht in Preußen. Referent: Genosse Edmund Adler- Kiel.

3. Die Lage der Staatsarbeiter in Preußen. Referent: Reichstagsabgeordneter Genosse Karl Legien .

4. Die Landtagswahlen 1908. Referent: Genoffe

Dr. Leo Arons .

Luise Zieh.

Zur Frage des Dienstvertrags.

Denn das gibt uns die Gewähr, daß die weiblichen Ar­beiter auch über die Erreichung von Gegenwarts­forderungen, über die Vertretung von Augenblick inter­Der Vorschlag der Berliner Genossinnen, den Dienenden essen hinaus sich am Klassenkampf beteiligen werden; ia mehr noch: daß sie sich bemühen werden, neue Kampfes zu empfehlen, auf Grund eines Vertrags ein Dienstverhält­genoffinnen werben zu helfen. Das aber tut so unendlich nis einzugehen, hat wider Erwarten zu einer Auseinander­not. Ist es doch ein ungemein großes Feld, welches hier fegung geführt. Sie läßt es geboten erscheinen, Antwort der Beackerung harrt. Die 74411 weiblichen Gewerkschafts- auf einige Fragen zu suchen, die sich an erster Stelle auf­mitglieder sind erst 7,9 Prozent der organisationsfähigen drängen, wenn man zu einer richtigen Wertung des Ver­Parteigenossinnen! Die sozialistischen Frauen weiblichen Arbeiterschaft, das heißt wenn wir die Zahlen trags gelangen will. Was ist das Hauptziel des Vertrags? Preußens dürfen nicht fehlen, wenn es gilt, zu Gericht der Gewerbezählung von 1895 zugrunde legen. Heute jedoch Welche Forderungen erhebt er zugunsten der Dienenden? zu sitzen über das Unrecht und die Kulturwidrigkeit des ist die Zahl der Berufsarbeiterinnen bei weitem höher und Ist es möglich, den Vertrag in seinen wesentlichen Punkten preußischen Klassenstaates, die sie als Ausgebeutete und noch im ständigen Wachsen begriffen. Das beweisen uns zur Durchführung zu bringen? als politisch Rechtlose besonders start empfinden; wenn alljährlich die Fabritinspektionsberichte, das lehrt uns der es gilt, diesem Staat die Forderungen des kämpfenden Augenschein, die praktische Erfahrung. Proletariats entgegenzustellen. Sie müssen an der Be­ratung der nötig gewordenen Landesorganisation teil­nehmen, an deren Gestaltung sie ein hervorragendes

Interesse haben.

Alle Anfragen bezüglich des preußischen Parteitags sowie die Anmeldung der Delegierten sind zu richten an Leopold Liepmann, Berlin SW 68, Lindenstraße 69. Die erfolgten Wahlen von Genossinnen sind ferner auch der Unterzeichneten zu melden.

Der Kern des Vertrags ist klipp und klar in dem Satz enthalten: Die Vorschriften der Gesindeordnung gelten für Da erfahrungsgemäß indifferente, unorganisierte Arbeite- dies Vertragsverhältnis nicht." In der Tat, das ist es, rinnen als Lohnbrücker und Streitbrecher ihren Arbeits- was der Vertrag vor allem anstrebt und was ihm seine brüdern und schwestern gegenüber ausgespielt werden, so grundsätzliche Bedeutung verleiht: er will mittels einer ergibt sich schon hieraus die Notwendigkeit einer unaus- freien Vereinbarung zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer das schreiende Unrecht der Gesindeordnungen aufheben be­

gesetzten, unermüdlichen Agitation unter ihnen.

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Genossinnen, nehmt daher alsbald Stellung zur Die starte Zunahme der Organisierten im letzten Jahre ziehungsweise durchbrechen. In den Gesindeordnungen wird Wahl von weiblichen Delegierten zum preußischen ist sicherlich in erster Linie- wenn auch nicht allein auf fast ausnahmslos die schier schrankenlose Macht der Herr­Parteitag. Wo es angängig ist, sucht euch mit den das Konto der intensiveren Agitation zu setzen, einer Agi- fchaften über die Dienstboten als Recht, als Gesetz geheiligt. Genossen über die Wahl zu verständigen. Wo aber ein tation, die an der Arbeitsstätte von den bereits Organisierten, In der einseitigsten Weise erkennen sie den Dienstgebern ge­gemeinsames Vorgehen ausgeschlossen ist, haben die Ge- die in der Öffentlichkeit von den in Frage kommenden Inradezu unbegrenzte Rechte zu, den Dienstnehmern legen sie noffinnen das statutenmäßig zugesicherte Recht zu nutzen, stanzen betrieben wurde. An dieser Agitation haben ferner dagegen geradezu unbegrenzte Pflichten auf. Sie anerkennen in öffentlichen Frauenversammlungen Delegierte alle unsere Genoffinnen, die in den letzten Jahren an den nicht einmal im Prinzip und formal die Gleichberechtigung einzelnen Orten sich in den Dienst der Arbeiterbewegung wie dies die Gewerbeordnung betreffs der gewerblichen der beiden Teile, die ein Gegenseitigkeitsverhältnis eingehen, zu wählen. ermüdlich und mit zäher Ausdauer die so notwendige Klein­gestellt haben, ihr reblich Teil beigetragen. Sie haben un- wie dies die Gewerbeordnung betreffs der gewerblichen Arbeiter und Arbeiterinnen tut. Das Gegenseitigkeits­arbeit verrichten helfen. verhältnis, das sie gesetzlich binden, beruht rechtlich Der Samen der Aufklärung aber fand überall einen ge- der beiden vertragschließender. Teile. auf der bittersten Berhöhnung der Gleichberechtigung Ihrem ganzen lockerten und aufnahmefähigen Boden. Unſere wirtschaft Wesen nach charakterisieren sich die Gesindeordnungen als lichen und politischen Zustände haben diese Vorarbeit ge- Ausnahmerecht zugunsten der Dienstgeber, zum Nachteil der Der Lebensmittelwucher stachelt die Arbeiterschaft geradezu Dienstnehmer. Dieses Ausnahmerecht ist die schroffste Ver­auf zu Lohnkämpfen: durch Lohnerhöhung muß wenigstens neinung des Rechtes des einzelnen, des sogenannten Menschen­zum Teil wieder wett gemacht werden, was durch den Zoll- rechtes", dessen formale juristische Anerkennung in der Gesetz­wucher entrissen ward. Damit ist dann die Notwendigkeit gebung eine der Folgen der kapitalistischen Produktion und des Busammenschlusses ohne weiteres gegeben. eine der großen geschichtlichen Leistungen der ehemals re­Die Aussperrungstaktit der Unternehmer hat unsere Auf- volutionären Bourgeoisie ist. Die Gesindeordnungen find flärungs- und Organisationsarbeit vorzüglich unterstützt und daher zutreffend als Ruinen der mittelalterlichen Ordnung gefördert, nicht zum mindesten bei den Frauen und Mäd­chen. Sie hat Tausenden dadurch die Augen geöffnet, daß sie Christen"," Patrioten", Indifferente und Umstürzler" gleich rücksichtslos aufs Pflaster wirft und damit just die unor ganisierten am schwersten trifft, die sich in der Organisation teinen Rückhalt geschaffen haben gegen die Geißelhiebe der herrschaftswütigen, profitlüsternen Kapitalmagnaten. Die

Genossinnen, frisch ans Werk! Berlin , den 1. Dezember 1906.

Mit Barteigruß Ottilie Baader ,

Vertrauensperson der sozialdemokratischen Frauen Deutschlands

Berlin SW, Lindenstr. 3, lezter Hof, parterre. Die gewerkschaftlich organisierten Arbeite­

rinnen im Jahre 1905.

Eine der erfreulichsten Erscheinungen innerhalb der mo­dernen Arbeiterbewegung ist die rapide, geradezu sprunghafte Zunahme der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter während der letzten Jahre und vor allem auch im Jahre 1905.

Im Jahre 1904 betrug ihre Zahl 1052108 bei einer Bus nahme gegen das Vorjahr um 164410= 18,5 Prozent.

leistet.

* Wie die einzelnen Gewerkschaften an dieser Zunahme be­teiligt sind, werden die in nächster Nummer dieses Blattes erscheinenden Tabellen zeigen.

bezeichnet worden. Was ihnen ein mittelalterliches Gepräge aufbrückt, was den Geist der mittelalterlichen Ordnung in ihnen lebendig erhält, das ist jedoch nicht die maßlose Aus­beutung der Dienenden, die sie rechtlich festlegender maß­losen Ausbeutung fallen ja trotz ihrer besseren rechtlichen Stellung auch die gewerblichen Arbeiter und Arbeiterinnen anheim, wenn ihnen die Macht mangelt ihr Recht gegen die Macht ihrer Herren durchzusehen. Es ist die fast völlige Verneinung des Rechtes der Person, ihres Selbstbestimmungs­rechtes, ihre so gut wie völlige Unterordnung unter den Willen eines Dritten. Die Gesindeordnungen fassen die