146
Die Gleichheit
Nr. 17
Gewerkschaftliche Rundschau.
"
Nach den Aufstellungen des Reichsarbeit 3 blattes" über die deutschen Gewerkschaften überragen die freien Gewerkschaften in ihrer Entwicklung und ihren Leistungen bei weitem die chriftlichen und Hirsch Dunckerschen Organisationen.
Die Entwicklung des Mitgliederstandes erhellt aus nach stehender Aufstellung, in der bei den freien Gewerkschaften der Jahresdurchschnitt, bei den christlichen und Hirsch Dunckerschen die absolute Zahl angegeben wurde:
Frete
Gewerkschaften
HirschDunckersche 91661 102851
Thriftliche Gewerkschaften
1900 1902 1904 1905 1906
680427
•
•
733 206
79077
•
·
1052108
100053
1344803
•
.
1 689 785
.
117097 118508
195401 215884
111889
Danach haben die Hirsch- Dunckerschen Organisationen die schwächste Entwicklung aufzuweisen. Sie nahmen seit 1900 nur um 26847 Mitglieder zu, also pro Jahr durchschnittlich um 4474. Die christlichen Gewerkschaften weisen eine bessere Entwicklung auf, denn die Pfaffen und die klerikalen Organe entfalten für sie eine sehr einflußreiche und kostenlose Agi tation, und auch sonst stehen den Christlichen dank der Frommen und ihrer eigenen Bravheit allerhand Hilfsmittel zur Verfügung. Ihre Mitgliederzahl nahm seit 1902 um 136 807 oder im Jahresdurchschnitt um 25570 zu. Denkt man freilich an das Triumphgeschrei von den großen Erfolgen der christlichen Gewerkschaften, so ist diese Feststellung nicht sehr erhebend besonders wenn man ihm die Ziffern gegenüberstellt, welche die machtvolle Entwicklung der freien Gewerkschaften aufzeigen. Letztere gewannen seit 1900 über eine Million Mitglieder, das macht pro Jahr im Mittel 168 226. Im Jahre 1906 allein hatten sie einen Zuwachs
Frete Gewerkschaften
Gewertschaften Gewerkvereine 3378833 1338765 2709 686
2500 im Ausstand waren. Die Arbeit konnte nach kurzer und mehr anderen Berufen zuwendeten, wodurch es zu einem Streifdauer wieder aufgenommen werden, da die Unter- immer merklicheren Dienstbotenmangel kommen müßte. Von nehmer zugeständnisse machten. dieser optimistischen Seite ging auch die Anregung zu einer In einer Arbeiterkategorie, die unter besonders schlechten Reichsgesindeordnung" aus. Genoffin Baar bemerkte dazu Arbeitsbedingungen lebt und deren Angehörigen durch sehr treffend, die Dienstmädchen bedankten sich für jede Geuniformierte Kleidung und Behandlung der Charakter von findeordnung; fie verlangten, unter die Gewerbeordnung Beamten" aufgedrückt wird, scheint es wieder einmal gestellt zu werden. Nach Schluß der Versammlung ließ sich lebendig zu werden. Die Straßenbahner in Berlin eine große Anzahl der Mädchen in den Verein der Haussind aufs neue ihrer Behandlung müde und halten ihre angestellten aufnehmen. Der Verein der Dienstmädchen, Wasch- und ScheuerEntlohnung für zu niedrig. Solange aber die Straßenbahner sich nicht eine straffe gewerkschaftliche Organisation frauen von Hamburg und Umgebung hielt am 31. Juli schaffen, sondern sich nur in plötzlichen Aufwallungen ab im Mühlenkamp eine öffentliche Versammlung ab. und zu einmal gegen die Bedrückungen seitens ihrer Genossin 3iez referierte über das Thema:„ Was bietet der Direktionen wenden, dürften sie wenig und vor allem feine Dienstbotenverein unseren Dienstmädchen?" Mit reichem dauernden Erfolge erringen. Das haben die Ausstände in Beifall wurde der Referentin für die interessanten Ausführungen gedankt. Am 8. August fand die monatliche Berlin , Stuttgart , Elberfeld usw. bewiesen. Die sich fräftig entwickelnde Dienstbotenorgani- Mitgliederversammlung des Vereins statt, in welcher sation hat die christlichen Herrschaften mobil gemacht. In Genossin Gewehr das Thema behandelte:„ Warum müssen Köln hat eine Konferenz stattgefunden, in der christliche die Mädchen selbstbewußt und klassenbewußt sein?" Der Gewerkschaftsführer und einige Damen christlicher Frauen- Vortrag wurde beifällig aufgenommen. Die nächste gemütvereinigungen, angeftachelt dura) die Erfolge unserer Dienst- liche Zusammenkunft wird am 25. August im Gewerkschaftsbotenbewegung, wehflagend darüber berieten, wie der„ Be- baus stattfinden, die nächste Mitgliederversammlung am gehrlichkeit", welche die„ sozialdemokratischen Hezerinnen" 12. September im selben Lokal. Berta Mangels. weden, mit christlicher Milde beizukommen wäre. Einen Der Leipziger Verein für Hausangestellte hielt am ausführlicheren Bericht über die Konferenz finden unsere 24. Juli eine Mitgliederversammlung ab, die gut Leserinnen an anderer Stelle der„ Gleichheit". besucht war. Genosse Bartels referierte über den„ Wert
Das gleiche gilt von dem ungeheuerlichen Schimpf, der der wirtschaftlichen Organisation". Er führte aus, daß die den Verkäuferinnen eines Warenhauses in Hausangestellten alle Ursache hätten, sich zusammenzuschließen Frankfurt a. M. angetan worden ist, ein Schimpf, der und an dem Ausbau ihrer Organisation nach Kräften mitdie Illusion der Handlungsgehilfinnen zerstört, daß sie zuarbeiten. Die einzelne sei gegen die Ausbeutung und die Damen " und keine Lohnarbeiterinnen seien, und der ihnen Schikane der Herrschaften machtlos, eine geschlossene Masse Baher eindringlichst den Anschluß an ihre Gewerkschaft aber vermöge den bestehenden Mißständen abzuhelfen. Es predigen müßte: an den Zentralverband der Handlungs- läge deshalb im Interesse der Mädchen, treu zum Verein zu #halten und unter den Kolleginnen für ihn zu agitieren. Mehrgehilfen und-gehilfinnen. fache Zwischenrufe und reicher Beifall am Schlusse des Vortrags von 300 000 Mitgliedern; das sind mehr Proletarier als die Der Kampf der Käsereiarbeiter um ihr Organi- ließen erkennen, daß der Referent den Anwesenden aus dem chriftlichen Gewerkschaften seit ihrem Bestehen gesammelt fationsrecht. In Kaufbeuren , Kempten und Ülm Herzen gesprochen hatte. In der Diskussion forderte ein haben. Noch schärfer aber kommt das übergewicht der freien tobt seit kurzem ein Kampf zwischen den Käsereiarbeitern und junger Mann auf, rege für den Verein zu agitieren. Daß Gewerkschaften in nachfolgendem Vergleich der Kassenver- ihren Unternehmern um Anerkennung der Gewerkschafts - er noch nicht sehr start sei, dürfe teine mutlos machen; hältnisse im Jahre 1906 zum Ausdruck. Es hatten organisation. Die Arbeiter hatten sich erlaubt, eine Auf- andere Organisationen seien auch einmal klein gewesen und Christliche Hirsch- Dunckersche besserung ihrer schlechten Löhne zu verlangen. Die Käserei hätten in verhältnismäßig furzer Zeit Großes geschaffen. arbeiter der in Betracht kommenden Orte sind teils im Sechs Mädchen schlossen sich dem Verein an, der am Deutschen Handels- und Transportarbeiterverband, teils im 25. August einen Unterhaltungsabend mit Vorträgen und Christlichen Transportarbeiterverband organisiert. Leider ist Tanz abhalten wird. Marie Seifert. zu befürchten, daß die letzteren infolge der oft befolgten Vorbereitungen zum christlichen Dienstbotenfang. Vor Im Anschluß an diese Zahlen, welche die Machtstellung Streifbrechertaktik der Christlichen auch hier die Verräter furzem fand in Köln auf Einladung des Gesamtverbandes der freien Gewerkschaften glänzend illustrieren, seien noch spielen werden. Dadurch würde natürlich den freiorgani- der christlichen Gewerkschaften eine Konferenz zur Beratung einige Angaben über die Errungenschaften des Maurer- fierten Arbeitern der Kampf erschwert. Die Käsebarone über die Dienstbotenorganisation statt. Außer katholischen verbandes mitgeteilt. Im ersten Halbjahr 1907 erreichten haben es bereits abgelehnt, mit den Vertretern des Deutschen und evangelischen Frauen- und Dienstbotenvereinen waren 14.000 Maurer in 133 Lohnbewegungen eine Arbeitszeitvertür- Handels- und Transportarbeiterverbandes zu unterhandeln. Frauenbünde, Bahnhofsmissionen, Jungfrauenvereine und zung von durchschnittlich 3% Stunden pro Woche und 51.000 Genossinnen! Unterstützt deshalb die kämpfenden Käserei- dergleichen Organisationen vertreten. In seinem einleitenden eine Lohnerhöhung von 5 Pf. pro Stunde. Diese Ziffern verarbeiter. Weist überall Käse aus den genannten Orten zurück. Vortrag betonte der Generalsekretär des Gesamtverbandes tünden eindringlicher als Lobessprüche, wie rührig, geschickt Er muß für ich so lange ungenießbar sein, als die Käse- der christlichen Gewerkschaften, die Dienstboten organiund traftvoll die Organisation die Interessen der Arbeiter barone es ablehnen, die Organisation des freien Handels- fation tönne den Gewerkschaften nicht nachvertreten hat. und Transportarbeiterverbandes anzuerkennen, den Arbeitern gebildet werden. Der Dienstvertrag unterscheide sich eine anständige Bezahlung und menschenwürdige Behandlung zuteil werden zu lassen. Die verlangte Unterstützung der Genofsinnen wird viel dazu beitragen, den um ihr Koalitionsrecht kämpfenden Arbeitern zum Siege zu verhelfen.
Einnahmen Ausgaben Vermögen
41 602 339
•
.
36974717
•
.
25312 633
.
"
2370028
3417668
"
Notizenteil. Dienstbotenfrage.
wesentlich vom industriellen Arbeitsvertrag, und die Stellung des Dienstmädchens zur Herrschaft sei eine andere, als die der industriellen Arbeiterin zum Unternehmer. In demselben Sinne sprachen sich auch zwei Vertreterinnen des katholischen und des evangelischen Frauenbundes aus. Nach der Auffassung dieser Damen unterscheidet sich das Dienstmädchen dadurch von der Arbeiterin, um deren Person sich der Arbeitgeber nicht fümmert, daß es, in die Familie aufgenommen wird und mit der Herrschaft zum größten Teil dieselben Lebensschicksale trägt". Das Verhältnis sei auf gegen
-
-
Im nächsten Jahre werden wir bei einem vergleichenden überblick über die Gewerkschaften noch eine vierte Spezies von Arbeiterorganisationen" aufführen können: die gelben Gewerkschaften. Hoffentlich vorenthalten diese Soldknechte des Unternehmertums der Öffentlichfeit nicht das Interessanteste, nämlich den zahlenmäßigen Nachweis darüber, wieviel wohlorganisierte Streitbrecherkolonnen mit Streifbrecheragenten an der Spitze sie formiert haben. Auch eine Statistik über die Fälle, in denen sie den bedrängten Unternehmern tatkräftige Hilfe" geleistet haben, wäre verdienstlich. Vielleicht reicht es dann außer zu amtlichen Belobi- Ju einer öffentlichen Dienstmädchenversammlung seitigen Schuh und gegenseitiges Vertrauen gungen auch noch zu Belohnungen aus, und die„ grund- in Berlin referierte im vorigen Monat Genossin Baar gestellt. Die Dienstboten sollen nach der Meinung der Damen gütige Mutter Natur" tut ein übriges, indem sie diesen über: Die Verkürzung der Arbeitszeit". Der nicht interfonfessionell vereinigt werden wie die christlichen nüzlichen, staatserhaltenden Elementen nach Heines Wunsch Umstand, daß die Versammlung nur von etwa 100 Personen Arbeiter, denn bei der Jugend der Mädchen müßten reSchwänze zum Wedeln gibt. besucht war, gab der Rednerin zu der Feststellung Veran- ligiös- sittliche Einwirkungen zu den ersten Der Kampf der Zigarrenarbeiterinnen in Gießen lassung, daß die lange, fast unbegrenzte Arbeitszeit der Aufgaben der Organisation gehören.„ Schwere sittwird auch in der zehnten Woche mit Einigkeit und Aus- Dienstmädchen diesen nicht einmal ermögliche, ihre nächst liche Bedenken" gegen den Zusammenschluß von weiblichen dauer geführt. Die Unternehmer versuchen durch Errichtung liegenden Interessen wahrzunehmen. Das Dienstmädchen und männlichen Dienstboten in einer Organisation tragen von Streitbrecherfilialen in anderen Orten die Produktion hat bei den meisten Herrschaften niemals freie Zeit. Im die christlichen Rednerinnen ebenfalls im befümmerten Herzen. aufrechtzuerhalten. Zu einer gewaltigen, eindrucksvollen Interesse der Gesundheit sowohl als auch des natürlichen Ihr Bestreben geht dahin, konfessionelle Vereinigungen zu Demonstration gestaltete sich das Bezirksfest der organisierten Bedürfnisses nach Bildung ist es für das durch die Gesinde schaffen, in denen das Vertrauensverhältnis Tabatarbeiter von Gießen und Umgegend. An 3000 Per- ordnung zur Haussklavin degradierte Dienstmädchen not- zwischen Herrschaft und Dienstbote gefördert sonen marschierten unter Vorauftragung einer roten Fahne wendig, daß eine gesetzliche Arbeitszeit festgelegt werden soll". Zur Erreichung dieses idealen Zustandes im Festzug, begeisterte Hochrufe auf den Verband und die wird. Die Herrschaften wehren sich natürlich gegen eine für die Herrschaften!-sei die Mitarbeit von Frauen moderne Arbeiterbewegung ertönten wieder und wieder. Die Aufhebung der Gesindeordnung und gegen die Verkürzung besserer Stände unentbehrlich. Die empfohlene echt Aussicht auf einen Sieg der Streifenden ist nach wie vor der Arbeitszeit, weil sie wissen, daß Mädchen, die Zeit haben, christliche" Tattit des Giapopeia erweckte im eigenen Lager gleich günstig, zumal wenn die organisierten Proletarier sich über ihre Lage nachzudenken, sich nicht jede Behandlung ge- Widerspruch. Der Vorsitzende des christlichen Hilfs- und auch fernerhin zur materiellen Unterstützung opferwillig fallen lassen werden. Alle Arbeiter haben durch Organi- Transportarbeiterverbandes, Oswald, trat für gewertzeigen wie bisher. sation Verkürzung der Arbeitszeit erreicht, nur die Dienst- schaftlichen Zusammenschluß der Dienenden ein. Zur Im Kampfe der Berliner Maurer ist zurzeit noch mädchen stehen noch abseits. Deshalb ist es für sie dringend Begründung seines Standpunktes führte er aus, daß seitens der kein Ende abzusehen, obgleich die Zahl der Firmen stetig notwendig, sich zu organisieren, um in die Lage zu kommen, Dienstboten weniger der Lohn, als vielmehr die Behandlung, wächst, welche die Forderungen der Arbeiter bewilligen. höhere Löhne und fürzere Arbeitszeit zu fordern. Den Herr Behausung und Verpflegung Hauptgegenstand der Klagen sei. Eine größere Metallarbeiteraussperrung in schaften muß endlich einmal klar gemacht werden, daß auch Nur eine selbständige gewerkschaftliche OrganiBayern scheint sich vorzubereiten. In einer Münchener die Dienstmädchen Menschen sind, die das Recht auf eine sation tönne Besserung schaffen. Die Mitarbeit von Waggonfabrik streifen 200 Holzarbeiter wegen Nichtanerken- begrenzte Arbeitszeit haben, welche ihnen außer förperlicher Frauenvereinen, deren Mitglieder den Kreisen der Herrnung der 53 stündigen Arbeitszeit. Der Direktor des Be- Gesundung auch geistige Fortbildung ermöglicht. Dies einige schaften angehören, werde keine durchgreifende Hilfe triebs wäre zu einem Entgegenkommen bereit gewesen, das der Ausführungen, welche die Rednerin machte. In der bringen. Die christlichen Gewerkschaften könnten nicht länger die Arbeiter befriedigte. Jedoch die Scharfmacher im Ver- anschließenden Diskussion wurde betont, daß es notwendig müßig beiseite stehen, seitdem die Sozialdemokraten band der bayerischen Metallindustriellen wollen es anders. sei, die Arbeitszeit der Dienstmädchen unter feinen Umständen sich der Dienstboten durch Gründung von GeSie planen, die Metallarbeiter im ganzen Lande aus- bis über 9 Uhr abends ausdehnen zu lassen; wenn aber werkschaften energisch annähmen. zusperren. nach 9 Uhr durchaus noch Arbeit erforderlich sei, so müßten In der Diskussion schieden sich die Geister, um sich schließWiederum sind einige kleine Erfolge der Textil- die Überstunden besonders bezahlt werden. Ein anwesendes lich als schöne Seelen" in der Annahme einer Reso= arbeiter und arbeiterinnen zu melden. In einigen älteres Dienstmädchen beklagte sich über die zutage tretende lution wieder zu finden, in der die christlichen Gewerkschaftswürttembergischen Städten wurden Arbeitszeitverfür Herzensroheit der Herrschaften, die vielfach den Kindern vertreter um des lieben Friedens willen ihre eigenen Grundzungen und Lohnausbesserungen erzielt, und in M.- Glad- die überzeugung einimpfen, daß die Dienst- säze verleugneten. Die Resolution empfiehlt,„ die bestehenbach war in einer Buckskinweberei nach 14tägigem Streit mädchen ganz andere Menschen seien als sie. den und neu zu gründenden konfessionellen Standesvereine ein Sieg zu verzeichnen. Von weit größerer Bedeutung ist Von bürgerlicher Seite wurde die Ansicht ausgesprochen, weiblicher Dienstboten dahin auszubauen, daß sie neben der jedoch die Durchdrückung der Forderungen der Lands- daß schließlich die Herrschaften eine Änderung der Gesinde- Förderung der idealen Interessen auch die wirtschaftliche huter Textilarbeiter, die bekanntlich in einer Zahl von ordnung bewirken würden, wenn die Dienstmädchen sich mehr Hebung ihres Standes, zum Beispiel durch Reform der Ge,
-
-