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Sonnenwende.

Don Ludwig bland.

Nun die Sonne soll vollenden Jhre längste, schönste Bahn, Wie sie zögert, sich zu wenden Nach dem stillen Ozean!

Jhrer Göttin Jugendneige

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Die Gleichheit

Nr. 18

der chriftlichen Langmut abzusehen und auf vollen Ersatz des Schadens zu bringen.

Leff, Lejf, weshalb tuft du dies?" Alles Bolt wandte fich nach ihr hin, der Vater ftand daneben, aber fte er tannte ihn nicht. Steige wieder herab, Leff," rief fie; Ju dieser Absicht ließ er vom Bürgermeister einen ich liebe dich, und dort oben hast du nichts zu gewinnen!" Sühneversuch anstellen und erschien selbst, um seine Be­Man sah, daß er sich bedachte, es währte einen oder schwerde vorzutragen. Gr tat es mit vielem Nachdruck, zwei Augenblicke, aber dann fletterte er wieder höher und hätte wohl auch die meisten Pfarrkinder überzeugt, insic empor. Seine Hand und sein Fuß waren wieder feft, und allein auf Salvermofer machten seine Worte feinen Ein­deshalb ging es lange gut; aber bald begann er müde brud. Peter war ein Mann von rauhen Sitten, dem zu werden, denn er ruhte oft. Wie ein Vorbote kam ein der Kampf des Lebens wenig Respekt vor der Obrigkeit abfleiner Stein angerollt, und alle, die dastanden, mußten belaffen hatte; überdies las er täglich die Zeitung und ihm mit den Augen folgen, bis er unten antam. Einige wußte deshalb mehr als mancher andere. fonnten es nicht länger aushalten, sondern gingen fort. Das Mädchen allein stand aufrecht auf dem Stein, rang die Hände und blickte aufwärts.

fühlt die ahnende Natur, dad d Und mir dankt, bedeutsam schweigen The Rings die abendliche Flur. edum Nur die Wachtel  , die sonft immer frühe schmälend weckt den Tag, Schlägt dem überwachten Schimmer Jetzt noch einen Weckeschlag, Und die Lerche steigt im Singen Hoch auf aus dem duft'gen Tal, Einen Blick noch zu erschwingen In den schon verfunknen Strahl.

Das Adlerneft.

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" I zahl durchaus gar nir," sagte er, indem daß i meiner Sau des net angschafft hab."

Auf diesen Einwurf war ich gefaßt," erwiderte der Leif tastete wieder mit der Hand vor sich her, dann, Pfarrer, allein man haftet auch für den Schaden, den ste sah es deutlich, ließ dieselbe plötzlich los, er faßte ein Haustier betätiget. Also will es das Gesetz." schnell mit der andern zu, aber auch sie ließ los. Lejf!" Wos?" schrie Beter mit gehobener Stimme, wo rief ste, so daß es laut über die Felsenwand fort gellte, schteht dös? Des gibt's gor it, daß so was gschrieben nd und alle anderen stimmten ein. Er gleitet!" riefen sie is. Aba i tenn mi scho aus. Der Abel und die Geischt und streckten die Hände gegen ihn empor, Männer wie lichkeit ham' 3 Gsetz allemol no so draht, wia s' as Weiber. Er glitt wirklich, riß Sand, Steine, Kies mit braucht ham." fich fort, glitt, glitt beständig, immer schneller; die Leute Du muaßt net so reden," mischte sich der Bürger­wandten sich ab, und dann hörten sie hinter sich an der meister ein, mir fan net do zum Streiten, sondern zum Felsenwand ein Krachen und Knacken und gleich darauf Vergleicha." etwas Schweres, wie ein großes Stück nasser Erde herab­fallen.

Bon Björnstjerne Björnson  . Endregaardene hieß ein kleines Dorf, welches, von hohen Felsenwänden eingeschlossen, einsam dalag. Der Boden, auf dem es erbaut, war eben und fruchtbar, wurde aber von einem breiten Flusse durchschnitten, der von dem Gebirge herabftrömte. Dieser Fluß ergoß sich in ein weithin sichtbares Gewässer unweit des Dorfes. Zu diesem Gewässer war auf einem Boote der Mann gekommen, der zuerst im Tal zu roden begonnen hatte; sein Name war Endre, und die jetzigen Bewohner des Dorfes waren seine Nachkommen. Einige sagten, er hätte sich wegen eines Totschlags hier hinaufgeflüchtet, wes­halb die Leute so finster aussähen; andere dagegen be­haupteten, daran trügen die Felsenwände Schuld, die felbft zur Johanniszeit die Sonnenstrahlen schon nachmit­tags fünf Uhr nicht mehr in das Tal eindringen ließen. über dem Dorfe hing ein Adlernest. Es war auf einer Felsenspite oben im Gebirge angelegt; alle konnten sehen, wenn die Adlersie zu brüten begann, aber niemand konnte zu dem Nefte hinaufgelangen. Der Adler schwebte über das Dorf hinweg, stürzte sich bald auf ein Lamm, bald auf eine junge Biege hinab, und einmal nahm er sogar ein kleines Kind und trug es fort. Deshalb war es im Dorfe nicht sicher, solange der Adler sein Nest auf der Felsenspize hatte. Unter den Leuten ging die Sage, in alten Zeiten wären zwei Brüder gewesen, die das Nest erreicht und zerstört hätten; aber in jetziger Zeit war niemand imftande, dahin zu gelangen.

Wo sich zwei im Dorfe begegneten, sprachen sie von dem Adlernest und schauten empor. Man wußte, wann die Adler in dem neuen Jahre wieder angekommen waren, wo sie sich hinabgestürzt und Schaden angerichtet, und wer zuletzt den Versuch gemacht hatte, hinaufzuklettern. Die Jugend übte sich von Kindesbeinen an, Berge und Bäume zu ersteigen, und vor allem im Ringkampf, um dereinst das Nest erreichen und gleich den erwähnten beiden Brüdern zerstören zu können.

Zu der Zeit, von der hier die Rede ist, hieß der tüchtigste Bursche im Dorfe Lejf. Er stammte nicht von Endre ab, hatte krauses Haar und Kleine Augen, trieb allerlei Spaß und liebte die Frauen. Er rühmte sich schon in jungen Jahren, er würde einmal zu dem Adler­nest emporklimmen; aber alte Leute sagten, er dürfte es nicht so laut sagen.

Als sie wieder Mut hatten, sich umzuschauen, lag er da, zerschmettert und unkenntlich. Das Mädchen lag über dem Steine, der Vater trug sie fort.

" I brauch toan Vergleich. I zahl durchaus gar nix. Wann der Herr Pfarrer was will, nacha foll er mei Sau verklagn."

Salvermoser," fiel hier der Diener Gottes ein, beine Worte find roh und verraten ein böses Gemüt."

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Die Jugend, die Leif am meisten zu dem Wagestück Soo? Do war mi schlecht, bal mi net zahlt, wos angetrieben hatte, wagte jetzt nicht einmal, Hand anzu- da Herr Pfarra gern möcht! Des glaab i gar net, daß legen und ihm Beistand zu leisten; niemand vermochte Sie dös sagen derfa. I zahl meine Steuern so guat ihn anzusehen. So mußten die Alten herantreten. Der mia der Adel und die Geischtlichkeit! Des muaß i wissen, Alteste von ihnen sagte, als er zugriff: Dies war ob Sie dös sagen derfa, Herrschaft Sternfatrament!" töricht; aber," fügte er hinzu und blickte aufwärts, Jetzt bedeckte der Geistliche sein Haupt und sprach es ist doch gut, daß etwas so hoch hängt, daß es nicht alle Leute erreichen können."

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Die Sau.*

Von Ludwig Thoma  .

008 tod dentel

Eines Tages begab es sich, daß die Sau des Gütlers Peter Salvermoser auf die Wanderschaft ging und durch den Zaun in das benachbarte Anwesen des hochwürdigen Herrn Pfarrers   gelangte.

Sie nahm ihren Weg über die Blumenbeete, wobei sie achtlos Hyazinthen und Krokus in die Erde trat und auch mehrere Zentifolien knickte.

Nicht weniger roh benahm sie sich auf den Gemüse­beeten. Sie zog so lange Salatstauden aus dem Boden, bis sie den Geschmack derselben als unzulänglich erkannte; hierauf fraß sie verschiedene Sorten Monatrettiche und wollte eben untersuchen, ob in der tiefer gelegenen Erd­schichte noch etwas Genießbares gedeihe, als sie von Fräulein Kordelia Furtwengler bemerkt wurde.

Diese war Köchin und Vorsteherin der pfarrlichen Haushaltung. Eine robuste Person mit gut entwickelten Formen und von resolutem Gebaren.

Sie griff ohne langes Besinnen nach einem handlichen Stecken und eilte zornig hinaus, um den frechen Ein­dringling zu treffen.

im Gehen zu dem Bürgermeister:" Es sei ferne von mir, hier noch länger zu weilen! Ihr sehet selbst, daß gütige Worte an dem Frevler verschwendet wären."

Dann begab er sich stehenden Fußes an die Bahn und fuhr nach München  , woselbst er den Rechtsanwalt Samuel Rosenstock aufsuchte.

Derselbe war ein vortrefflicher Jurist und mit allen Geheimnissen der Streitkunft gar wohl vertraut. Er nahm sich des Prozesses mit Freuden an und begann ihn sofort durch eine spitsindige Klage, worin er aus führlich darlegte, daß der beklagtische Gütler für das Benehmen seiner Sau voll und ganz einzustehen habe.

Allein auch Peter Salvermoser fand den Advokaten, welchen er suchte, und dieser sagte in allem das Gegenteil von dem, was Samuel Rosenstock behauptete.

So kam es, daß sich der Prozeß in die Länge zog und die Gemüter der Streitenden sich immer mehr erhitzten.

Sie führten auch außerhalb der Gerichtsschranken einen erbitterten Krieg gegen einander, und der Pfarr­herr sah sich gezwungen, des öfteren von der Kanzel herunter seine Pfarrkilder eindringlich zur Tugend und Frömmigkeit anzuhalten, auf daß sie nicht würden wie Beter Salvermofer.

Dieser hingegen tat seinem Feinde Abbruch, wo er nur fonnte. Er verminderte heimlich die Anzahl der pfarrlichen Hühner und Enten, er streute vergifteten Weizen in den Taubenkobel des hochwürdigen Herrn und sorgte dafür, daß die Forellen in dem Fischfalter des Wassers entbehrten.

Da sie aber, wie alle Frauenzimmer, in den eigent lichen Kriegslisten wenig bewandert war, hub sie zu früh Auch die tugendsame Kordelia Furtwengler wurde in das Feldgeschrei an, so daß der Feind ihr Nahen von Mitleidenschaft gezogen. Ihre Lieblingstaze verschwand weitem bemerkte und rechtzeitig die Flucht ergreifen konnte. auf rätselhafte Weise, und niemand im Dorfe glaubte Auf derselben richtete die Sau erhebliche Verwüstungen an den natürlichen Tod des treuen Tieres. Sie selbst an, da sie das Loch im Zaune nicht alsogleich fand, son- wurde gröblich beschimpft von Anna Maria Salvermofer, bern   erst in mehrerem Hin- und Herlaufen suchen mußte. Ehefrau des mehrgenannten Gütlers, als sie mit derselben Während sie ärgerlich grunzend heimkehrte, besah im Bäckerladen zusammentraf. Sie erfuhr hierbei, daß Fräulein Kordelia den Schaden und jammerte in so sie eine wampete Loas sei und noch mehreres andere aus lauten Tönen, daß der hochwürdige Herr seine Morgen- dem Sprachschat unseres Volkes. andacht unterbrach und sich nach der Ursache der frühen Störung erkundigte.

Beim Anblick des Geschädigten wurde die Köchin von Rührung übermannt, und sie konnte nur mühsam unter verhaltenem Schluchzen das Geschehnis berichten.

So dauerte der Krieg in heftiger Weise fort, bis endlich das Gericht nach zwei Jahren genügendes Material gesammelt hatte, um zu einem Erkenntnis zu gelangen. Es verkündete nunmehr, daß die Sau nicht in den Garten gefommen wäre, es hätte denn der Zaun nicht ein Loch gehabt. Hierfür träfe niemanden das Verschulden, als den Eigentümer des Baunes.

Dies feuerte ihn an, und noch ehe er in sein bestes Alter getreten war, unternahm er das Ersteigen der Felsenspize. Es war ein heller Sonntagvormittag im Anfang des Sommers; die Jungen mußten jetzt gerade ausgebrütet sein. Eine zahlreiche Menschenmenge hatte fich unter der Felsenwand versammelt. Die Alten rieten ab und die Jugend riet zu. Aber er hörte nur auf sein eigenes Verlangen, wartete deshalb, bis die Adlersie ihr Nest verließ, machte dann einen Sprung und hing in einem Baume mehrere Ellen von der Erde. Derselbe wuchs aus einer Spalte hervor, und diese Spalte begann er aufwärts zu flettern. Kleine Steine löften sich unter seinem Fuße, Kies und Erde rollte hinab, sonst herrschte Der Pfarrer vernahm es mit ersichtlichem Mißver­tieffte Stille; nur der Fluß im Hintergrund strömte mit gnügen. Zunächst, weil er selbst ein Freund der eßbaren gedämpftem, beständigem Brausen seiner Mündung zu. Gartenfrüchte war, dann aber, weil die Mißetäterin Und damit hatte der Pfarrherr den Prozeß verloren. Schroffer und schroffer wurde die Felsenwand; lange hing gerade dem Peter Salvermoser gehörte. Mit diesem Viele wunderten sich darüber, am meisten Samuel er an der einen Hand, suchte mit dem Fuß nach einem hatte es seine eigene Bewandtnis. Rosenstock. Stützpunkt und konnte nicht hinsehen. Viele, namentlich Er war im Pfarrhof übel angeschrieben als Freigeist Ms die Kunde von dem Geschehnis in das Dorf Frauen, wandten sich ab und sagten, dies hätte er nicht und lauer Christ, der im Wirtshaus nicht selten über gelangte, überfam ein tiefer Ingrimm den hochwürdigen getan, wenn er noch Eltern am Leben hätte. Er fand tirchliche Einrichtungen böse Reden führte; ja, es war Herrn. Er begab sich in die Küche zu Kordelia Furt­jedoch einen festen Halt, suchte dann wieder, jetzt mit der ruchbar geworden, daß er über die Korpulenz des hoch- wengler und erklärte der Erstaunten die ganze bodenlose Hand, jetzt mit dem Fuße; es gab nach, er glitt, aber würdigen Herrn einige unflätige Wige gemacht hatte. Schlechtigkeit unseres Staatswesens. hing gleich wieder fest. Die Untenstehenden konnten gegen- Auch als Nachbar benahm er sich gröblich und drohte seitig ihre Atemzüge hören. Da erhob sich ein hoch- in geringfügigen Dingen mit Gericht und Advokaten. gewachsenes junges Mädchen, welches einsam auf einem Darum beschloß der Pfarrer, in diesem Falle von Steine faß. Sie sollte sich ihm schon als Kind verlobt haben, obgleich er nicht zu der Verwandtschaft der Dorf­

* Aus Assessor Karlchen und andere Geschichten". Verlag von

bewohner gehörte. Sie streckte die Arme empor und rief: Abert Langen. München   1905.

Nicht so Peter Salvermoser. Dieser gewann Ver trauen in die Einsicht der von Gott gefeßten Obrigkeit und freute sich in seinem schlichten Gemüt. Berantwortlich für die Nedattion: Fr. Mara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe Poft Degerloch bet Stuttgart  . Druck und Berlag von Baul Singer in Stuttgart  .