50 Die Gleichheit Nr.S oder ll) Uhr abends spätestens, sondern dem Mädchen steht es ohne weiteres frei, auch die Nacht über fortzubleiben— sofern es nur am nächsten Morgen wieder seinen Dienst versieht. Also auch hier wieder eine sachlichere Auffassung des Arbeitsverhältnisses. Außerdem versteht sich, daß nach getaner Arbeit, zu der Wäsche gewöhnlich nicht ge' hört, dem Mädchen Zeit für private Beschäftigung belasten wird. Bei dem allen handelt es sich nicht etwa um Bewilligungen seitens einiger weniger menschenfreundlicher Gebildeter, wie man sie wohl auch bei uns findet, sondern um durchaus übliche Bedingungen. Trotzdem nimmt, wie gesagt, die Amerikanerin doch nur ausnahmsweise in Gestalt eines Dienstes diese Beschränkungen auf sich. Daß das Gesellschaftsleben der arbeitenden Klassen, der Verkehr der Jugend einen starken Einfluß aus das Familien- und Hausleben ausübt, ist begreiflich. Damit steht in gar nicht so losem Zusammenhang, daß die amerikanische Arbeiterfamilie vor allem eine bedeutend stärkere wirtschaftliche Solidität ist als in Europa . Wenn der Fremde sich nach einiger Zeit an das so stark in die Augen fallende Bild der Geschäfts- und Verkehrszentren der amerikanischen Städte gewöhnt hat, so wird es ihm aufsallen, daß diese darüber hinaus eigentlich gar nicht so recht großstädtisch erscheinen. Um den Kern nämlich, die eigentliche.eitzs", weisen die amerikanischen Städte angeheure Häusergebiete auf, die unS beinahe an deutsche Dörfer erinnern, Ein- und Zwei-, höchstens Vierfamilienhäuser, aus leichtem Material gebaut— meist ganz aus Holz, mit einem sonderbar leichten Fundament. Auf ungeheure Strecken hinaus gehen die elektrischen Bahnen aus den Städten in die Umgegend— Meilen und Meilen, und gewöhnlich kostet die Fahrt v Cts. Es ist nicht wie bei uns, daß der hohe Stadtrat endlich betreffs des Vororlsverlehrs einem.längst empfundenen Bedürfnis' nachkommt. In der großen Union jenseits deS großen Wassers eilt man voraus und schafft das Bedürfnis erst. Man baut Vorortsbahnen und macht dadurch selbst für große Städte billiges Terrain und damit billige Häuser erreichbar. Das Streben nach dem Besitz eines eigenen HauseS vereint alle Glieder der Arbeiterfamilie in gemeinsamem Interesse. Das eigene HauS— so bescheiden es auch sei— wird in viel höherem Maße ein Heim, als irgendwelche vier Wände einer Mietswohnung. Das Familienleben der amerikanischen Arbeiter ist dank dem eigenen Heim ganz unvergleichlich lebendiger und froher, als man es in deutschen Arbeiterwohnungen findet. Die Arbeiter für die bürgerliche Welt zu gewinnen, das ist nach dem Verfasser heute die Losung aller Parteien rechts von der Sozialdemokratie — im besonderen aber des sogenannten Liberalismus. Will man nicht eine grobe Verkennung des eigentlichen vorliegenden Problems zugute hallen, so müßte einem das bürgerlich« Liebeswerben nach ihm als eine recht frivole Niederträchtigkeit erscheinen. So billig ist der Arbeiter nach l)r. Schultz denn doch nicht zu haben. Für einen Bürger zweiter Klasse, den man über die Hintertreppe und ins Hinterhaus schickt, ist er nicht zu haben. Entweder er wird Bürger erster Klasse— oder er bleibt Klassenkämpfer, den kein Wust wetteifernder Sozial- gesetzgebcreien versöhnen wird.(Schluß folgt). Schularztberichte. Von Dr. Zadel. Vlll. Ober die hygienischen Zustände in den Schulen bringen die Berichte nur wenig Material, am meisten noch der Berliner . Mangel an Zeit. Mangel an Beherrschung der einschlägigen Untersuchungsmethoden, vielleicht auch die Scheu, den betreffenden städtischen Verwaltungen unangenehme Wahrheiten zu sagen, mögen hierbei mitsprechen. Aus Boxhagen-Rummelsburg klagt vr. Bernstein, daß die Temperatur in den Klassenzimmern meist zu hoch sei. vr. Werner führt Beschwerde über durchaus mangelhafte Lüftung in den Klassenzimmern einer Schule; nur die oberen Teile der Fenster können geöffnet werden; auch die Größe der Klassenzimmer reiche für die Zahl der Schüler(weit über SO) nicht aus. Der Offenbacher Bericht teilt mit, daß die Ölung der Fußböden in den Schulzimmern sich am besten für die Staubbekämpfung bewährt hat, und fordert rascheren Ersatz der abgenutzten Fußböden. Ferner erNärt er die baldige Errichtung einer Tun> Halle mit Brausebad und einer neuen Abortanlage für eine Schule als dringend nötig. Der Nürnberger Bericht klagt über schlechte Luft- und Lichtverhältnisse in einzelnen alten Schulhäusern. Dieselbe Klage über schlechte Luft in den Klassen erhebt der Berliner Bericht:„Da die für alle Schulen in Aussicht genommene Verbesserung der Ventilation durch Anbringung von Oberfensteröffnern an mindestens zwei Fenstern noch nicht allgemein zur Durchführung kam, wird noch vielfach über schlechte Luft in den Klassen geklagt. Es muß als dringend wünschenswert betrachtet werden, daß durch Einstellung höherer Mittel in den Etat die erste Aufgabe der Gesundheitspflege, der Aufenthalt in erträglicher Luft, allgemein erfüllt wird. Nach den Berichten der Schulärzte waren in dem Berichtsjahr in KS Schulen keine Oberfenster angebracht, in 109 Schulen nur an einem Fenster der Klasse. in 101 Schulen an mehreren Fenstern. Die ungünstige Wirkung, welche der Ausenthalt in schlechter Lust auf den Körper ausübt, macht sich durch blasses Aussehen, durch Blutarmut , durch verminderte Leistungsfähigkeit gellend. In den Klassen mit ungenügender Luftzuführung muß. bis die Mittel zur Ventilationsverbefserung beschafft werden können, darauf gehalten werden, daß wenigstens in den Pausen durch Offnen der Fenster Lufterneuerung stattfindet, und daß nach jeder Unterrichtsstunde die Kinder die Klasse verlassen. Eine Verlängerung der kurzen Pausen zu diesem Zwecke würde für den Gesundheitszustand und für die Leistungen der Schüler vorteilhaft sein. In den meisten Schulen verlassen die Kinder nur in den großen Pausen das Klassenzimmer, in den kleinen nur, wenn sie Bedürfnisse zu befriedigen haben, was aber nicht gerne gesehen wird. Die Kinder sind gezwungen, in den kleinen Pausen still auf ihren Plätzen zu sitzen. Nachdem es sich in der Waldschule gezeigt hat, daß die verkürzte Unterrichtszeit und die größeren Pausen äußerst vorteilhaft auf das Gedeihen der Kinder wirken, wäre es wünschenswert, daß diese Erfahrungen auch für die Schulen allgemein nutzbar gemacht werden. Wenn die Kinder in den Pausen in den Klassen bleiben müssen, ist es nicht möglich, die verbrauchte Luft durch Offnen der Fenster zu erneuern. Durch die mangelnde Körperbewegung wird eine frühzeitige Ermüdung begünstigt.— Außerdem erscheint es hygienisch unzulässig, daß die Kinder, insbesondere die der Unterstufe, daran gehindert werden, schon nach der ersten Unterrichtsstunde ihre Bedürfnisse zu befriedigen.— llber ungünstige Einwirkung der Gasheizung wird mehrfach geklagt.' Leider fehlen in allen Berichten Zahlenangaben über die Schulsrequenz und die Größe der Schulzimmer, über Quadratfläche und Luftkubus, die den Kindern zur Verfügung stehen, sowieMitteilungen überSchulluftuntersuchungen — weil eben keine gemacht worden sind. Für Berlin verspricht das in diesem Jahre noch zur Eröffnung gelangende städtische Untersuchungsamt für hygienische und gewerbliche Zwecke in letzterer Beziehung Wandel zu schaffen; bei den darauf bezüglichen Vorbcratungen in den städttschen Körperschaften spielte die Frage methodischer Schullufluntersuchungen eine wichttge Rolle. Die Schulluft ist, soweit Untersuchungen darüber vorliegen, fast überall als verdorben und ungeeignet zur Atmung befunden worden; sie ist die Ursache für die mannigfachsten Beschwerden unserer Schulkinder, Eingenommenheft des Kopfes und Kopfschmerz, llbligkeiten und Schwindel, für ihre blasse Farbe und Appetitlosigkeit, für daZ, waZ man mit einem Wort als„Schulkrankheit' bezeichnet; sie ist sicherlich auch großenteils Ursache dafür, daß so viele Kinder so ungern, so ängstlich zur Schule gehen. Wir bemessen die'Luftverderbnis nach ihrem Kohlenfäure- gehalt und nennen eine Luft verdorben, wenn dieser Gehalt über 1 pro Tausend hinausgeht. Zahlreiche Untersuchungen der Schullust an den verschiedensten Orten haben gezeigt, daß dieselbe durchweg ein Vielfaches dieses Petten - koferschen Maximums enthält, ja daß sie bereits vor Beginn des Unterrichtes verdorben ist. So fand B reit in g 1870«in Ansteigen der Kohlensäure bis 9, KS Gittert�kkw? in Berliner Nemeindeschulen bis 9,65"/«,, Rietschel bis 9,7ö°/,«, ein Beobachter in der Schweiz 188S 10°/«,, Hesse sogar ll,?"/««. Boubnoff und Jgnatieff haben bei ihren Untersuchungen in Mos kauer Schulen zu Beginn des Unterrichtes(8 Uhr SS Minuten) bereits 1,46°/� gefundeu. Hesse fand folgende Zahlen: Stund « und NW»««» e« g« S" e- 7- 7" 7— 7« Kohlensäuregehalt 0.3 1.0 1� 1,7 2,2 2.S 3.0« 2,8«/«. Stunde und Minuten 74° 7». g«, gu> g-a gm gm Kohlensäuregehalt 2.9 S.7 3.8« 3.6 3.7 4L 4.1«/«, Besondere Vemilationseinrichtungen fehlten;« dedcutcl Austreten von Schulkindern. Es wurde also bereits zu Beginn de§ Unterrichtes(um S Uhr 30 Minuten) das zulässige Maximum, nach etwa zweistündigem Unterricht das Bierfache desselben erreicht. Nach Scharling produziert ein 10 jähriges Mädchen stündlich 9,6 Liter Kohlensäure - 10 jähriger Knabe - 10,3-- » 17 jähriges Mädchen- 12,9-- - 16 jähriger Jüngling- 17,4-- Die Beschaffenheit der Schulluft hängt also«b von Zahl, Alter und Geschlecht einer Klasse respektive vm dem Verhältnis zwischen dieser Zahl und dem Nauninhalt des Zimmers sowie von der Ventilation des Raumes. Rietschel hat nach obigen Angaben berechnet, wie groß d«s stündlich zugesührte Lustqnantum pro Kopf, wie groß der kuftwechsel, die Ventilation sein muß, wenn das Maximum von 1«/«. Kohlensäure nicht überschritten werden soll. Es«rgab sich, daß 1«/«, als Maximum nur unter recht hohen Anforderungen an Luftkubus, Ventilationsquantum beziehungsweise Wiederholung des Luftwechsels zu erreichen ist, Anforderungen, wie sie in Wirklichkeit wohl nirgends erfüllt werden. Die preußischen Vorschriften von 1884 forderten als Grundlage der Berechnung für Schulen je nach dem Aler der Kinder 10 bis 20 Kubikmeter, die Anweisung des prechischen Ministeriums von 1393 forderte 10 bis 25 Kubikmeten Luftwechsel pro Kopf und Stunde; an den Rietschelschen inhlen gemessen, sind diese Forderungen durchaus ungenügend Bei einem LuftkubuS von 9 bis 3 Kubikmeter pro Kops b, steht überhaupt nicht die Möglichkeit, die zulässige Grenze von 1°/«, Kohlensäuregehalt einzuhalten, erst von 4 Kubikmeter pro Kopf ab gelingt dies bei mäßigem Luftwechsel. Und nun vergleiche man mit diesen Ausführungen sie Wirklichkeit! Nach einer Untersuchung von Colbrij- Liegnitz in vier schlesischcn Kreisen kamen in 17 Prozeit sämtlicher Schulzimmer weniger als 2 Kubikmeter Luftraum auf den Schüler, zweimal kam sogar nochmich 1 Kubikmeter auf das Kind bei einer Schülerzahl von 14 4! In 2S Prozent der Schulräums saßen die Kinder so eng, daß nicht einmal die Mindestbreite von S0 Zentimeter auf den Sitz kam. Eine nenere Arbeit desselben Arztes (Vierteljahrsschrift für of. Gesundheitspflege 1907, Heft 2) bringt folgende Tabellen: Obgleich die Norm für preußische Volksschulen für die einklassige Schule nicht weniger als 80, für die mehrklasfige 70 Köpfe beträgt, sind von diesen 1061 Klassen noch 2S Prozent überfüllt.(In ganz Preußen sitzen nicht weniger als 1«/» Millionen Kinder in überfüllten Klassen.) Rechnet man ein Quadratmeter Flächenraum und vier Kubikmeter Luftraum pro Kopf als Mindestmaß, so genügen fast 40 Prozent beziehungsweise 48 Prozent der Klassen nicht dieser Forderung. Obwohl die Schulärzte zum Teil schon auf eine langjährige Tätigkeit zurückblicken, besitzen wir doch von ihnen keine Untersuchungen über Frequenz, Boden- und Luftraum in den ihrer Überwachung unterliegenden Schulen, die diesen Tabellen des verdienten schlesischen Kreisarztes an die Seite zu stellen wären. Es bleibt der Zukunft, insbesondere der Tätigkeit städtischer Untersuchungsämter vorbehalten, uns durch methodische Lustuntersuchungen in alten und neuen Schulen, mit Fensterlüftung respektive Ventilation, im Sommer und Winter usw. endlich eine exakte Grundlage zu schaffen für die Beurteilung der Schulen und ihrer Ei». richtungen, für die Festsetzung der Maximalzahl von Kindern, die in einem gegebenen Raum stundenlang verbleiben dürfen, sowie der Häufigkeit und Länge der Pausen, für die Entscheidung der Frage des geteftlen oder ungeteilten Unterrichtes usw. Bezüglich der Ventilation, schreibt Burgerstein, könnte man in der Tat sehr viel erreichen, wenn die Unlerrichts» zeiteinheit um ein Dutzend Minuten verkürzt und dies« zur Fensterlüftung benutzt würden. Zu der nämlichen Forderung kommt man allmählich auch aus pädagogischen Gründen. Nach Chadwick, dessen Feststellungen auf langen, geduldigen Beobachtungen und auf Umfragen bei zahlreichen Lehrern beruhen, deren Aufmerksamkeit aus diese» Punkt gelenkt wurde, kann ein Kind von S bis 7 Jahren ausmerken zirka IS Minuten, 7 10->» 20. 10» 12-«> 2S. 12. 13.-- 30. Burger st ein ließ von 162 II bis 13 jährigen Knaben und Mädchen während einer Stunde viermal je 10 Minuten lang einfache Rechnungen ausführen; die Arbeitszeiten waren durch je b Minuten Pause unterbrochen. In der dritten Zehnminutenarbeitszeit, das heißt nach Verlauf von 30 Minuten war die Zunahme der Fehler am größten, die Fähigkeit, sich noch mit dem Gegenstand zu beschäftigen, beträchtlich herabgesunken. Höpfner fand bei einem Diktat innerhalb der ersten halben Stunde ein beständiges Fallen der Fehlerprozente von Satz zu Satz; dagegen waren die Fehlerprozent« der folgenden Sätze 3 bis 4 mal höher als die in der ersten halben Stunde konstatierten. „Die Frage der Lektionsdauer ist wie so vieles in der Unterrichtshygiene im engeren Sinne noch nicht exakt genug bearbeitet, um bestimmte Schlüsse im einzelnen ziehen zu können; es weisen aber die bisher betretenen verschieden« artigen Wege exakter Untersuchung nach einem Ziele; keinesfalls sollte die Länge einer Lektion mehr als drei Viertelstunden betragen, gefolgt von einer Biertelstunde Pause'(Burg er st ein).„Wenn eS nicht so unglaublich schwer wäre, sich von althergebrachten überlieferten Meinungen und Ansichten loszureißen, dann ließe sich der Versuch, die Unterrichtszeit für die zartere Jugend anstatt in tunden in halb- und viertelstündige Unterrichtszeiten mit großen Zwischenpausen einzuteilen, wohl einmal ausführen' (Zehender). Ein Ansang in dieser Richtung soll jetzt in Berlin gemacht werden: Tie städtische Schuldepulation hat beschloffen, die Pausen zwischen den Unterrichtsstunden zu vermehren und zu ändern. Es sollen in Zukunft vier Pausen von 10, 20, 10 und 20 Minuten, zusammen 60 Minuten,
Ausgabe
19 (16.3.1908) 6
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