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Die Werkstatt.*

Don Morris Rosenfeld  .

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Es faufen und brausen so wild die Maschinen, Es rauscht und schwirrt und surrt um mich her: Der Taumel verschlingt mich, mein Jch geht unter, Ich bin nur Maschine, Maschine, nichts mehr. Arbeit auf Arbeit, wer rechnet die Arbeit? Ich schaffe und schaffe und schaff ohne Zahl: Wofür? Und für wen? Jch weiß nicht, ich frag' nicht, Denkt denn auch eine Maschine einmal?... Tot jedes Gefühl, tot jeder Gedanke: Die blutig- grausame Arbeit erschlägt

Die Gleichheit

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mußten weil wir wußten, hinter dieser Stimme verbarg| Werkstätten ihre Heimat haben, hatten ihn selbst gestreift. fich ihre Tatkraft und ein grundflarer Quell von Bärtlich Sie hatten ihm vier junge, schöne Geschwister dahingerafft feit und Menschlichkeit. Es war Größe in dieser furcht- und seine Mutter zu Angsten und Tränen verdammit. losen und immer arbeitenden Mutter und ihrer unterschied So war Erman Löwen wachsam und mißtrauisch gegen losen Güte zu Mensch und Tier. Die harten Umrisse die Dinge geworden, und ein scharfes Denken und trauriges ihres Seins schienen einen Schutz für das Allerfeinste in Herz machten ihn zum Kämpfer des Proletariats. Aber seine Jugend trug eine Sehnsucht in fich dieser Frau zu bedeuten, einen Schutz der Welt und

ihrer Roheit gegenüber. Der Mutter Wesen war es, und als er Grete Bose sah und aus ihren Augen die das über Grete Bose und ihrer Schwester leuchtete und große, geduldige Kraft ihres Wesens begriff, da war es wärmte. Das war es auch, was Grete Bose früh ihm plöglich, als müsse die Welt schön werden. Ee erfennen ließ, daß viele arbeiten und schwer arbeiten jubelte wie Mut und Hoffnung aus den Worten, die er mußten, ohne mehr und anderes im Leben zu haben, als dem jungen Mädchen sagte. Und Grete Bose gab Erman Das Edeliste, Beste, das Reichste, das höchste, daheim und nähte und ſtickte und reihte Perle an Perle, das Notdürftigste. Grete Bose saß schon in frühen Jahren Löwens Jugend einziges und großes Glück.

Das Schönste, was Menschenherzen bewegt.

Es schwinden Sekunden, Minuten und Stunden, Und Tage und Nächte ziehn pfeilschnell hinweg: Jch treibe das Rad, als wollt' ich's erjagen,

Und jage drauf los, ohne Sinn, ohne Zweck. Die Uhr in der Werkstatt, die steht nicht stille,

Zeigt an und tickt und schlägt und weckt. Mir fagte einst einer die eigne Bedeutung.

Die in dem Ticken und Schlagen steckt.

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Saft traumhaft kommt mir ein seltsam Erinnern: Die Uhr weckt Geist und Lebensbegehr Und lehrt doch was?

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Jch hab' es vergessen, fragt nicht, ich bin nur Maschine, nichts mehr. Es tickt und schlägt, es kreisen die Zeiger.. Doch horch was klingt dorther von der Wand? Rege dich!" ruft der ruhlose Pendel, ,, Rascher, rascher rühre die Hand!"

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Es tam der Herbst, und Erman wurde frant, und bis die Augen selbst wie stechende Nadeln wurden und auf Gretes Liebe fiel der Tau der Angft. Nach monate die Mitternacht den Kopf so tief auf die Arbeit zwang, langem Harren und Mühen gelang es Erman Löwen, daß Tränen unter den schweren Lidern hervorstürzten. in eine Seilanstalt zu fommen. Grete litt tief und So reihte Grete Bose Perle an Berle. heimlich unter der Trennung. Und Erman ging allein Damals war Grete Bose erst fünfzehn Jahre alt. im Walde und dachte an Grete Bose und daß er sich der s Am Ende der Woche stand sie mit großen hilflosen so gesehnt hatte, einmal mit ihr in Wald und Natur Augen, hielt sechs Mark Wochenlohn in der flachen zu sein. Nun lebten fie fern voneinander und riefen mei Hand und dachte immer, nun müsse doch mehr kommen. einander nur Troft zu, so viel sie tonnten. Erman Aber es tam nicht mehr, und man schickte sie nach sehnte sich verzweifelt nach Leben und Gesundheit und Hause und sagte, sie sei noch ein Kind und solle fich schrie seine zitternde Sehnsucht in heißen Worten Grete Aus d freuen, schon soviel zu verdienen. Da stand nun Grete Bose zu. Dann wieder wollte er gewaltsam luftig sein, Ag Bose vor ihrer Mutter mit sechs Marf Wochenlohn für weil er alles Schwächliche und Weinende haßte, was alle Arbeit und für die zerstochenen Nerven und den nicht Trotz war, aber hinter seinem Scherz flang es oft geopferten Jugendschlaf. Sie konnte es nicht begreifen wie bitterliches Kinderschluchzen. und weinte vor Zorn, aber es war doch nicht anders, Endlich im Frühjahr fam Erman Löwen wieder aus und ihr blieb nur übrig, ein wenig lohnendere Arbeit der Heilanstalt zurüd. Es ging ihm beffer, und in Grete zu suchen. Als Fünfzehnjährige saß Grete dann an der Boses Seele war ein großes Hoffen lebendig und start. Notiz Nähmaschine, und die taube Helene mit ihren horchenden Erman Löwen ging ins Kontor wie früher und wurde und sprechenden Augen und den geschickten Fingern wurde wieder blaß und gebeugt, und verbarg, daß er oft husten Feui ihr bald eine Helferin beim Verdienen. Zwei junge Leben mußte. Grete saß an der Maschine und dachte und lebten für zwei rasselnde Nähmaschinen. Viele Jahre dachte, bis sie den Kopf in die weißen Stoffe preßte faß Grete Bose an der Nähmaschine, in Massen von und bitterlich schluchate. Erman Löwen aber dachte an weißen Stoffen und Spitzen. Die Mutter wurde älter, seine Geschwister und den Weg, den sie von dannen und die harte Arbeit rächte sich an ihrem Körper. Nun hatte sie endlich mehr Zeit, mit ihren Kindern zusammen zu sein, aber es war nur, um ihnen das Essen an die Maschine zu bringen und ihnen bei der Näherei zu zu helfen. Sie konnte ihnen keine andere Freude geben als die, welche sie durch sich selbst war. Sie wurde Es schreit von der Erde zum Himmel ihr Blut. schwächer und fränklicher, und Grete Bose sorgte sich um Ein Weilchen dann lautet die Glocke zum Sturme, ihre Mutter, und in Helenens Kinderaugen lag es wie eine

Die Zeiger gleichen zwei bösen Augen,

Die lauernd auf mich hinunterfehn,

Und jeder Schlag ist wie Meisters Schelten: Maschine," schreit es, du haft zu nähn!"

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Nur dann, wenn langfam verrauscht das Getümmel Und der Meister fort ist, zur Mittagszeit, Da kommt wieder Klarheit in meine Sinne, Jch fühl meine Wunden, es regt sich mein Leid, Und bittere Tränen und heiße Tränen Beneten mein mageres Mittagsbrot,- Es wargt mich, ich kann nicht mehr effen, ich kann nicht O schreckliche Arbeit! Entsetzliche Not! Es scheint mir die Werkstatt zur Mittagsstunde Ein Schlachtfeld, auf dem das Kämpfen ruht: Ringsum im Kreise, da liegen viel Tote,

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Die Toten erwachen, anhebt die Schlacht, Es kämpfen die Körper für Fremde, für Fremde, Und streiten und fallen und finken in Racht. Jch blick auf den Kampfplatz mit bitterem 3orne, Rit Schreck und mit Haß und mit höllischer Pein,

Die Uhr jetzt versteh' ich sie richtig- fie meckt mich: Genug schon der Knechtschaft! Ein Ende muß sein!" Sie weckt meine Sinne und reizt die Gedanken Und zeigt mir, wie eilends die Stunden entfliehn: Gin Elender bin ich, solange ich schweige, Verloren, solange ich bleib', was ich bin. Der Mensch, der in mir geschlafen, erwacht jetzt, Der Knecht, der in mir gewacht hat, schläft ein. Jetzt ist die richtige Stunde gekommen! nd Genug schon des Elends! Ein Ende muß sein!... Da plöglich ein Pfiff der Meister ein Lärmen Die Schlacht hebt an es mogt um mich her Der Caumel verschlingt mich- ich weiß nichts

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schert nichts-

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mich Ich bin nur Maschine, Maschine, nichts mehr.....

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erschrockene Frage.

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gegangen, er sah, wie die Schatten, die sie ergriffen hatten, immer näher auch zu ihm schlichen, und er begriff tiefer den Freibrief ihrer Macht, und daß sie auf der ganzen Welt das Lachen gemordet. Sie zwangen auch ihn, um seine Liebe zu zittern, und drohten, sein einzig Jugend lächeln unwahr zu machen. Sein fämpfender Sinn wurde unerbittlich, und er haßte so start, weil er so start lieben mußte. Das Bild der Vielen ftachelte seine Sehnsucht und rief seinem Leben das fühntrotzige Dennoch! zu. Und Wenn die Maschinen raffelten und die Finger die er zeigte Grete Bose, was er in seiner Sehnsucht erschaute Arbeit darunter meisterten, als hätten sie Jahrhunderte Das war ein Zug vorwärts Schreitender, der von fernher so getan, wenn draußen die Sonne schien und ein Vogel- brausend nahte. Verworrene Töne flangen ihm voraus, loden bis in die Großstadtstraßen drang: dann träumte aber immer stärker und deutlicher ward der Schritt un Grete Bose manchmal. Träumte von den Dingen, die gezählter Füße und die Losung, die ihnen vorausflog fie draußen wußte, die aber nie zu ihr gekommen waren. Die Erde erzitterte. Irgendwo hoch oben ein Singen und träumte auch von einem Jüngling, der einmal Mächtige Banner flatterten im Sturm. Niemand sieht fommen sollte, und den sie schön haben wollte und ernst mer sie trägt. Milliarden Wünsche haben eine heilige und fröhlich und stark. Stark vor allem. Vielleicht Sabgier, einen Willen geboren, und auch Ermans Willen würde er von den Dingen wissen, die ihr fremd und leuchtet darin. Im Traum erschien dieser Wille wesen Rätsel geblieben waren wie vor Jahren ihr erster haft wie die Freiheit eines Weibes, wie die Liebe farger Wochenlohn, und von den Wegen, auf denen eines Mannes- wie ein Gedanke jenseits von Hoh ihr Fuß unsicher war, weil niemand sie dahingeführt und Leiden- wie ein Kind und wie ein Riese. Di hatte und niemand mit ihr ging. Sie kannte nichts Erde bebt vor seinem Lächeln wie vor seinem Zor anderes als den Kampf um Arbeit und Lohn und Eines Kindes Lächeln! eines Riesen Zorn! Hat er den Trotz der Arbeit selbst, und alles, was hell und mächtige weiße Schwingen? Schleifen sie nicht durch Blu mutig und sicher in ihrer Seele war, schärfte und und Asche? Er führt das Schwert im Munde und Palmen ierprobte fich an solchen Dingen. Manchmal träumte in der Hand. Eine lange bange Zeitennacht hat er de Grete Bose so, und niemand konnte es wissen, denn ihre Blick nicht von der Erde gewandt, nun sieht er Tag Hand setzte unablässig das Rad in Bewegung, und ihre Nacht die unbekannte Höhe. Die Schatten haben in ihm Aus Leben und Liebe des Proletariats. Von Lu Märten  . Finger hielten den Stoff, und die Maschinen raffelten. ihren Todfeind gefunden. Der Wille ist! denn er muß Dazwischen gedachte sie, daß sie diesen und jenen gekannt, sein, und er wird sein! Irgendwo im Norden Berlins   war Grete Bose mit oder daß dieser und jener um fie geworben hatte. Aber Das wußte auch Grete Bose, daß die schlimmsten ihrer etwas jüngeren taubstummen Schwester aufgewachsen. Das dünfte ihr ein fernes wunderliches Ereignis, das nie Boten der Feindeswelt, gegen die sich die große heilige Den Vater hatte sie wenig gekannt. Er war fortgegangen, bis zu ihr selbst gedrungen war. Ihr war, als hätte Leidenschaft des Sozialismus erhob, die Schattenga nachdem er das mühsam Erworbene der Mutter verpraßt es bloß dem Schmuck ihrer Jugend gegolten oder sei auch ihres Lebensschiffes, ihr unabwendbares Schickja hatte, und blieb dann verschollen. Sein Andenken weckte feine Liebe. Aber Grete Bose hatte eine Mutter. Die gar nicht Wirklichkeit gewesen. Eines Tages ftand Grete Bose einer Lieferung wegen Erman Löwens freie Seele blickte empor und vo sah auf ihre beiden kleinen Mädchen und ging, den Kampf in dem Kontor, wo Erman Löwen eben eingetreten war. märts und sie schaute die lichten Welten, die in der ums Leben aufzunehmen. Und die Mutter dachte nicht Sie dachte, daß Erman schön sei und starke Augen habe- Schoße aufdämmern. Sie saugte aus den kommende daran, daß sie eine feine, zarte Gestalt hatte; sie scheute und Erman Löwen dachte, daß Grete Bose schön und fein Freuden die Stärke, ihren franken Körper der Zukun keine Arbeit und kam oft erst tief in der Nacht zu ihren aussehe, und daß ihre blauen Augen so zärtlich blickten und dem Kampfe der Vielen dienstbar zu machen. Rindern; die warteten allein oder waren bei Nachbarn und so troßig auch. lebte Erman sein Leben über dem Leben. eingeschlafen. Manchmal arbeitete die Mutter auch Tage Der Leiter des Geschäfts tam herein, und es lag in So war sein Leben mehr Kampf als Fröhlichkeit, und Nächte hindurch ohne Schlaf, sie kochte und arbeitete seinen Worten etwas Zudringliches gegen Grete Bose Grete Boses Leben auch. Aber in ihrem Leben war für Gesellschaften in reichen Häusern. Grete Boses Mutter und ihre Jugend. Ein dunkler, heißer Born flammte helles Licht und eine große Wärme. Sie hatten die Mütte fie von langer, schwerer Arbeit haben. Sie hatte einen Schritt vor seinen Stuhl, da aber hatte Grete Bose denen die Zärtlichkeit aller Sprache und der Klang erzene bekam allmählich lange ausgereckte Arme, wie Frauen über Erman Löwens Gesicht, er stand auf und trat einen Ihre Mütter! Solche, die wie Segen sind und neben feinen Kopf mit scharfen Konturen und großen blauen schon ein Wort für sich gefunden. Glocken nur Almojen scheinen, solche, von deren Lieb Augen, und in diesem Kopf schlummerte etwas Junges, Bon da ab sahen sich Grete Bose und Erman Löwen man nur stammeln fann. Jugendliches und Keusches. Auch ihre Stimme und Rede oft und erzählten einander. Es war, als hätten sich Aber Grete Boses Mutter wurde immer tränker, und war so: manchmal hart und grob, daß wir lächeln awei Schiffe auf grauem Meer begegnet, hüben und die Mutter Erman Löwens schlich wie verstummt unte Uebertragung aus dem Jüdischen von Bertold Feiwel, mit Zeich andern hinüberzufteigen. Denn auch Erman Löwen war frant und mußte ins Krankenhaus zu schwerer Operation Aus Lieder des Getto" von Morris Rosenfeld  . Autorisierte drüben war Last und Leid, und feiner hatte Furcht, zum Lasten der Angst einher, denn ihr anderes Kind ward aud nungen von E. M. Lilien. Vierte Auflage. Hermann Seemann ein Proletariertind, und hatte er gleich viel gelernt, so Das alles litt Grete Bose mit. ( Schluß folg Nachfolger, Berlin   NW 87. Ein eigenartiges, schönes Buch, das war er doch auch damit ein Wissender alles Leids ge in die Empfindungs- und Gedankenwelt des jüdischen Proletariats einführt. Es sei hiermit zur Anschaffung empfohlen, besonders auch worden, und die Schatten der Arbeit und der Not, die Berantwortlich für die Rebattion: Fr. Mara Betrin( Bundel), Wilhelmsho ben Arbeiterbibliotheken. in den dunklen Häusern und grauen Kontoren und üblen

Grete Bose.

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waren und das ihrer Zeit.

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Boft Degerloch bet Stuttgart  . Druck und Berlag von Baul Singer in Stuttgart  .