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Die Gleichheit

Aber das Proletariat wird immer nur einen Teil der Laien­richter stellen wie groß dieser Teil ist, das hängt ganz von der Willkür der Bureaukratie ab, und die wirklich flafsen bewußten Proletarier sind außerdem leider nur erst ein mehr oder minder großer Teil des Proletariats. So bleibt für den Einfluß der gelehrten Richter auf die Schöffen ein großer Raum. Die Jdee des Voltsgerichts geht aber gerade von der Erkennt nis aus, daß der gelehrte Richter fein geeignetes Instrument zur Entscheidung der Tatfrage und des Strafmaßes ist. Durch das ewige Einerlei des Gerichtsbetriebs muß er ja notwendig abgeſtumpft werden, muß er leicht dazu neigen, in jedem An­geflagten einen Schuldigen zu erblicken, da er so viele leugnende Schuldige gesehen hat. Ferner wird er der unmittelbaren, aus der Anschauung geschöpften Kenntnis des Lebens großer Bolts­freise entbehren, wird er viel mehr als der Volfsrichter geneigt sein, gewissen von den politischen Behörden versuchten Einwirkungen auf die Rechtsprechung nachzugeben. Obgleich ihm seine Unabhängigkeit angeblich durch die Bestimmung garantiert ist, daß er nur durch Richterspruch abgesetzt werden fann, bleibt er doch von diesen politischen Behörden in der Beförderung abhängig. Endlich tritt noch hinzu, daß der ge­lehrte Nichter durch die Aktenkenntnis, die er bei der Vor­bereitung des Verfahrens erwirbt der Vorsitzende bedarf ihrer schon, um den Prozeß sachgemäß leiten zu können, direkt in Versuchung geführt wird, fich bereits vor der Ver­handlung ein Urteil in der Sache zu bilden. Deshalb ist zu fordern, daß der gelehrte Richter die Verhandlung vorbereite und leite, daß er jedoch nicht urteile. Jm Schöffengericht aber wirft der gelehrte Richter nicht nur seine Stimme mit in die Wagschale, sondern es werden ihm auch noch obendrein die Boltsrichter direkt zur Beeinflussung ausgeliefert.

Selbst dieses Surrogat einer wirklichen Laienrechtsprechung wird aber nur dem Scheine nach gegeben, und außerdem nicht ohne einen kompensierenden Rückschritt. Die Berufungsinstanzen ( die Berufungsstraffammern, an die die Amtsgerichtssachen, und die Berufungssenate, an die die Straffammerfachen gehen) sollen reine Berufsrichterfollegien sein, in denen Laien nicht mitwirken. So hat die Staatsanwaltschaft allezeit die Mög lichkeit, durch die Berufung jede Strafsache vor Instanzen zu bringen, in welchen nur gelehrte Richter entscheiden. Die Be­rufung gegen Straffammerurteile, äußerlich die Erfüllung einer langjährigen Volksforderung, erweist sich so als ein wohl gelegter Hinterhalt der Reaktion. Schließlich aber soll für die Bagatellsachen", die übertretungen und einige leichte Ver­gehen, die Mitwirkung der Schöffen ganz beseitigt werden. Die Reform" überweist sie dem Amtsrichter allein zur Verhand­lung. Er soll Strafen bis zu 6 Wochen Haft und 200 Mr. Geldstrafe verhängen fönnen in Sachen, die oft genug keine Bagatellen sind, sondern einen politischen Hintergrund haben und die Klassenvorurteile des Richters reizen, wie Anklagen wegen unerlaubten öffentlichen Flugblattverbreitens, wegen Streit poftenstehens, wegen Vereinsgefeßübertretungen, wegen Boykotts ( grober Unfug!) und anderes mehr. Obgleich das Schöffen­gericht gewiß feine ideale Instanz bedeutet, so ist doch im Ver­gleich zu ihm die Einführung des Einzelrichters eine ganz er­hebliche, absolut unannehmbare Verminderung der Rechts­garantien.

Der oben angeführte Mangel des Schwurgerichts wird nicht beseitigt, dagegen wird seine Zuständigkeit eingeschränkt. Einige Fälle der Urkundenfälschung, des betrügerischen Banke­rotts, der Depotunterschlagung und gewiße Amtsverbrechen werden den Straffammern überwiesen. Keine Rede ist von einer Ausdehnung der Schwurgerichtskompetenz auf alle poli­tischen und Preßvergehen, die seit langem gefordert wurde.

Dafür gibt's einige Scheinreformen beim Vorverfahren be­ziehungsweise der Voruntersuchung und den Bestimmungen über die Untersuchungshaft. Jetzt hat weder der Beschuldigte noch sein Verteidiger ein Recht darauf zu erfahren, was im Borverfahren, in der Voruntersuchung gegen ihn zusammen­getragen worden ist. Er steht den Ermittlungen der Staats­anwaltschaft, des Untersuchungsrichters ganz hilflos gegenüber

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und erfährt meist erst kurz vor der Verhandlung, wessen er alles angeklagt wird, und kann daher seine Verteidigung und seine Gegenbeweise nur mangelhaft vorbereiten. Das soll nun anders werden. Beschuldigter und Verteidiger erhalten das Recht, bei den Zeugenvernehmungen im vorbereitenden Ver­fahren zugegen zu sein und Fragen zu stellen, der Verteidiger darf die Aften einsehen wenn der Untersuchungsrichter es nicht anders beliebt! Denn dieser Herr kann all diese neuen Rechte aufheben, wenn ihm das nötig erscheint, damit der Untersuchungszweck nicht gefährdet wird. Damit ist gerade für die schwierigsten und für den Beschuldigten gefährlichsten Fälle der alte Zustand wiederhergestellt und der Wert der Reform auf Null reduziert.

Ebenso steht es mit den Vorschriften über die Untersuchungs­haft. Der Kreis der Sachen wird etwas erweitert, die so ge­ringfügig find, daß Untersuchungshaft wegen des Verdachts, der Beschuldigte werde Zeugen zu beeinflussen suchen und Be­weisstücke verschwinden lassen, nicht verhängt werden darf. Ferner soll auch bei Verbrechen nicht ohne weiteres Fluchtver­dacht als vorliegend angenommen werden dürfen, sondern nur, wenn der Richter glaubt, die Strafe werde mehr als ein Jahr Gefängnis betragen. Richtern, die zur schablonenhaften Ver­hängung der Untersuchungshaft neigen, wird es keine großen Schwierigkeiten bereiten, an das Jahr Gefängnis als Strafe zu glauben, so daß keine erhebliche Besserung in der Lage der Beschuldigten zu erwarten ist. Das sind die wesentlichsten der Reformen", die die Entwürfe bringen. Sehen wir uns im nächsten Artikel die offenen Verschlechterungen an, die nicht in Scheinreformen eingewickelt sind.

Die Frau im 18. Jahrhundert.

II.

H. B.

Der Zahl nach macht der Feudaladel in Frankreich noch nicht ein Hundertstel der Nation aus, und die großen Damen dieser Klaffe, deren Neize die Briefe und Memoiren der Zeit aufbewahrt haben, bi'den einen verschwindend geringen Bruch­teil der weiblichen Gesamtbevölkerung. Hinter ihnen steht die Masse der Frauen der bürgerlichen Klasse: der Großbourgeoisie wie des Kleinbürgertums. In der Großbourgeoisie müht man sich, mit der verkommenden Aristokratie an Glanz der Lebens­führung zu wetteifern. In dem Salon des Finanzjuden Samuel Bernard , des Patriarchen des Geldes, drängen sich die Prinzen, Marschälle und Marquis als in einem der ihren, wie ganz natürlich, denn sogar ein Ludwig XIV. , der stolze Sonnenfönig, zieht vor dem sechzigfachen Millionär oder viel­mehr vor seinen Millionen den Hut. Nicht minder macht der Salon des Schotten John Law , des ganz modernen Geld­menschen und Erfinders großzügiger Finanzoperationen, von sich reden. Auch eheliche Verbindungen zwischen Geburts­aristokratie und Geldaristokratie gehen aus diesem Verkehr her­vor, denn wenn der geistreiche Nicolas Chamfort sagt: Das Bürgertum sucht eine närrische Ehre darin, seine Töchter als Dünger für die Ländereien der hohen Herrschaften herzugeben", so haben auf der anderen Seite die hohen Herrschaften diesen Dünger sehr nötig. In vielen solchen Ehen tritt allerdings die seelische Brutalität der Feudaljunker kraß zutage, denn wenn ein Mann von Geburt der Tochter eines Geldmannes die Hand gereicht hat, glaubt er sich durch dieses Opfer seines Namens von allem entbunden, was ein Gatte seiner Frau am Morgen nach der Hochzeit und sogar noch am Hochzeitsabend selbst schuldet, jedes Beweises der Liebe und sogar jedes Zeichens der Rücksicht".

In der äußeren Haltung ahmt die Frau der Großbourgeoisie sflavisch die Dame der feudalen Gesellschaft nach. Die Zeit, da die Bürgerfrauen und ihre Töchter sich mit den abgelegten Sachen der vornehmen Welt fleiden, ist vorüber; wer es irgend möglich machen kann, besonders die Gattinnen der Finanz­menschen und hohen Beamten, hält sich eine Kammerfrau, trägt Diamanten und wechselt wie die Herzoginnen dreimal am Tage