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Die Gleichheit

aus der sich das Heer der Prostituierten ergänzt, ist es, in die zündend zuerst ein Funte der großen Revolution hineinspringt. Diese Schicht, die immer im Dunkel geblieben, tritt mit einem Schlage an jenem 6. Oktober 1789 an das blendende Licht des öffentlichen Lebens, als, von eines jungen Mädchens Händen gerührt, eine Trommel durch die Straßen geht und sich Tau­sende von kleinbürgerlichen Frauen, Weibern der Markthallen und Arbeiterinnen der Vorstädte, von Verzweiflung und Hunger gespornt, unter dem Schrei nach Brot nach Versailles wälzen, um den König wie einen Gefangenen in die Hauptstadt, unter die Augen der Massen, zu führen. So seht gerade die ver­achterste Schicht der weiblichen Bevölkerung Frankreichs der Geschichte der Frau im 18. Jahrhundert ihren heldenhaftesten Afzent auf. Hermann Wendel .

Die Gewerbeaufsichtsbeamten in Sachsen über die Frauenarbeit in den Fabriken.

gh. In den Fabriken und diesen gleichgestellten Anlagen des Königreichs Sachsen waren am 1. Mai 1907 im ganzen 685 377 Arbeiter beschäftigt. Davon waren 231911 Arbeiterinnen, und zwar:

732 Mädchen unter 14 Jahren

22859 79490

=

von 14 bis 16

=

5

1621

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128830 Frauen über Leider ist im Königreich Sachsen die Gewerbeaufsicht so ungenügend, daß die Berichte der Gewerbeaufsichtsbeamten nur sehr wenig Material zur Würdigung der Frauenarbeit ents halten. In jeder der fünf Kreishauptmannschaften ist eine Gewerbeaufsichtsbeamtin tätig. Aber auch ihr Wirken ist offen­bar durch die sächsische Wirtschaft" sehr beengt.

Unter diesen Umständen ist es begreiflich, daß die Unter­nehmer in Sachsen herzlich wenig Rücksicht auf die Arbeiter­schutzbestimmungen nehmen. Die Behörden aber sind ihrerseits oft genug sehr entgegenkommend gegenüber den Wünschen der Unternehmer auf überarbeit der Arbeiterinnen. Der Berichterstatter über die Kreishauptmannschaft Bauzen zum Beispiel teilt mit, daß im Berichtsjahr 1528 Überstunden mehr als im Vorjahr für die Wochentage außer Sonnabend den Unternehmern bewilligt worden sind. Der Grund für die Überarbeit war durchgängig außergewöhnliche Häufung der Arbeit." Das ist alles, was der Beamte zur Rechtfertigung der bewilligten Überarbeit zu sagen hat. Der Herr versucht gar nicht erst den Nachweis dafür zu liefern, daß ohne die Über­arbeit außergewöhnlich großer und nicht von den Unternehmern etwa selbstverschuldeter Schaden hätte entstehen müssen.

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Auch die Fälle find häufig, in denen Arbeiterinnen zu ganz unpassenden Arbeiten gezwungen werden. Im Auf­fichtsbezirk Meißen wurden Arbeiterinnen beim Transport der Steine aus den Steinbrüchen nach den Elbfähnen und bei der Herstellung von Steinknack beschäftigt. Um das ge­setzliche Verbot einer solchen Beschäftigung der Arbeiterinnen zu umgehen, trat als Arbeitgeber jener Arbeiterinnen der- Steuermann des jeweilig vor Anker liegenden Kahnes auf, und die Herstellung des Steinknacks verlegten die Unternehmer auf die den Steinbrüchen benachbarten Grundstücke, wo die Ar­beiterinnen nunmehr angeblich für ihre eigene Rechnung als selbständige Unternehmerinnen arbeiteten. Auf diese Zuwider handlungen gegen die gefeßlichen Vorschriften mußte die Ge­werbeaufsichtsbehörde erst durch die beteiligte Gewerkschaft auf­merksam gemacht werden. Die Steinbruchbefizer bestanden aber darauf, daß sie sich diese Umgehung des gesetzlichen Ar­beiterschutzes erlauben dürfen, und ließen es zum Prozeß tommen. Sie wurden schon im Jahre 1906 vor der ersten Instanz verurteilt, brachten aber im letzten Jahre ihr Recht" vor die zweite und sogar dritte Instanz. Selbstverständlich mußten sie auch hier verurteilt werden.

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Nr. 2

Bezeichnend dafür, was eine gewisse Sorte von Unters nehmern sich gegen ihre" Arbeiterinnen herausnimmt, ist die Berechnung" in einer Schuhfabrik des Aufsichtsbezirks Wurzen. In dieser Fabrik zogen die Unternehmer, wie sie es in der Arbeitsordnung ausdrücklich bestimmt hatten, seit Anschluß der Nähmaschinen an die Dampfkraft den Steppe­rinnen 5 Prozent von dem verdienten Lohne ab. Die Ge­werbeaufsichtsbeamten zeigten die Unternehmer bei der Staats­anwaltschaft an, doch diese sah in dem Abzug nicht einen Ver­stoß gegen die Arbeiterschutzgesetze. Trotzdem wäre eine solche Ausbeutung der Arbeiterinnen unmöglich, wenn diese sich ihren Organisationen anschließen und sich mit gemeinsamen Kräften gegen solche Zumutungen wehren würden. Im Aufsichtsbezirk Döbeln wollte ein Wäschereibesitzer in die Arbeitsordnung die Bestimmung aufnehmen, daß er berechtigt sei, im Falle des Vertragsbruchs einer Arbeiterin einen Teil des verdienten Arbeitslohnes bis zu 5 Mt. einzubehalten. Der Unternehmer mußte aber von diesem Vorhaben Abstand nehmen, weil seine Arbeiterinnen sofort die Arbeit niederlegten.-

In einem Falle konnten die Gewerbeaufsichtsbeamten etwas Erfreuliches berichten: Der Betriebsleiter einer Gewürz­müllerei im Aufsichtsbezirk Dresden sieht darauf, daß die verheirateten Arbeiterinnen vier Wochen vor ihrer Nieder­funft die Arbeit einstellen. Für diese Zeit erhalten die Frauen den halben Lohn.

Zum Schlusse die Ausführungen der Gewerbeaufsichts­beamten über die Tätigkeit der sogenannten Vertrauens­damen. Jm Bericht über das Jahr 1905 teilte die Gewerbe­aufsichtsbehörde mit, daß die Firma Villeroy& Boch, die be tannte Steingutfabrit in Dresden , sich mit der Bitte an die Gewerbeaufsichtsbeamtin gewendet habe, eine geeignete Per­sönlichkeit für den Posten einer sogenannten Vertrauensdame" bei ihren Arbeiterinnen in Vorschlag zu bringen. Nachdem die Beamtin sich mit den Verhältnissen des großen Betriebs, in dem 600 Arbeiterinnen arbeiten, vertraut gemacht hatte, schlug sie für den Posten die Tochter eines ehemaligen Fabritdirektors vor und verständigte sich mit ihr über die Aufgaben einer " Vertrauensdame". Die Dame soll sich, wie jetzt der Berichts erstatter über die Kreishauptmannschaft Dresden versichert, bisher gut bewährt haben. Obwohl sie anfangs viel mit dem Mißtrauen der Arbeiterinnen zu kämpfen hatte, sei es ihr doch durch Geschick und unermüdlichen Eifer allmählich gelungen, sich mehr und mehr deren Vertrauen zu erwerben. Die Ver­trauensdame sei täglich während der Arbeitspausen in einem besonderen Zimmer der Fabrik für jede Arbeiterin zu sprechen und bereit, Rat in dienstlichen und häuslichen Angelegenheiten zu erteilen. An mehreren Abenden der Woche leite sie einen Koch- und Handarbeitsunterricht, und jetzt sei diesen Abenden noch ein geselliger Abend als Familienabend hinzugefügt. An den Familienabenden beschäftigten sich die Teilnehmerinnen mit Handarbeiten, während die Vertrauensdame vorliest, oder es wird gemeinschaftlich musiziert. Die erforderlichen Räume für die Veranstaltungen gewähre die Fabrit. Jm Berichts­jahr hätten 50 ledige Arbeiterinnen an den Familienabenden teilgenommen. Jedoch seien so viel Neuanmeldungen einge­gangen, daß vom Januar 1908 ab zwei derartige Abende ein gerichtet werden sollten. Im Sommer unternahm die Ver­trauensdame mit den Mädchen öfters Ausflüge, und im legten Winter habe sie auf Wunsch der Mädchen mit ihnen zweimal die Gemäldegalerie besucht. Während der Arbeitszeit be sichtige die Dame die Arbeitsräume, in denen Arbeiterinnen beschäftigt werden, um mit diesen immer in Fühlung zu bleiben. Auch bei dieser Gelegenheit nehme sie Wünsche und Anfragen aller Art entgegen, und soweit Erleichterungen in der Arbeit nach ihrem Dafürhalten im Interesse der Wohlfahrt erreichbar seien, berichte sie darüber dem Direktor der Fabrit. Die Firma unterstütze die Vertrauensdame in wohlwollendster und weitest­gehender Weise. Aus dem Aufsichtsbezirk Wurzen be­richtet die Gewerbeaufsichtsbeamtin: Eine größere Kamm­garnspinnerei stellte im Oktober 1906 eine Fabrik­pflegerin" ein. Die Dame führt die Aufsicht über die jugend­

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