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Die Gleichheit
grunde liegt. Das Wort Here stammt von Hag gleich Hain , Wald und bedeutet ursprünglich die weise, das heißt die weisfagende Frau, die im heiligen Hain wohnte. Der Glaube an Heren hat sich bei den germanischen Völkern nach ihrer Befehrung zum Christentum aus der Lehre vom Teufel entwickelt. Er gewann im Mittelalter einen gewaltigen Umfang. Jedoch begegnen wir dem Glauben an Heren und Zauberei zu allen Zeiten und bei allen Völfern. In den um 1300 vor Christus entstandenen indischen heiligen Gesetzbüchern der Weda, wohl der ältesten schriftlichen überlieferung, die wir haben, findet sich ein Verbot der Zauberei. Das Alte Testament ist voll von Erzählungen von Heren und bösen Geistern. Die bekannteste Here des Alten Testaments ist die Here von Endor, die von dem König Saul aufgesucht wurde, um ihm den Geist des Samuel erscheinen zu lassen. Das mosaische Gesetz will mit dem Tode sowohl die Zauberer bestraft wissen als auch diejenigen, die sich ihrer bedienen. Die Hinrichtung der Sünder erfolgte durch Steinigung. Straffrei blieben die Zaubereien im Namen Jehovas.
Auch bei einem Volf, das auf einer so hohen Stufe der Kultur stand, wie die Griechen, finden wir den Glauben an zauberische Mächte außerordentlich verbreitet. Durch Homer hören wir von der Zauberin Circe , die später als Königin aller Zauberinnen galt. Wen sie mit ihrem Zauberstab berührte, der wurde in irgend ein Tier verwandelt, aber durch ein gewisses Kraut fonnte der Zauber aufgehoben werden. überhaupt find Jlias und Odyssee reich an Erzählungen von Frauen, die im Besitz von Zauberkünften standen. Die schöne Helena, um deren Besitz der Kampf um Troja entbrannt war, verstand aus ägyptischen Kräutern einen Trank zu mischen, der das Herz gegen alle Schicksalschläge stählte. Die Sirenen Lockten durch ihren zauberischen Gesang die vorüberfahrenden Schiffer ans Ufer, um sie dann ins Verderben zu stürzen. Auch der Gürtel der Aphrodite, der der Trägerin unwiderstehlichen Liebreiz verlieh, gehört zu den Machtmitteln der Zauberinnen.
Eine andere griechische Sage:" Jason und der Argonauten zug" berichtet von der Zauberin Medea . Sie stammte aus dem Volke der Kolchier, die, wie alle Stammesfremden, von den Griechen als Barbaren bezeichnet wurden. Ihre Königstochter Medea entbrannte in heißer Liebe zu Jason , der nach Rolchis tam, um dort das Goldene Vlies, das sagenhafte Fell eines Widders zu rauben. Medea tötete all ihre Angehörigen aus Liebe zu Jason unter der Bedingung, daß er fie als seine Gattin mit nach Griechenland nehmen würde. Jason ließ sich durch die Schönheit und die Künfte der Bauberin betören und vermählte sich mit ihr. In der Heimat kam ihm jedoch der Gegensatz zwischen der Tochter des wilden Barbarenvolkes und der sanften Anmut und Bildung seiner Stammesgenoffinnen zum Bewußtsein. Ihm graute vor den Zauberkünften der Frau, die um ihn alles verraten und gemordet hatte, was ihr lieb war. Ein nützliches Werkzeug war fie ihm gewesen, dann warf er's weg, und niemand hob es auf", wie Grillparzer in dem gleichnamigen Tranerspiel seine Medea flagen läßt. Sein Herz wandte sich der schönen sanften Kröusa zu. Da fannte Medeas Haß und Zorn feine Grenzen mehr. Um ihre Nebenbuhlerin zu verderben, fertigte sie ein herrliches Gewand, in das sie all ihre Zauberkünfte hinein wob, und schickte es ihr. Als Kröusa das Gewand anlegte, verwandelte sich das Kleid in feurige Flammen, die sie verzehrten. Ihre beiden Kinder tötete Medea ebenfalls und fuhr dann zum Entsetzen des versammelten Griechenvolkes in einem mit Drachen bespannten Wagen durch die Lüfte davon.
In den griechischen Sagen find Geschichte und Dichtung so verschmolzen, daß man in den Erzählungen von Zauberei und Hererei mehr sehen muß als bloße Märchen. Der Glaube, die geistige Kultur der Vergangenheit spiegelt sich in ihnen wider. Wurden doch auch in Griechenland die Ärzte allgemein als Zauberer angesehen. Die Heilkunde galt nicht als Wissenschaft, sondern als Zauberei. Erst der berühmte Arzt Hippofrates erhob die Arzneifunde auf Grund des Studiums der menschlichen Natur zu einer allgemein zugänglichen Wissenschaft. Es ist nicht bekannt, daß in Griechenland die Zau
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berei strafbar war. Nur Plato beantragt in feinen Gesetzen, daß eine schwere Gefängnisstrafe für die trügerischen Gaukler angesetzt werden solle.
In Rom stand der Glaube an Zauberei ebenfalls in voller Blüte. Wie die Griechen, so ließen sich die Römer ihre Zukunft aus dem Zug der Vögel, durch Beschwörung von Geistern usw. weissagen. Es waren hauptsächlich die Chaldäer, Ägypter usw., die sich diesen Aberglauben zunuze machten. Wohl gab es aufgeklärte Geifter, wie Cicero , Tacitus und andere, die die Nichtigkeit solcher Künste durchschauten, aber Männer wie Sulla , Julius Cäsar , Vespasian standen ganz im Banne des Aberglaubens. Cicero berichtet von einem Redner, den sein Gedächtnis häufig im Stich ließ. Als er einst eine Angeklagte verteidigen sollte und sein Gedächtnis wieder versagte, behauptete er, daß seine Klientin dieses Unglück durch Zauberei über ihn gebracht habe.
Die Zaubermittel, die in Rom angewendet wurden, waren unzählig. Sie dienten nicht selten zu furchtbaren Verbrechen, aber es gab nichtsdestoweniger kein Gesetz, das die bestrafte, welche Bauberkünfte ausübten. Im Nachlaß des Kaisers Julian fand man Zaubergeräte, ferner auch den Leichnam eines an den Haaren aufgehängten Weibes, dessen Leib geöffnet worden. war, um aus der Leber den Erfolg eines Feldzugs zu bestimmen.*
Das Christentum räumte mit dem Glauben an Hererei und Zauberkünfte feineswegs auf. Im Gegenteil finden wir, daß mit seiner Entwicklung und Herrschaft der Glaube an Teufel und Dämonen üppig in die Halme schießt. Strafgesetze der Raiser und Warnungen der Kirchenväter erwiesen sich als ohn mächtig, dem erschreckenden überhandnehmen des Aberglaubens zu steuern. In einem der ältesten Gesetzbücher wird den Bischöfen zur Pflicht gemacht, insbesondere auf gewisse gottlose Weiber zu achten, welche, vom Teufel und Dämonen verblendet, sich einbilden und behaupten, daß sie zur Nachtzeit mit der heidnischen Göttin Diana, mit Herodias und anderen Weibern, auf gewissen Tieren reitend, große Länderstrecken durchfliegen und in bestimmten Nächten der Befehle ihrer Herrin gewärtig sein müssen. Dieses alles sei heidnischer Unsinn und werde vom bösen Geist nur ihrer Phantasie vorgegaufelt." Da gerade die Nachtfahrten in den späteren Herenprozessen eine große Rolle spielten, so ist es nicht wunderbar, daß die Inquifitoren und Herenrichter dieses Gesetz in jeder möglichen Weise zu beseitigen suchten, indem sie seine Echtheit leugneten.
Übrigens ist der Glaube an die Fahrten der Heren durch die Luft heidnischen Ursprungs. Ich erwähnte schon, daß Medea auf einem mit Drachen bespannten Wagen durch die Lüfte davonflog. Auch bei den alten Germanen hören wir von diesen Fahrten. Es sei an die Sage vom wilden Heer erinnert, das in gewissen Nächten unter Anführung der Frau Hotte oder Holde durch die Lüfte braust. Überhaupt glaubten auch die alten Germanen an Zauberei. Ihre Priesterinnen verstanden die Zukunft zu deuten; sie kannten die Kunst, Zaubertränke zu brauen und Heilmittel herzustellen. In der ältesten Nibelungensage spielt ein Ring eine Rolle, der den Träger unsichtbar machte, Drachenblut, das dem ganzen Körper Unverleßlichkeit verlieh, ein Trant, der Vergessen brachte. Die Königin Brunhild besaß einen Gürtel, der ihr fast unbesiegbare Kraft vermittelte. Das Hufeisen, das wir auch heute noch häufig an den Türschwellen befestigt sehen, sollte vor dem Huf des Pferdes schützen, auf dem der Donnergott Wodan durch die Luft dahinsauste.( Fortsetzung folgt.)
VII. Reichsfinanzreform.
Die den materiellen Interessen der besitzenden und herrschenden Klaffen dienende, die Arbeiterklasse schwer schädigende und den
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* Wir schöpfen hier und an anderen Stellen aus Soldan, Geschichte der Herenprozesse".