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Die Gleichheit
steuerertrags in folgender Weise geregelt: Die Gewerbesteuerpflichtigen der 3. und 4. Klasse zahlen zu den festgesetzten Terminen ihre Gewerbesteuer. Im April jedes Jahres wird sie ihnen aber ganz oder zum Teil wieder ausgezahlt. Das geschieht durch die Gemeindediener, die den einzelnen Steuerpflichtigen den auf sie entfallenden Betrag mit den Worten aushändigen: Das ist die Umsatzsteuer vom Konsumverein, auf die Sie An= spruch haben! Die Folge davon ist, daß in diesem Jahre in Langenbielau die Gastwirte zirka 50 bis 70 Mart Konsumvereinsgelder ausgehändigt erhielten, obgleich der Konsumverein alkoholische Getränke überhaupt nicht führt, den Gastwirten also auch keine Konkurrenz machen kann. Selbst der Schornsteinfeger, für den doch gewiß keine Konsumvereinsgefahr" besteht, erhielt 60 Mt. Nuznießer dieser ungeheuerlichen Steuer sind auch eine Anzahl Fabrikanten. Alle diese Herren stecken schmunzelnd das Geld armer Weber in ihre Tasche, nur einem einzigen Empfänger brannte in diesem Frühjahr das Geld in der Hand. Er war taktvoll genug, es dem Verein sofort wieder zurückzuerstatten. Als sich der Langenbielauer Gemeinderat lehthin mit der Verteilung der Umsatzsteuer beschäftigte, beantragte der Obermeister der Schuhmacherinnung, mit dem Gelde des Konsumvereins die Straßen und Bachufer auszubessern. Am 22. Juli beschloß dann der Gemeinderat, mit den Erträgnissen der Umsatzsteuer die Beiträge der Handwerker zur Handwerkskammer zu bezahlen! Derartiger Steuerwiderfinn steht unter aller Kritik.
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In Hessen tritt die Zentrumspartei ganz offen für scharfe Besteuerung der Arbeiterkonsumvereine ein. In einem Wahlauf ruf für die Landtagswahl verlangt es eine energische Besteuerung der Warenhäuser, der Konsumvereine mit offenen Verkaufsläden und der Filialgeschäfte nichthessischer Firmen, Berücksichtigung des hessischen Gewerbes bei Vergebung staatlicher Arbeiten und Liefe rungen und Ausdehnung der staatlichen Fürsorge auf den Bauernund Winzerstand. Also weitgehende staatliche Förderung des Kleingewerbes und der Landwirtschaft und gleichzeitig staatliche Bedrückung der Konsumvereine, und wieder nur der städtischen Konsumvereine. Das ist rücksichtsloseste Agrarier und Kleinbürgerpolitik, die ihre Spitze gegen die Arbeiter kehrt. Das sollten sich auch die Arbeiterfrauen merken, welche die Vorteile der Konsumgenossenschaft wohltuend empfinden.
Der Konsumverein Leipzig - Plagwiß, der größte Sachsens und des Zentralverbandes, erzielte im Jahre 1907/08 einen Umsatz von 16 664 590 Mt., über 2 Millionen mehr als im Vorjahr. Der Durchschnittsumsatz pro Mitglied stieg von 384 auf 411 Mt. Der Verein hatte 40 508 Mitglieder. Er beabsichtigt, auch die letzte im Stadtgebiet domizilierende Genossenschaft, den Konsumverein L.- Eutrißsch, in sich aufzunehmen. Die Genossenschaft erzielte im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Reingewinn von 1514 030,23 Mt. gegen 1375 342,85 Mt. im Vorjahr. An Dividende beabsichtigt die Verwaltung wie bisher 10 Prozent zu verteilen. Die Bäckerei und die Fleischerei haben ihre Produktion ganz bedeutend steigern müssen, um die Bedürfnisse der Mitglieder zu befriedigen. Das Gesamtpersonal, das Ende vorigen Jahres 993 Köpfe zählte, ist auf 1093 gestiegen. An Gehältern und Löhnen sind 1076 390,18 Mt. gezahlt worden.
Die Vereinigung der Berliner Konsumvereine ist nun zur Tatsache geworden. Eine Urabstimmung durch Stimmzettel hat eine übergroße Mehrheit für die Verschmelzung ergeben. Hoffentlich geht es nun in Berlin , das bisher in der Konsumvereinsbewegung noch sehr rückständig war, etwas schneller vorwärts.
An der Friedensdemonstration englischer Arbeitervertreter, die vor einiger Zeit in Berlin stattfand, waren unter anderen auch die englischen Genossenschaften vertreten. Der Generalsekretär des Genossenschaftsbundes hatte in dieser Eigenschaft die Adresse mit unterschrieben, und der Präsident des englischen Genossenschaftstags hat in Berlin vom Standpunkt des Genossenschafters aus eine beachtenswerte Rede für den Weltfrieden gehalten. Das österreichische Konsumvereinsorgan bemerkt dazu: " Dieser ganze Vorgang zeigt, daß die britischen Genossenschafter nicht ängstlich an der absoluten Neutralitätstheorie festhalten, was manche bürgerliche Fanatiker, die sich die Genossenschaftsbewegung nur unpolitisch" und sozial geschlechtslos vorstellen können, höchst unangenehm berühren dürfte." Auch noch andere Leute innerhalb der deutschen Konsumvereinsbewegung dürfte der Vorgang unangenehm berührt haben.
Vierundzwanzig österreichische Genossenschafter haben vor einiger Zeit unter Führung des Genossen Dr. Rarpeles eine Reise nach England zur Besichtigung der dortigen Genossenschaftseinrichtungen unternommen. In heller Begeisterung über das Gesehene sind die Genossen in ihre Heimat zurückgetehrt. Sie
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haben sich vorgenommen, die Reiseeindrücke praktisch zu verwerten. Bemerkenswert ist eine Rede, die der Vertreter des Oberbürger meisters von Glasgow an die österreichischen Genossen hielt, als er sie im Rathause( im Rathause!) empfing. Er meinte: Kein Gedanke durchdringe das Volt so tief wie der genossenschaftliche Gedanke, und nichts sei von wohltätigeren Folgen für die allge meine Wohlfahrt begleitet als die genossenschaftliche Praxis. Er sei seit langem ein überzeugter Anhänger und Mitarbeiter der Kooperativbewegung und könne bei beharrlicher Geduld und furchtlofem Ausharren im Kampfe wider die verschiedenen Gegner glän zende Erfolge prophezeien." Wie weit steht England doch hinter Deutschland zurück!
Der Zentralverband finnischer Konsumvereine zählte am Ende des Jahres 1907 80 Konsumvereine als Mitglieder. An Umsägen mit diesen Vereinen erzielte der Verband 7 107 886 Mt., das ist gegen 1906 eine Vermehrung um 120 Prozent. Das Kapital des Zentralverbandes, das am Schlusse des ersten Geschäftsjahrs 78 520 Mt. betrug, ist in zwei Jahren auf 459 040 Mt. angewachsen. Das vom Zentralverband herausgegebene Genossenschaftsblatt Yhteishyvä" wird von 176 Konsumvereinen in einer Gesamtauflage von 4186 Exemplaren bezogen.
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In den letzten Tagen des August fand im Haag eine Ron. ferenz des Internationalen Genossenschaftsbundes statt. Dort wurde über die vom Bundeskongreß in Cremona be schlossene Statutenänderung, ferner über internationalen Großeinkauf und anderes beraten. Die Verhandlungen hatten keinen abschließenden Charakter. H. Fl.
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Notizenteil. Dienstbotenfrage.
Die angebliche Harmonie der Interessen zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern will der Evangelische Frauenbund in Hamburg zusammen mit dem dortigen Hausfrauenbund pflegen. Zu diesem Zwecke bemühen sich die Damen, die Dienstmädchen mitsamt ihren Müttern in einer Dienstbotenvereinigung zu organi fieren. Daß auch die Mütter in die Organisation aufgenommen werden, soll so heißt es sowohl den Mädchen wie den Dienst gebern zum Nutzen gereichen. In Wirklichkeit aber ist es den Herrschaften darum zu tun, Mädchen und Mütter dem„ religionsfeindlichen, verheßenden" Einfluß der Sozialdemokratie zu ent ziehen. Man weiß, was darunter zu verstehen ist. Mütter und Töchter sollen in einer Gesinnung der Gedankenlosigkeit und Unters würfigkeit erhalten werden, welche die Dienstmädchen zu geduldigen Objekten der herrschaftlichen Launen und Ausbeutung macht. Für diesen„ guten" Zweck zahlen die Mütter pro Jahr mindestens 1 Mt. Beitrag an den Hausfrauenbund. In den Stellennachweisen des letzteren werden die Mädchen an die herrschaftlichen Mitglieder unter Bedingungen vermietet, die uns nichts weniger als vorteilhaft erscheinen. Ein Arbeitsvertrag, den der Hausfrauenbund heraus gegeben hat, will beileibe nicht etwa die Gesindeordnung gegen standslos machen, er verschlechtert sie vielmehr noch durch die Jeft legung der monatlichen respektive vierteljährlichen Bezahlung und vierwöchentlichen oder sechswöchentlichen Kündigung. Die Herr schaft soll nach ihm nicht nur für das leibliche Wohl der Dienen den sorgen, sondern auch ihrem Geiste Erquickung bieten durch fleißigen Kirchenbesuch. Ein Beispiel dafür, wie den Mädchen geistige Erquicfung" geboten wird, ist der folgende Fall: Zwei Mädchen waren bei einer sehr frommen Herrschaft in Stellung. Nach dem sie die ganze Woche täglich 18 Stunden streng gearbeitet hatten und angetrieben worden waren, mußten sie auch Sonntags von 6 Uhr morgens an schaffen. Es wurde ihnen kaum Zeit zum Ankleiden für den Kirchenbesuch gelassen, ohne Kaffee und Frühstück mußten sie den Weg zur Kirche antreten. Vor Schwäche und Abspannung fielen dort beide in Ohnmacht. Eine der beiden ging, nachdem sie sich etwas erholt hatte, zu ihrer in der Nähe wohnenden Mutter und frühstückte dort, um sich soweit zu fräftigen, daß sie zu der Herrschaft zurückkehren und die inzwischen angehäufte Sonntags. arbeit verrichten konnte. Der Fall zeigt den Dienenden, daß ihr Platz in dem Verem der Dienstmädchen, Wasch- und Scheuerfrauen ist, nicht aber in der bürgerlichen Organisation, die auch Herr schaften aufnimmt und deshalb die Interessen der Mädchen nicht vertreten fann. Berta Mangels.
Der Verein der Dienstmädchen, Wasch- und Scheuerfrauen von Hamburg und Umgegend hielt am 8. Oktober eine Whitgliederversammlung im Gewerkschaftshaus ab. Die Kassiererin, Genossin Kuhlmann, erstattete den Kassenbericht, nach dem die Einnahmen 3772,67 Wt. betrugen, die Ausgaben 2107,70 Mt. und