Nr. 3

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Die Gleichheit

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2. Die Art der Entlohnung ist für beide Teile, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, wirtschaftlich unrationell. Die Arbeitskraft der Haus­arbeiterin wird nicht nach irgendwelchem Maßstab gleichmäßig und

gerecht eingeschätzt. Ein Mädchen, das in mancher äußerlichen Hinsicht vor anderen hervorsteht, ein gewandtes, fügfames Be tragen hat, erhält zum Beispiel oft für geringe Dienstleistungen bei viel freier Zeit höheren Lohn als eine unablässig aufs eifrigſte und tüchtigste arbeitende derbere und äußerlich ungeschickte Dienende. Diese Ungerechtigkeit würde zum größten Teil beseitigt durch den Vorschlag der Genoffin Uhl, daß die Mädchen, ähnlich den Aushilfen", den Wasch- und Reinmachefrauen, ihre Arbeits­traft für ganze oder halbe Tage, ja auch für Einzelstunden ver­tauften. Aber auch die Dienstherrschaften" sind bei den jetzigen Verhältnissen wirtschaftlich ungünstig daran. Ein eigenes Mädchen zu halten ist für den Mittelstand ein Lurus geworden. In einer Berliner   Bürgerfamilie, wo man reichlich und träftig ißt und das Mädchen die gleiche Kost wie die Angehörigen erhält, wo ihm ein heizbares, einfach aber freundlich ausgestattetes Zimmer und auch der größere Teil der Kleidung gewährt wird- Bedingungen, wie sie doch bei nicht ganz rücksichtslosen Hausfrauen üblich sind-, wird das Wirtschaftsbudget durch das Halten eines Dienstboten mit mindestens 800 mt. pro Jahr belastet. Das bedeutet je nach der Einnahme des Hausherrn, sagen wir eines mittleren Beamten mit Jahresgehalt von 4000 bis 6000 Mt., etwa 13 bis 20 Prozent. Handelt es sich dabei um eine zahlreiche Familie, so wird ent­weder die Hausfrau selbst noch tüchtig mitarbeiten oder aber andere Dienstkräfte für bestimmte Arbeiten einstellen müssen.

maßgebend dafür. Die Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit gegen den Genossenschaftsgedanken, die große Konkurrenz der Waren­häuser, die Rabattsparvereine, die vielen Kleinkrämer, das alles sind Hindernisse, gegen die die Konsumvereinsbewegung auch in anderen Orten anzufämpfen hat und die, wenn sie auch ge­rade in Berlin   besonders hemmend auftreten, doch bei kräftiger Agitation überwunden werden können. Das aber um so leichter, je mehr die Tagespresse der Arbeiterschaft in ihren Spalten auch der Genossenschaftsbewegung Raum gönnt und ihre Werbe­arbeit unterstützt. Was der Konsumgenossenschaftsbewegung in Berlin   am meisten den Erfolg streitig macht, das ist der Welt­stadtmarkt, auf den Waren jeder Art geworfen werden, von den besten und feinsten bis herab zum schlechtesten Schund, vom Teuersten bis zum Billigsten. Dadurch ist es mitunter schwer, daß der Konsumverein dem berechtigten Verlangen der Mitglieder nachkommt, seine Waren billig und gut" zu ver taufen. Lockartikel und Schleuderwaren darf der Konsumverein nicht führen, und wenn die Arbeiter nicht ihrer eigenen Kon sumentenmoral ins Gesicht schlagen wollen, so müssen die Genossenschafter dem Verein auch vorschreiben, sein Augen mert beim Einkauf von Waren auf Art und Ort ihrer Her­stellung zu richten, kurz, seinen Einfluß für Arbeitsbedingungen aufzubieten, die den Forderungen der organisierten Arbeiter entsprechen. Je größer und damit leistungsfähiger der Verein ist, um so eher fann er den hervorgehobenen Ansprüchen ge nügen. Deshalb hoffen wir auch, daß die vereinte Konsumenten organisation eine recht erfolgreiche Werbekraft entfalten wird. Unser aller Pflicht ist es, sie bei ihrer Agitation zu fördern. Wir müssen die Arbeiterschaft Berlins   für den Genossen­schaftsgedanken empfänglich machen, damit sie abläßt von den Warenhäusern und Kleingeschäften, deren Inhaber doch Feinde des Proletariats sind. Die preußischen Landtagswahlen haben dank der öffentlichen Stimmabgabe gezeigt, daß die Arbeiter ihre Freunde nicht unter den großen Handelsherren und nicht unter den Kleinfrämern zu suchen haben, sondern daß sie auf sich selbst angewiesen sind, wenn sie für ihre eigenen Interessen tämpfen. Das sollten vor allem die Frauen erkennen. Diese möchte ich zur Förderung der Genossenschaftsbewegung auf den Plan rufen. Auf sie, der Familien Finanzminister, kommt es an, daß der Verdienst der Angehörigen nicht Feinden der Arbeiter­klasse hingetragen wird, sondern daß die proletarische Familie nicht nebenbei die Gedanken in Küche und Keller, beim Rein­

ihren Bedarf nur im eigenen Geschäft der vereinigten Konsu­menten deckt. Das aber zum Wohle der einzelnen und zur Stär­fung der gesamten Arbeiterklasse. Gertrud Lodahl  - Berlin  .

Zur Dienstbotenfrage.

Die in dem Artikel der Gleichheit" Nr. 13 S. 117 f. des vorigen Jahrgangs behandelten Fragen verdienen die weiteste Beachtung und sorgsamste Prüfung. Das aber nicht nur seitens der als Dienst­boten Arbeit Euchenden, sondern ebensosehr in den Kreisen der Hausfrauen, die auf die Hilfe von Dienstboten angewiesen sind. Bu fast genau den gleichen Ergebnissen wie Genofsin Uhl bin auch ich gekommen, da ich mich bei Kenntnisnahme der Berliner   Ein­füchenhaus"-Bestrebungen vor die Frage gestellt sah: Was kann geschehen, um in dieser Übergangszeit zur möglichst baldigen Herbei­führung besserer Zustände für beide Teile, Arbeitgeber und Arbeit­nehmer, beizutragen?

Um Mißverständnissen vorzubeugen, bemerke ich, daß ich persön lich mit den weiblichen Dienstboten, die nacheinander in einer Reihe von Jahren in meinem Hause beschäftigt wurden, die besten Erfahrungen gemacht habe. Von der Dienstbotennot", über welche so viele Hausfrauen klagen, bin ich selbst also nie berührt worden. Dennoch wünsche ich aufs dringendste und sehe es als ganz sicher schon für eine nahe Zukunft voraus, daß die Verhältnisse der weiblichen häuslichen Dienstboten zum Wohle für beide Teile sich völlig ändern. Und zwar aus folgenden drei Gründen:

1. Die Stellung der Dienenden ist in vielen Fällen die einer Haussflavin, die bei unbeschränkter Arbeitszeit, ohne jede persön­liche Freiheit, bedingungslos den Launen ihrer oft völlig uner­zogenen und hauswirtschaftlich ungeschulten Herrin preisgegeben ist. Das wurde ja schon so oft mit Recht hervorgehoben und auch in dem Artikel der Gleichheit" Nr. 13 ausführlich dargetan.

3. Die Pflichten der Hausfrau werden zahlreicher und mannig faltiger und follidieren miteinander. In dem erwähnten Artikel werden besonders in dieser Hinsicht die Frauen des Mittelstandes genannt, die beruflich tätig sind. Aber neben diese möchte ich zwei andere Kategorien von Bürgerfrauen stellen, die ebensowenig Zeit und Kraft haben für ihre Pflichten als Hausfrau. Das sind zunächst jene Glücklichen, die mit einer größeren Kinderschar ge­segnet sind. Die törperliche und geistige Erziehung der Kinder selbst zu leiten und bis ins einzelnfte zu überwachen, hat die Mutter zu allen Zeiten als ihre heiligste Pflicht angesehen und wird und soll gabung dafür hat. Ferner gibt es, dank einer weitergehenden Gr es auch in Zukunft tun, soviel sie irgend Zeit, Kraft und Be ziehung der Geistesgaben unserer Töchter, jetzt auch eine große Zahl von Frauen, die befähigt und gewillt sind, dem Gatten eine treue Genossin in seinen mannigfaltigen Berufsarbeiten zu sein. Alle diese Pflichten erfordern aber eine Gattin und Mutter, die ihre ganze Aufmerksamkeit für diese ihre wichtigste Arbeit braucht und

machen, Kochen, Waschen und Plätten herumwandern lassen muß. So würden gleich mir eine große Anzahl von bürgerlichen Frauen es als eine wesentliche Erleichterung empfinden, wenn das ,, E in­füchenhaus" ihnen die sämtlichen Hausfrauen- und damit auch die Dienstbotensorgen abnähme.

Werden nun die drei Einküchenhäuser" Berlins  , über die seit einiger Zeit reflameartige Artikel in der bürgerlichen Presse er­schienen sind, und die auch der Gleichheit"-Artikel erwähnt, dieſem in so vielen Kreisen vorhandenen Bedürfnis abhelfen? Sehen wir zu! Es sollen zurzeit drei Häuser desselben Unternehmers im Bau sein. Die Pläne und Broschüren, die ich einsehen konnte, beziehen sich einstweilen nur auf das nahe dem Ließensee in Charlottenburg   ge= legene Haus, das am 1. Oktober d. J. bezogen werden fonnte. Ein zweites in Schlachtensee wird im Landhausstil erbaut und sich er­heblich teurer stellen; ein drittes in Wilmersdorf   wird, wie man mir sagte, etwas billiger werden, auch weniger an Bequemlichkeit und Beköstigung bieten.

Die Einzelwohnungen des Einküchenhauses am Liezensee bestehen. aus zwei bis fünf Zimmern, haben Zentralheizung, Warmwasser­versorgung, Personenaufzug, Bad und einen kleinen Raum, in dem zu beliebiger Benutzung ein Gastocher aufgestellt werden kann; ebenda befindet sich auch der Aufzug für die Speisen, sowie ein Haustelephon, durch welches man sich mit der Zentralfüche in Be­ziehung setzen kann. Der Preis der Wohnungen ist kaum nach der Lage oder Höhe verschieden, weil Personenaufzug vorhanden ist; er beträgt für das Zimmer 400 Mt. im Jahre. Nehmen wir zur Feststellung der Kosten bespielsweise eine Fami.ie von vier Per­sonen( Eltern und zwei größere Schultinder, die schon die volle Beföstigung brauchen) an. Da die Zimmer nur gerade mittelgroß sind und absolut kein Nebengelaß für Regale, Schränke usw. vor­handen ist, würden vier Personen faum weniger als fünf Zimmer brauchen, macht im Jahre 2000 Mt. Miete inklusive Heizung. Die volle Belöstigung( über deren Qualität und Quantität natürlich einstweilen nichts gesagt werden kann) fostet im Monat für jede