40Die GleichheitNr. 3Person 75 Mk., für die genannte Familie also 300 Mk., das ist jähr-lich 3600 Mk. Dazu werden nicht unbeträchtliche Nebenausgabenkommen: auch bei beschränktem geselligem Verkehr ist doch sür jedeMahlzeit, die ein Gast einnimmt, ein Extra zu bezahlen, es wirdauch für Obst, Getränke und ähnliches noch je nach den Bedürf-nissen der einzelnen Familienmitglieder manches zu entrichten sein.Dazu kommt die gesamte Wäsche, die nun zur Waschanstalt gegebenwerden muß, während in den früheren Verhältnissen oft Kleinigkeiten,wie Strümpfe, Taschentücher und anderes, die sich in den Waschzettelnzu ziemlichen Summen zusammenaddieren, im Hause gewaschen wur-den. Ganz ohne Bedienung wird aber auch im Einküchenhause dieHausfrau nur in seltenen Fällen auskommen, wenn auch die Reinigungder Wohnung nun weniger Zeit und Geld erfordert als früher.Immerhin hat sich mir bei Aufstellung der Ausgaben mehrererHaushaltungen des mittleren Bürgerstandes das Folgende ergeben:Bei gleicher Lebenshaltung stellt sich die Wirtschaftsführung, dasheißt die Ausgaben für Wohnung, Heizung, Beköstigung, Wäscheund Bedienung, im Einküchenhaus gegenüber der bisher ÜblichenArt des Wohnens und Wirtschaftens mit Hilfe eines Dienstbotenum etwa 1ö Prozent teurer. Ich fürchte, der so sehr wünschens-und dankenswerte Versuch des Einküchenhauses wird daranscheitern, daß gerade die Bevölkerungsschichten, sür welche dieNeuerung nötig ist, sie wegen des zu hohen Preises nicht aus-»utzen können. Jene Leute aber, die 400 Mk. Miete für das Zimmerund die S00 Mi. für die Beköstigung jeder Person im Jahreausgeben können, wünschen wohl kaum, ohne ihr Dienstmädchenzu wirtschaften, und brauchen die persönlichen Dienstleistungenfür hundert Nichtigkeiten an jedem Tage. Wenn sie es vielleichtauch fürs erste mit dem Wohnen im Einküchenhaus versuchenwerden, so folgen sie damit wohl nur dem Verlangen, diese.Mode" mitzumachen, wie sie auch andere gute Bestrebungenals.Mode" aufzugreifen beliebt haben, indem sie«ine Zeitlangdie korsettlose Resormtracht bevorzugten, oder indem sie Anti-alkoholiler wurden und vieles andere. Ist der Reiz der Neuheitgeschwunden, so kehren sie wieder in die früheren Verhältnissezurück. Ob endlich die Erbauer dieser Berliner Einküchenhäusermit ihrem Unternehmen wirklich einem Bedürfnis abheilen wollen,oder ob sie damit nur eine neue Art von Häuser- und Wohnungs-spekulation beabsichtigen, entzieht sich meinem Urteil. Ist das letzlereder Fall, so muß man annehmen, daß es sich leicht um eine Aus-beulung sowohl der Mieter als auch des Dienstpersonals handelndürfte, und es würde somit fraglich sein, ob die Interessen derDienenden in derartigen Stellungen gefördert würden.Nein, das Einküchenhaus, das wir ersehnen und erstreben wollen,soll in vielen Punkten anders aussehen als das Haus am Lietzen-see. Es gehört auch nicht nach Berlin W oder Berlin WW, denndadurch sind schon zu hohe Mietpreise bedingt. In alle Stadt-teile Berlins gehört es, und mehr noch in dessen Vororte, aber nichtnach Schlachtensee oder Grunewald, fondern in dir Gemeinden, worücksichtlich der Boden-, Miel- und Lebensmittelpreise der Mittel-stand, der Beamtensland wohnen kann. Denn zunächst kommt dasEinküchenhaus nur sür diesen in Betracht, wenn es eine ähnlicheGestalt erhält, wie die geplanten Unternehmen es versprechen, undwenn es somit zur Lösung oder doch Besserung der Dienstbolenfragebeitragen soll. Vor allem aber müssen die, welche solche Anlagenmachen, sich der sozialen Wichtigkeit des Beginnens bewußt sein;Genossenschaften, Wohnungsvereine und vor allem Gemeindensollten Einküchenhäuser erbauen und leiten. Denn eine einivand»freie Leitung ist nötig, ganz besonders im Interesse der dort de-schäftigten häuslichen Arbeiterinnen.Werden Einküchenhäuser in dem angedeuteten Sinne mit Berück-sichligung der sozialen Verhältnisse errichtet, so eröffnen sich mancheAusblicke. Wir sehen einen Komplex von Wohnungen, die neben dengemeinsamen Wirlschastsräumen auch einen Spielplatz und Turnsaalfür die Jugend haben, mit einer geschulten und umsichtigen Kinder-Pflegerin darin; wir sehen ein einwandfreies Krankenzimmer mit derHauspflegerin, so daß die leichteren Fälle von ansteckenden Krank-heilen im Hause selbst behandelt werden können ohne Gefahr sürdie anderen Familienmitglieder; ja wir erhoffen noch so manches,je nach den Bedürfnissen der einzelnen Orte verschiedenes. Daßalle diese Häuser gut geschultes Dienstpersonal brauchen, ist selbst-verständlich; die noch so seltenen Gelegenheiten, sich für den Berufder hausivirtschaftlichen Arbeit fachlich zu schulen, werden entstehen,sobald erst die Nachirage nach geschulten Kräften da ist. Ebensowerden sich die Arbeitsbedingungen, die Lohnverhältniffe usw.regeln, die Einküchenhäuser werden sich zu hauswirlschaftlichenBetrieben ausgestalten, ähnlich anderen Betrieben. Der Widerwille,der jetzt begreiflicherweise bei den jungen Mädchen gegen dasDienen herrscht, wird schwinden.Es fragt sich nun: Gibt eS bereits in Deutschland Bestrebungen,die bewußt auf die Zentralisation der Hauswirtschaft hinwirkenund somit dieser Lösung der Dienstbotensrage vorarbeiten? Wound welcher Art sind sie? Und was für ähnliche Bestrebungenfinden sich in anderen Ländern? Gibt es nicht etwa schon in denVereinigten Staaten Einküchenhäuser, die den Wünschen der Be-amtenschaft, des intellektuellen Mittelstandes und ebenso denWünschen der Dienenden entsprechen? Von den im Entstehen be-grifienen Berliner Häusern können wir eine wesentliche Förderungdieser Interessen kaum erwarten, wollen aber hoffen, daß sie sichvielleicht noch in der Richtung entwickeln und eine Vorstufe für dieerhofften Bestrebungen bilden.Seit kurzer Zeit gibt es in Charlottenburg ein„Ledigen-heim" lDanckelmannstraße 48/49), das auch i» der Arbeilerpresserühmend erwähnt wird. Es sucht dem Schlasstellenunwesen ent-gegenzuarbeilen, indem es für geringes Entgell dem unverheiratetenArbeiter ein bescheidenes, aber sauberes und gesundes Heim bietet(siehe„Vorwärts" vom 13. Juni d. I., zweite Beilage, Vorort-Nachrichten). Es ist etwas Ahnliches, das wir für die Familieerstreben, und das, indem es der Frau einen Teil der täglichenBürde abnimmt, sie fähiger und williger machen wird, ihren An-gehörigen ebensowohl wie auch der Gesamtheit ihrer Brüder undSchwestern mit allen ihren Kräften zu dienen. E. H.Hexenglauben und Hexenprozesse.Eine kulturhistorische Skizze von Anna Blos.(Forts-sung.)Die zum Christentum bekehrten Völker germanischer Ab-stammung oder mit germanischer Mischung wurden durch diechristliche Kirche nicht von ihrem Aberglauben befreit. SeinemWefcn nach konnte das Christentum zum Teil nicht den Willen,zum Teil nicht die Kraft haben, ihn zu überwinden. Wie esin seiner Weltanschauung und Sittlichkeitslehre zu jüdischen Bor-stellungen altindische,-persische und-ägyptische Ideen gefügt, wiees sie vor allem mit griechisch-römischer Philosophie durchtränkthatte, so hatte es auch von den in Frage kommenden Völkerndes Morgenlandes und der Antike allerhand Spuk- und Zauber-glauben wie auch Überreste alter Kultfonnen übernommen.Und zu diesem allen gesellten sich später altnordische Borstel-lungen und religiöse Gebräuche, die äußerlich umgeformt, ge-dreht und gedeutet wurden, um sich dem christlichen Jdeenkreiseinzugliedern. Kurz, die verschiedensten Völker, Religionen undKulte haben in dem Hexenglauben ihre Spuren hinterlassen.So ohnmächtig die Kirche war, diesen geistig zu überwinden,so bereit erwies sie sich, ihn ihren eigensüchtigsten Zwecken alseiner geistig-welllichen Herrschaftsiustitution dienstbar zu machen.Sie tat dies um so mehr und um so bewußter, je mehr kctze-rische Ideen ihre Macht zu erschüttern, zu gefährden drohten.Die Hexenprozcsse wurden ein Seitenstück zu den Ketzergerichtenund verfolgten oft genug den gleichen Zweck wie diese. Zaubereiund Hexerei— soweit sie als Ausfluß der„schwarzen Magie"galten— waren gleichbedeutend mit Ketzerei. Durch den Paktmit dem Teufel, welcher die Macht zur Zauberei vorlieh, wirdder durch die Taufe geschlossene Verttag mit der Kirche Christizerrissen, so schlußfolgerte man. Zauberkundige müssen daherKetzer sein und sind als solche strafbar. Die Inquisition, dievom Papst Innozenz III. geschaffen beziehungsweise entwickeltwurde, um die Reste der ketzerischen Albigenser in Südfrank-reich zu vertilgen, spielte auch für die Hexenverfolgung einefurchtbare Rolle.Im Mittelpunkt des Hexenglaubens stand die Persönlich-keit des Teufels. Weitaus die meisten Religionssysteme stellender Idee, dem Ideal des Guten ein Ideal des Bösen gegen-über, dem Gott des Lichtes einen Gott der Finsternis, einenTeufel, Satan oder wie die Verkörperung des Bösen sonstheißen mag. Tie griechische Mythologie kannte keinen Teufel.Bei den Juden hat der Teufel erst im Zeitalter der Prophetenfestere Gestalt gewonnen. In dem Neuen Testament dagegenspielt er als der persönliche Feind und Widersacher Gotteseine bedeutsame Rolle. Die Lehre vom Teufel verschwand mitder Entwicklung des kirchlichen Dogmas nicht, sondern wurde