Nr. 13Die Gleichheit197wüstend wirkt. Gibt es doch namhafte Schulmänner, die durch-aus keinen Anstand nehmen, die Bücher des Herrn Karl Mayin die Schulbibliotheken aufzunehmen. Es ist eine ganz wich-tige Aufgabe für jede unserer Bibliotheken, sich eine besondere,gut eingerichtete Abteilung für Jugendliteratur anzugliedern.Das Interesse der Jugend dafür wird überall leicht zu er-wecken sein.In der großen Arbeitcrbibliothek des SozialdemokratischenOrtsvereins Leipzig-Plagwitz-Lindenau-Schleußig wurden sehrinteressante Erfahrungen mit der Abteilung für Jugendliteraturgemacht. Im Jahre 1902 wurden auf Anregung des Ver«fassers eine kleine Anzahl Jugendbücher in die Bibliothek ein-gestellt, und zwar nach und nach 19 Bände. Die Kinder warenbald so eifrig im Lesen, daß sehr rasch die Jugendbücherei ver-größert werden mußte. Es wurde der Bücherbestand erhöht1903 auf 80 Bünde 1906 auf 469 Bände1904- 134- 1907- 7141905- 271- 1908- 1003Die Zahl der entliehenen Bände in der Abteilung Jugend-literatur betrug:1902... 161 1906... 42781903... 433 1907... 79031904... 1671 1903... 104821905... 4332Einen sehr interessanten Aufschluß über die Art der gc-lesenen Bücher geben folgende Aufstellungen:Uebersicht über die Benutzung der Jugendliteratur.Von der Jugeud meistgelesene Autoren.Da es für die Tauer zu Unzuträglichkeiten führte, diegroße Zahl der Kinder mit den Erwachsenen zusammen zu be-dienen, wurden die schulfreien Nachmittage Mittwoch undSonnabend zur Ausgabe von Büchern au die ersteren einge-richtet. Dieser Dienst, der sehr viel Geduld erfordert, wirdjetzt abwechselnd von acht Genossinnen versehen. Die Biblis-thekarinnen sind einig darüber, daß bei aller Mühe der Ver-kehr mit den Kindern sehr viel Freude biete, und daß mancherleiinteresiante Beobachtungen zu machen seien.Die meistgelesenen Bücher in der Abteilung Jugendliteratur.Tie Kinder bekommen als Gratisgabe von der BibliothekLesezeichen, die auf einer Seite beachtenswerte Leseregeln ent-halten und auf der anderen in Form von Zehn Geboteneinen Extrakt sozialethischer Forderungen geben. Sie lauten:Zehn Gebote für Kinder.1. Gebot: Liebe deine Schulgefährten, die die Arbeitsgenossendeines Lebens sein werden.2. Gebot: Liebe die Belehrung, die das Brot des Geistes ist;sei dankbar deinem Lehrer wie deinem Vater und deiner Mutter.3. Gebot: Du sollst alle Tage heiligen durch eine gute undnützliche Tat, durch eine freundliche Handlung.4. Gebot: Du sollst die guten Menschen ehren, alle Menschenachten, dich vor niemanden beugen.5. Gebot: Du sollst keinen Menschen hassen, keinen beleidigen,dich nicht rächen; aber du sollst dein Recht vertreten und demübermütigen widerstehen.6. Gebot: Du sollst nicht feige sein. Sei ein Freund derSchwachen und liebe die Gerechtigkeit.7. Gebot: Sei eingedenk, daß alle Güter der Erde von derArbeit stammen; wer sie genießt, ohne zu arbeiten, der stiehlt demArbeitenden sein Brot.8. Gebot: Beobachte und denke nach, um die Wahrheit zu er-kennen. Glaube nichts, was der Vernunft widerspricht, täuscheweder dich selbst noch andere.9. Gebot: Denke nicht, daß der das Vaterland liebt, der dieanderen Völker haßt und verachtet oder am Kriege Gefallen findet,der ein Überrest der Barbarei ist.10. Gebot: Wünsche vielmehr den Tag herbei, an dem alleMenschen als freie Bürger eines Vaterlandes in Frieden und Ge-rechtigkeit als Brüder leben werden.Sozialdemokratischer Vereinfür den 13. sächsischen Reichstagswahlkreis.Die Lcseregeln, welche auf der anderen Seite der Lesezeichenstehen, sind dem Katalog der Freien Öffentlichen Bibliothek zuZwittau in Mähren entnommen. Sie geben Antwort auf dieFrage: Wie soll mau lesen? und lauten:1. Lies nur, wenn du darüber nicht deine Pflicht versäumst.Lies nicht zu lange, sonst ermüdest du deinen Geist, liest unauf-merksam und verstehst die Feinheiten des Buches nicht.2. Lies nur gute Bücher, denn die Zeit, die du zum Lesenhast, ist kostbar; schlechte Bücher verderben den Geschmack und für-dern dich nicht, während du aus dem Lesen guter Bücher einenbleibenden Gewinn ziehst.3. Lies nichts, was über dein Alter und deinenVerstand hinausgeht; nicht jeder Magen kann schwere Speisevertragen. Lies dich vielmehr allmählich zu schwerer verständ-lichen Büchern hinauf.4. Lies solche Bücher, die dich besonders erhobenoder gefördert haben, immer noch einmal wieder; du wirstihren Wert dann immer deutlicher erkennen und wirst bei jederWiederholung einen größeren Genuß haben.