200 Die Gleichheit Nr. 13 im Verein sozialdemokratischer Frauen in Wien organisiert. In einer Anzahl von Orten werden die Genossinnen demnächst zur Gründung politischer Frauenorganisationen schreiten. In Anbetracht der wachsenden Aufgaben hielten es die Genossinnen- für notwendig, «ine Genossin speziell mit der Leitung der planmäßigen Arbeit in Niederösterreich zu betrauen. Genossin Pölz er, die den deutschen Genossinnen bekannt ist, da sie der Frauenkonferenz zu Nürnberg beiwohnte, wurde zur Landesvertrauensperso.l gewählt. Dein Landesparteilag wurden die Beschlüsse der Konferenz berichtet, er wählte Genossin Th. Schlesinger in die Landesoertretung für Niederösterreich , so daß jetzt in drei Landesvertretungen Ge- nossinnen Sitz und Stimme haben. Der Landesoertretung für Mähren , der Genossin Freund- lich angehört, lag in der letzten Sitzung ein Antrag vor, auch für Mähren eine Frauenkonferenz abzuhalten. Der Antrag wurde angenoinmen, und schon im Monat April wird in Olmütz die erste mährische Frauenkonserenz lagen. Um die Fraucnagitation zu unter- stützen, ist Genossin Klastalsch, eine tüchtige, agitatorisch tätige Kraft, in der Administration des mährischen Parteiblatles angestellt worden. Die Brünner politische Frauenorganisation entwickelt sich in erfreulicher Weise, wie dies früher nie sür möglich gehalten worden wäre. In Graz, der Hauptstadt von Steiermark , ist im Januar die erste politische Frauenorganisation gegründet worden. Da die Parteigenossen eifrigst mitarbeiten, ist auch hier auf guten Erfolg zu hassen. Von der Parteivertretung in Wien wurde dem Vorschlag des Frauenreichskomitees entsprechend Genossin Gabriele Pro hl an- gestellt, um sich ganz der Arbeit im Dienste der politischen Frauen- organisation zu widme». Diese Arbeit hat sich derart vermehrt, daß sie nicht mehr wie bisher von einer Genossin allein, der Re- dakteurin der„Arbeilerinnen-Zeitung", bewältigt werden kann. Auch mit der Organisierung der weiblichen Jugend be- ginnen sich die österreichischen Genossinnen zu beschäftigen. Am Sonntag den 7. März wurden nachmittags fünf Versammlungen für junge Mädchen abgehalten mit Vorträgen über das Revolu- tionsjahr 1848. Alle Versammlungen waren außerordentlich gut von jungen Mädchen besucht. Jedoch ist noch nicht über die Form der Organisation ent- schieden, welche die jungen Mädchen ausnehmen soll. Die Meinungen gehen auseinander, ob die jungen Prolelarierinnen den Organi- sationen der männlichen Jugend beitreten oder eigene Sektionen bilden sollen, die den Frauenorganisationen anzugliedern wären. Die Gewerkschaslskommission hat aus eine Anfrage der männlichen Jugendlichen erllärl, daß die gemeinsame Organisation inopportun sei. Nächste Wochen wird das Frauenreichskomitee zu einer Be- schlußfassung kommen, über die in der„Gleichheil" näher berichtet werden soll. a. p. Aus der Bewegung. Agitation in Sachsen -Altcubnrg. Auf Wunsch des Alten- burger Landesvorstandes unternahm Genossin Zieh vom 17. Fe- bruar bis 1. März eine Agitationstour durch das Herzogtum. Die- selbe sollte nicht nur durch Versammlungen der Agitation dienen, sondern vor allem auch durch Besprechungen mit dem Landesvor- stand wie mit den Vorständen der einzelnen Ortsvereine eine dauernde und planmäßige Agitations- und Schulungsarbeit unter dem weiblichen Proletariat einleiten. Diese Besprechungen sollten die Erfahrungen anderer Orte auch für das Herzogtum nutzbar machen. Wir sind überzeugt, daß diese Methode, planmäßig und tatkräftig die Frauenbewegung zu fördern, vom besten Erfolg sein wird.— Die veranstalteten Versammlungen brachten der Sozial- demokratie durchweg eine hübsche Anzahl weiblicher Mitglieder, die an manchen Orten die ersten waren, welche der Partei beitraten, an anderen den bereits vorhandenen Stamm der Genossinnen ver- größerten. So wurden zum Beispiel in der Stadt Altenburg 86 Aufnahmen gemacht, in G ö ß n i tz 46, in S ch m ö I l n und Zechau je 50, in Meuselwitz 49, in Ronneburg 62, in Eisenberg 60 und in Kahla 80. Ter Partei wurden insgesamt zirka 400 neue Mit- glicder zugeführt und unserer Presse eine Anzahl neuer Abonnenten. Hoffentlich verfahren die Parteiorganisationen der einzelnen Orte in der besprochenen Weise, um die neugewonnenen Mitglieder zu halten und zu schulen und die uns noch fernstehenden Frauen und Mädchen mehr und mehr organisatorisch wie geistig zu erfassen. Geschieht das, so wird es im Altenburger Land mit der Frauen- bewegung sicher vorwärts gehen, und damit wäre unserer Allgemein- bewegung der allergrößte Dienst erwiesen. l,. Z. In einer gut besuchten Parteiverfammlung zu Fellbach (Württemberg ), an der auch Frauen in größerer Anzahl teil- nahmen, referierte Genossin H ü g l i n- Stuttgart über„Die Pflichten und Rechte der Frauen in der heutigen Gesellschafts- ordnung". Sie wies die Notwendigkeit des politischen Zusammen- schlusses der Frauen nach, die unter dem heutigen Gesellschafls- system noch mehr seufzen als der Mann, viel Pflichten, aber nur wenig Rechte haben. Genossin Hüglin würdigte auch die Bedeutung einer sozialistischen Erziehung der Kinder, auf die sie näher ein- ging. In der Diskussion stimmten mehrere Frauen der Reserentin zu. Wir hätten gewünscht, daß die hiesige Lehrerschaft in der Versammlung gewesen wäre, sie hätte gar manches aus dem Vortrag lernen können. Mehr aber noch bedauern wir, daß so viele Prole- tarierinnen der Versammlung ferngeblieben sind, für die der Vor- trag nützlicher gewesen wäre als die Predigten, die sie zu hören be- kommen. Hoffentlich gesellen sich zu den vier weiblichen Mitgliedern der Partei, von denen drei in der Versammlung gewonnen wurden, bald neue Mitarbeiterinnen. Karl Ebinger. Weimar . Warum kommen so wenig weibliche Mit- glieder in die allgemeinen Parteiversammlungen und in die össentlichen Versammlungen� Um diese Frage zu erörtern, wurden kürzlich die weiblichen Mitglieder der Ortsgruppe unserer sozialdemokratischen Wahllreisorganisation zu einer Besprechung eingeladen. Rund 20 Prozent der organisierten Genossinnen waren erschienen. Gewiß, kein befriedigender Besuch! Doch alle Anwesenden waren einig darin, daß es besser werden müsse. Zur Förderung der Agitation unter den uns noch fern- stehenden Frauen und zur Herbeiführung einer regeren Teilnahme der bereits organisierten am politischen Leben und an allen Ver- anstaltungen der Ortsgruppe wurde eine Agitationskommissio» gewählt, bestehend aus den Genossinnen Baudert, Leppert, Beck, Vogt und Neid. Angeregt wurde ferner, daß für die weiblichen Mitglieder der Ortsgruppe eine Unterstützungskaffe für Krankheitsfälle geschaffen werden solle, da ähnliche Einrichtungen in den bürgerlichen Frauenvereinen sich als ein gutes Bindemittel bewährt hätten. Endgültig soll über diesen Vorschlag erst in einer besonderen Versammlung der weiblichen Mitglieder beschlossen werden. Man hofft, daß diese einen stärkeren Besuch aufweisen wird. Bisher waren es immer recht fadenscheinige Gründe, die als Entschuldigung für das Fehlen der Frauen in den Partei- und öffentlichen Versammlungen angeführt wurden. Da hieß es z. B.: Es muß wieder einmal eine Genossin sprechen! Der Vorstand der Ortsgruppe hat diesem Wunsche der weiblichen Mitglieder nun Rechnung getragen. Doch, wo blieben die Genossinnen in der Ver- sammlung, in welcher Genossin Tietz-Berlin sprach? Der all- gemeine Besuch dieser Versammlung war zwar nicht schlecht, aber stand er im Verhältnis zu der proletarischen Bevölkerung Weimars ? Entsprach die Zahl der anwesenden Frauen der Zahl der bereits organisierten Genossinnen? Keines von beiden traf zu. Es muß offen gerügt werden, daß der weitaus größte Teil der organisierten Frauen aus nichtigen Gründen,— aus purer Bequemlichkeit!— fehlten. Das muß anders werden! Die Agitalionskommission der organisierten Frauen hat sich die Aufgabe gestellt, Mittel und Wege zu finden, um nicht nur eine stärkere Beteiligung der weiblichen Mitglieder an allen politischen Versammlungen zu erreichen, sondern auch die Zahl der politisch organisierten Genossinnen zu erhöhen. Hierauf bezügliche Wünsche und Anregungen für die Agitations- kommission sind zurichten an: Frau Baudert, Weimar , Pabst- straße 16. In Baden hat leider die sozialdemokratische Frauenbewegung im letzten Jahre nicht den erhofften Aufschwung genommen. Die Genossinnen haben es gewiß nicht an den ernstesten Bemühungen fehlen lassen, gute Fortschritte zu erzielen, allein sie haben seitens der leitenden Parteiinstanzen nicht immer die Unterstützung ge- funden, deren sie noch bedürfe». Auf dem vorjährigen Parteitag der badischen Sozialdemokralen hatten die Genossinnen beantragt, daß auf die Tagesordnung des Parteitags von 1909 ein Referat über den Stand der Frauenorganisation gesetzt würde. Dieser Antrag fand einstimmige Annahme, wurde jedoch vom Landes- vorstand bei Aufstellung der Tagesordnung nicht beachtet. Als er von der Antragstellerin auf die Unterlassung aufmerksam gemacht wurde, meinte er, infolge des neuen Vereinsrechts und der damit verbundenen Änderung der Parteiorganisation sei ein Bedürfnis für die Erörterung der Frage nicht mehr vorhanden. Wir können dieser Ansicht nicht beipflichten und bedauern gerade in Hinblick auf die gemeinsame Organisation von Genossinnen und Genossen, daß der letzte dadische Parteilag zu Offenburg nicht eingehend darüber beraten hat, auf welche Weise die proletarische Frauen- bewegung tatkräftig gefördert werden könne. Die Agitation der
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20 (29.3.1909) 13
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