Nr. 14 Die Gleichheit 217 herrührten. Was die proletarischen Frauen anbelangt, so ist«S zweifellos, daß sie alle für die Liste der Sozialdemokratie gestimmt haben. Die Frauen haben sich im allgemeinen mit grobem Interesse an dem Wahlkampf beteiligt. Es fanden eine Masse von sozial- demokratischen Versammlungen mit weiblichen Rednern statt, und eine Menge Broschüren und Flugblätter gelangten zur Verteilung, welche sich besonders an die Frauen wendeten. Die Sozialdemo- kratie kann mit dem Wahlausfall sehr zufrieden sein, den Frauen aber darf man nachrühmen, daß sie einen ehrenvollen Anfang mit der Ausübung ihres Stimmrechts gemacht haben. Die allgemeinen Resultate der Wahlen zu den Gemeindever- tretungen im ganzen Lande liegen jetzt vor; es wurden in der Provinz 54328 Stimmen für rein sozialdemokratische Kandidaten abgegeben und 255 Sozialdemokraten gewählt. Die Zahl der sozial- demokratischen Mandate hat sich damit um 110 vermehrt. Ohne vbertrcibllng kann man behaupten, daß die Sozialdemokratie in der Provinz jetzt auch die stärkste Partei ist. Wie viele Frauen sich unter den Gemeindevertretern in der Provinz befinden, darüber liegen jedoch bis heute noch keine genauen Angaben vor. So- viel kann jedoch schon jetzt gesagt werden, daß die Genossinnen in der Provinz dieselbe Stellung eingenommen haben, wie in Kopenhagen  . An mehreren Orten haben sie sogar gebeten, von der Aufstellung weiblicher Kandidaten abzusehen, weil sie, nachdem sie zum ersten Male ihr Stimmrecht ausgeübt hätten, sich erst längere Zeit auf das öffentliche Wirken vorbereiten und als Vorschule dazu die Be- tätigung in den Parteiorganisationen benutzen wollten. Gleichwohl sind nicht wenige Frauen in die Gemeindevertretungen gewählt worden, und wir werden hierüber baldigst genaue Mitteilung machen, llberall haben die Frauen sich zahlreich an der Wahl be- teiligt, an mehreren Orten haben sie sogar ungefähr die Hälfte aller abgegebenen Stimmen geliefert. Trotzdem ist noch In der Frauenwelt ein großes Feld durch politische und soziale Aufklärung zu bebauen. Die vier Jahre bis zur nächsten Wahl müssen zu einer energischen und umfassenden Agitations- und Organisations- arbeit genutzt werden. Wie steht es nun mit der letzten Insinuation des srauenrechtle- rischen Blattes? Als die Regierung vor einigen Jahren einen Gesetzentwurf über das Gemeindewahlrecht vorlegte, enthielt dieser nicht das Frauenstimmrecht. Die Sozialdemokratie beantragte jedoch diese Reform, und es gelang ihr auch, das Folkcthing dafür zu gewinnen. DaS Landsthing(Oberhaus) verlangte bei der weiteren Behandlung des Gesetzentwurfes, daß gewiffe Wahlrechtsprivilegien für die oberen Zehntausend geschaffen würden, und die Regierung trat der Forderung bei. Als der entsprechend verhunzte Gesetz- entwurf an das Folkething zurückkam, stimmten die Sozialdemo- traten gegen die Vorrechte der Sehrreichen, aber für da? erweiterte Wahlrecht, also selbstredend auch für das Frauenwahlrecht. Als aber die Majorität entgegen der Stellungnahme der Sozialdemo- kratie verschiedene, im höchsten Grade reaktionäre Bestimmungen annahm, darunter»in privilegierte? Wahlrecht für die adeligen Gutsbesitzer in den Landkommunen, konnte die Sozialdemokratie selbstverständlich dem von der herrschenden Klasse so verböserten Gesetzentwurf ihre Zustimmung nicht geben. D as Frauenstimm- recht ist jedoch dank der Initiative der Sozialdemokratie eingeführt worden, und die Wahrheit steht also im schroffsten Gegensatz zu dem, was die«Zeitschrift für Frauenstimmrecht" ihren Leserinnen einreden möchte. Th. Stauning-Kopenhagen. Aus der Bewegung. von der Agitation. Zur Agitation unter den Proletarierinnen, die der sozialdemokratischen Partei als Mitglieder gewonnen werden sollten, fanden in drei größeren Bezirken Versammlungen statt, in denen die Unterzeichnete referierte. Vom 23. bis 31. Januar wurde in Halle und den umliegenden Orten das Tlzema behandelt:«Die Frau im politischen Leben". Die beiden Versammlungen in Halle im«Volks- park", wie die im«Letzten Dreier" waren stark, und zwar Haupt- sächlich von Frauen besucht. In der ersten wurden sofort mehr als 70, in der zweiten 27 weibliche Mitglieder der Organisation zuge- führt. Auch die Versammlungen in den umliegenden, halb ländlichen Orten, wie Böllberg, Dölau  , Lettin, Lobgün, Ammen- dors, Osmünde zeigten einen prozentual starken Besuch von Frauen und brachten der Partei insgesamt etwa 100 weibliche Diit- glieder. Ein Erfolg, der auf eine gute Entwicklung der proleta­rischen Frauenbewegung hoffen läßt. Im Kreis« Torgau-Lirbeuwcrda fanden Ende März sechs öffentliche Frauenversammlungen statt und zwar in Annaberg, Hohenleipisch  , Mühlberg a. E., Torgau  , Mückenberg und Backwitz. In Hohenleipisch   wurden der Partei die ersten v weiblichen Mitglieder gewonnen. Insgesamt stellte die Agitation im Kreise S1 Frauen und 20 Männer organisiert in Reih und Glied der Sozialdemokratie. Besonders ist zu begrüßen, daß die sozialistischen   Ideen unter der Frauenwelt auf guten Boden ge- fallen sind, obgleich in den genannten Orten industriell» Frauen- arbeit nicht in größerem Umfange vorhanden ist. Die Organisationsleitung des Kreises LandeShut   veranstaltet« in Liebau, Landeshut  , Jauer und Prittwitzdors Ver- sammlungen, in denen die Unterzeichnete über das Thema referierte: Die Frau im politischen Leben". Wer da weiß, wie furcht- bar gedrückt und ausgebeutet die Arbeiterschaft der schlesischen Leinenindustrie ist, der wird nicht erstaunt darüber sein, daß in dem Städtchen Liebau nur 60 Personen die Versammlung besuchten. Es traten jedoch 11 der anwesenden Frauen dem sozialdemokratischen Verein bei. Etwa 180 Personen waren in Jauer erschienen. Der zahlenmäßige Erfolg der Versammlung war die Gewinnung von 14 weiblichen und 10 männlichen Mitgliedern für die Partei. In Landeshut  , wo die Leinenweberei herrscht, ist das Elend des Proletariats entsetzlich, namentlich das der ausländischen Arbeits- kräfte, die die Fabrikanten durch schöne Versprechungen nach Deutsch  - land locken. Die Leser und Leserinnen finden darüber einiges an anderer Stelle des Blattes. Ein Schrei der Entrüstung und des Schreckens erschallte in der Versammlung, als bekannt gegeben wurde, daß in der Stadtverordnetenversammlung ein Antrag ein- gebracht und befürwortet worden ist, der bestimmt, daß die aus- ländtschen Arbeiter in Zukunft für jedes ihrer schulpflichtigen Kinder 15 Mk. Schulsteuer zahlen sollen. In der Versammlung waren etwa 300 Frauen anwesend, lauter elende, von Kummer und Not ausgemergelte Gestalten. 24 neue Mitglieder wurde» dem Wahl- verein zugeführt, dem am Ort etwa 100 Frauen angehören. Dank der Ausbreitung sozialistischer Ideen werden die niedergedrückten Lohnsklaven der Leinenindustrie mit Kampfesmut erfüllt, werden sie Streiter für Freiheit und Menschenwürde. Di« letzte der vier Versammlungen, die in Prittwitzdors stattfand, hatte einen Be­such von etwa 150 bis 170 Personen aufzuweisen, von denen«in großer Teil aus Orten herkam, die stundenweit von Prittwitzdors entfernt liegen. 7 weiblich« Mitglieder traten dem Wahlverein bei. Im Wahlkreise Landeshut   findet der sozialistische Gedanke mehr und mehr Eingang, wenn auch der Boden rauh und hart ist, auf den die Saat fällt. Das Proletariat will hier wie anderwärts Schmied seines Glückes sein, es will nicht länger darben, da es erkannt hat, daß hienieden Brot genug für alle Menschenkinder wächst. Ottilie Baader  . In Gera   und drei Nachbarorten fanden am 1., 2., 3. und 4. März Frauenversammlungen statt, in denen Genossin Fahren- wald-Berlin über da? Thema referierte:Die Stellung der Frau im wirtschaftlichen und politischen Leben." Der Vortrag wurde in allen Orten mit großem Beifall aufgenommen, ein Beweis, daß die Rednerin den Zuhörern aus dem Herzen gesprochen halte. In der Versammlung in Gera  , an der 70 Frauen und«in« Anzahl Männer teilnahmen, von denen 10 dem Sozialdemokratischen Verein zugeführt und 4 als Abonnenten der«Gleichheit" gewonnen wurden, sprach in der Diskussion eine Genossin im Sinne der Referentin. Die Versammlungen in Debschwitz   und Leumitz waren den örtlichen Verhältniffen nach recht gut besucht. Der ersteren wohnten 80 Personen bei, der letzteren 60; in beiden traten 21 der Partei bei. Die Teilnehmer der Versammlung in Leumitz, der ersten Frauen- Versammlung dort, waren Textil-, Ziegelei- und Landarbeiter und -arbeiterinnen. Es war auffallend, welche Ruhe die Frauen in dieser Versammlung während des Vortrags bewahrten. Die Ver- sammlung in Zwötzen   war leider sehr schwach besucht, nur 32 Frauen und einige Männer waren anwesend, von denen sich 9 organisierten. Hoffentlich beherzigen die neuen Parteimitglieder die iviahnung der Referentin, treu zur Organisation zu halten und das Gelernte weiterzutragen. Anna Jätmert. Agitation im Rheinland  . Trotz der wirtschaftlichen Krise ist die Agitation unter den Frauen des Rheinlands recht erfolgreich, und die Versammlungen sind gut von ihnen besucht. Das zeigten Volksversammlungen in Krefeld  , Lüttringhausen   und M.-Gladbach, serner sieden Versammlungen im Stadt- und Landkreis Köln und zwei öffentliche Frauenversammlungen wie eine Genossenschaftsversammlung in Düsseldorf  . Die Unter- zeichnete behandelte in den meisten dieser Versammlungen das Thema: Mas hat das Volk vom Blockreichstag zu erwarten?" Die Märzseier gab Veranlaffung zu den Frauen in Form einer Festrede zu sprechen. Der Erfolg der Agitation war ein guter, es wurden Mitglieder für die Partei und Abonnenten für die Presse geworben. W. K.