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Die Gleichheit

referiert Genossin Czardós; über Agitation und Presse Genossin Timár. In Ungarn ist eine ernſte, zielbewußte Arbeiterinnen bewegung erst seit einigen Jahren in Fluß gekommen. Der Haupt­grund dafür ist darin zu suchen, daß in Ungarn die Landwirtschaft überwiegt; die moderne Industrie ist noch in den Anfängen ihrer Ent wicklung begriffen. Die sozialen Zustände und das geistige Leben der ungarischen Bevölkerung spiegeln diesen Stand der Dinge wieder. So stößt die Ausbreitung der sozialdemokratischen Jdeen auf Schwierigkeiten, die in industriell weiter fortgeschrittenen Ländern nicht vorhanden sind. Was aber im allgemeinen gilt, das trifft auf die Agitation unter den werktätigen Frauen erst recht zu. Wie fast überall, gerade in ländlichen Gegenden, stehen in Ungarn die Frauen noch recht stark unter dem Banne reaktionärer und klerikaler Anschauungen. Der Mangel einer guten Schulbildung tut das übrige dazu, die Aufrüttelungsarbeit unter den Frauen zu er­schweren. Nichtsdestoweniger hat sich die junge Arbeiterinnen­bewegung verhältnismäßig befriedigend entwickelt, so viel auch noch für ihre Ausbreitung und Festigung zu wünschen übrig bleibt. In ihren Anfängen mußte sie sich darauf beschränken, die Arbeite­rinnen zur Erkenntnis ihrer wirtschaftlichen Interessen zu er wecken und diese, soweit es möglich war, zu verfechten. Erst in letzter Zeit kann die Frage der politischen Rechte des weiblichen Geschlechtes in den Kreis der Agitation und Tätigkeit gezogen werden. Das ist dem Kampfe des männlichen Proletariats für das allgemeine Wahlrecht zu danken. Je größeren Umfang er an nimmt, je schärfer er geführt wird, um so mehr wirkt er auch weckend auf die Frauen der arbeitenden Bevölkerung zurück. Sie beginnen über Fragen nachzudenken, um die sie sich früher nicht fümmerten, und die Agitation kann ihnen die Bedeutung politischer Rechte flarmachen. Der kleine Stamm zielbewußter Genossinnen nügt die Situation und hofft von der Zukunft eine gute Ernte der ausgestreuten Jdeensaat, eine kräftige Entwicklung der sozialdemo fratischen Arbeiterinnenbewegung. Marie Czardós- Budapest .

Frauenbewegung.

Die katholische Frauenorganisation in Baden hat in der letzten Zeit einen fräftigen Anlauf genommen. Es sind die vor­nehmen Damen, welche sich sportsmäßig mit ihr befassen, während Herren der Klerisei die eigentlichen Macher sind. Als Rednerin in den konstituierenden Sizungen der Ortsgruppen, die gegründet worden sind, trat Frau Dr. Ammann- München auf, eine geborene Schwedin. Sie ist begleitet von der hohen katholischen Geistlichkeit, die in jedem Falle schon einen örtlichen Priester als geistlichen Beirat mitbringt und sofort nach der Vereinsgründung als männ lichen Betriebsleiter ernennt. Der Erzbischof Thomas Nörber in Freiburg beeinflußt die Organisation. Bei der Gründung in Karlsruhe ließ er sich durch den Ehrendomherrn und Stadt­dekan Knörzer vertreten, bei der Freiburger Versammlung durch den Weihbischof Dr. Knecht. Außerdem begrüßte der Kirchenfürst die Versammelten handschriftlich und gab seiner Auffassung folgender maßen Ausdruck: Den Kernpunkt des ganzen Unternehmens sehe ich in der Tendenz, überall direkt und indirekt das so sehr bedrohte Familienleben zu heben und die Frauenwelt im engen Anschluß an die Kirche immer intensiver mit christlichem Geist zu erfüllen." Daß der Erzbischof diese Vereine zur Rettung des Familien­lebens gerade unter das Protektorat der im Zölibat lebenden hohen Geistlichkeit stellt, beweist uns, daß der enge Anschluß an die Kirche " wohl der Hauptzweck" dieser katholischen Frauen­organisation betrachtet werden darf. Wenn aber noch ein Zweifel über die wahre Tendenz dieser Bestrebungen zur Lösung der Frauenfrage" bliebe, so brauchen wir zur Veranschaulichung ihres Charakters uns nur die Liste der erwählten Vertrauenspersonen der Frauenorganisation zu Karlsruhe betrachten. Wir lesen da folgende Namen und Titel: 1. Vorsitzende Freifrau v. Teuffel; 2. Borsitzende Frau Landgerichtsrat Schmidt; 1. Schriftführerin Frau Regierungsrat Siebert; 2. Schriftführerin Frl. Ernst; 1. Schatz meisterin Frau Baronin v. Bodman; 2. Schatzmeisterin Frau Wörner. Beirätinnen: Frau Oberregierungsrat Schmidt, Frau Dr. Latemeyer, Frau Dr. Matheis und Frl. Winterer. Zum Aus­schuß gehören noch folgende Damen: Frau Gräfin Rüdt v. Collen­ berg , Frau Baronin Exzellenz v. Schönau- Wehr, Frau Baronin v. Hornstein und Frau Galm. Es fehlt der illustren Gesellschaft nur noch die Großherzoginwitwe, welche als Protestantin dem katholischen Klub selbst nicht angehören kann. Dafür empfing fie wenigstens die Rednerin, Frau Dr. Ammann, in Audienz und sagte ihr, es leuchte die Morgenröte einer neuen Zeit".

Was Frau Dr. Ammann der katholischen Frauenbewegung als Biel gesteckt hat, führt jedoch nicht vorwärts in eine neue Zeit, sondern

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zurück unter die Botmäßigkeit der Kirche, des Adels und des kapitali­ stischen Christentumstaates. Die Dame erklärte die Frauenfrage für eine Frage der Bildung, des Rechts und der Ethit. Dabei protestierte sie aber namens der katholischen Frauen dagegen, daß der Mann sich die Gleichstellung der Frau gefallen lassen müsse und forderte, daß der Mann das Haupt der Familie bleibe. Kurz vorher hatte die Rednerin das unvermeidliche Auftreten der Frauenfrage aus der Tatsache begründet, daß die Ehe nur für einen Teil der Frauen eine Lebensversorgung gewähre, hatte sie anerkannt, daß die Frau wie der Mann zur Erwerbsarbeit gezwungen sei, aber schlechter entlohnt wird als er. Das kommt nach der Frau Dr. Ammann lediglich daher, daß die Frau zumeist ungelernte Arbeiterin sei, von der kapitalistischen Ausbeutung hat die Dame offenbar nie gehört. Das Christentum soll nach ihr die Frau aus ihrer Er­niedrigung erhoben haben, ohne seinen Einfluß ständen die Frauen bei uns nicht anders als bei den unzivilisierten Völkern.

Alle Stände organisieren sich, es ist auch das Recht der Frauen, sich zusammenzuschließen, meinte die Vortragende weiter. Sie dürfen jedoch nicht mit dem Manne kriegen, sondern müssen ihm vorstellen, daß er Gesetze für sie macht. Es hat sich in der Frauenbewegung ge­zeigt, daß für ihr Ziel und ihren Charakter die Weltanschauung mit maßgebend ist. Sie bedarf fester Grundsäge. So ist eine konfes­fionelle Frauenbewegung entstanden. Außer der bürgerlichen gibt es auch eine proletarische Frauenbewegung. Diese lettere bekennt sich zu den Grundsägen der Sozialdemokratie und fordert demgemäß die volle Gleichberechtigung der Frau mit dem Manne.

Im Jahre 1904 haben die katholischen Frauen eingesehen, daß etwas geschehen muß. So entstand der katholische Frauenbund. Er arbeitet mit den evangelischen, mit den interkonfessionellen Frauen­organisationen zusammen, wo er kann. Der katholische Frauenbund ist nicht nur zur Abwehr gegründet worden; er will positiv katholischen Frauen haben bisher schon in ihren schönen Vereinen, arbeiten im religiösen und patriotischen Sinn. Die wie Mädchenschuh- Fürsorgevereinen und anderen, gearbeitet. Der katholische Frauenbund will nun die Verbindung zwischen ihnen und den anderen Frauenorganisationen herstellen, die bisher noch gefehlt hat. Er will die Frauen sammeln und über die Frauen­frage unterrichten. Er will die Frauenfrage auf religiöser Grundlage lösen in strengster Vereinigung mit der Kirche. Der Frauenbund ist eine starke Organisation für die Frau, aber nicht gegen den Mann. Seinen Mitgliedern bleibt es bewußt, daß die Frau die Gehilfin des Mannes ist. Der Frauen­bund ist eine einheitliche starke Organisation, die über ganz Deutsch­ land sich erstreckt. Die katholischen Frauen müssen sich zusammen schließen, um ihre Weltanschauung zur Geltung zu bringen. Wenn sie das nicht tun, werden ihre Töchter, die ins Leben hinaus müssen, sich anderen Organisationen anschließen. Sie werden statt der ihrigen andere gefährliche Ansichten annehmen. Und dann werden die Töchter auf die Vorwürfe der Mutter antworten: Du hast mich nicht unterrichtet, mir nicht geholfen, herziger erschienen als die deinigen. da bin ich zu anderen gegangen, weil ihre Ansichten mir barm­

Aus dem Vortrag dieser apostolischen Frauenretterin, wie er im " Bad. Beobachter" wiedergegeben ist, kann man auf keine andere Absicht als die schließen, die Frauen in die Kirchen zu treiben, vom Klerus abhängig zu machen, zu welchem Zwecke, das ist be fannt. Die im Schatten des Beichtstuhls stehende Frau soll im Interesse der politischen, geistigen und ökonomischen Reaktion den Mann unter dem Einfluß der Klerikalen halten.

Die Frauen und Töchter des katholischen Teils der besitzenden Klasse sind in diesen Vereinen hübsch unter sich; die Dienstboten ſammengefaßt. In Karlsruhe traten dem Frauenbund 24 Vereine und Fabritarbeiterinnen werden in besonderen Organisationen zu­( 400 Einzelmitglieder) bei; bei der kurz darauf in Freiburg er folgten Neugründung wurden 300 Mitglieder gewonnen.

Die Bemühungen der schwarzen Garde des Kapitalismus müssen unsere Genossinnen und Genossen in Baden aneifern, mit der größten Ausdauer und Energie sich angelegen zu sein lassen, Aufklärung über die sozialdemokratischen Grundsäße in immer größere Frauen­freise zu tragen. Frau Dr. Ammann hat recht: es geht auch in der Frauenbewegung um die Weltanschauung. Und wer eine freie, harmonische Entwicklung der Menschheit will, der muß dazu helfen, daß die lichte Weltanschauung des Sozialismus über die Welt anschauung des Klerikalismus siegt. Die letztere bedeutet Sklaverei, die erstere Freiheit.

mg.

Verantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Zetkin ( Bundel), Wilhelmshöhe, Boft Degerloch bet Stuttgart . Druck und Berlag von Baul Singer in Stuttgart .