Nr. 17

Die Gleichheit

oder auf sonstige Weise sich der Mitgliedschaft unwürdig machen, können durch den Präses nach wiederholter Mahnung und Anhörung von mindestens zwei Vorstandsmitgliedern ausgeschlossen werden."

Es soll bei den anzuwerbenden Mitgliedern, die wohl selten das Statut genau studieren und genau verstehen dürften, der Schein erweckt werden, als wenn die Leitung eines solchen Vereins hauptsächlich aus Dienstmädchen bestünde und dadurch Sicherheit geschaffen wäre, daß vorwiegend deren Interessen durch den Vorstand vertreten würden. In Wahrheit aber führen die sozialdenkenden Damen" allein die Vereinsgeschäfte und herrscht der Priester so unbedingt, daß er jedes ihm nicht ganz zuverlässig erscheinende Mädchen abweisen und jedes Mit glied aus dem Verein hinauswerfen kann, das sich als nicht unbedingt fügsam erweisen sollte. Die frommen Herren find bereit, ein paar Ronzessiönchen zu machen, um dadurch das erwachende Klaffenbewußtsein einer zahlreichen Arbeiterinnen­schichte um so besser niederhalten zu können. Wir haben keinen Grund, ihre Organisationsarbeit zu fürchten. Mögen sie nur die christlichen Hausfrauen und Dienstmädchen an den Gedanken gewöhnen, daß die letteren in die Fachorganisation hineingehören. Den Weg in diejenige Organisation, die wirklich ihre Interessen vertritt, werden die meisten von ihnen dann mit der Zeit schon finden.

Die Klagen der Sozialpolitikerin Dr. Conrad* über die unermeßliche Gefahr, die der bürgerlichen Familie durch den Dienstbotenmangel droht, unterscheiden sich nicht wesentlich von denen der Klerifalen. In Amerika hat die Dame beobachtet, daß nur noch die Hälfte aller Dienstpläge besetzt werden kann. So kann es dort nicht weitergehen, so darf es bei uns nie werden!" ruft sie aus. Sie legt dann in recht interessanter Weise dar, wieso troh hoher Löhne und mannigfacher Erleichte rungen der Zubrang zum häuslichen Dienst in Nordamerika ein so geringer ist. Der demokratische Sinn der Amerikanerinnen erträgt die Abhängigkeit des Dienstbotenlebens nicht. Darum rekrutieren sich die Dienstmädchen fast ausnahmslos aus den weiblichen Einwanderern und den Töchtern eingewanderter Familien. Aber auch diese wählen in immer steigendem Maße lieber andere Berufe als den des Dienstmädchens, der in ameri­tanischen Proletarierkreisen so gering geschätzt wird, daß Fabrik arbeiter und-arbeiterinnen in der Regel auf Dienstmädchen herabsehen, und daß ihre Geselligkeitsvereine diesen oft die Aufnahme verweigern. Dazu kommt, daß die Dienstmädchen in den Vereinigten Staaten trotz der größeren Freiheit, die sie fich zu wahren wissen, sehr oft zu einem noch viel isolierteren Leben verurteilt find als in europäischen Städten. Die hohen Löhne bewirken, daß es dort viel mehr Familien gibt, die nur ein Mädchen halten, und die üblichen Einfamilienhäuser ohne Bortiersleute erschweren es diesem ungemein, während kürzerer Arbeitspausen geeignete Ansprache zu finden. Ferner gehört der Dienstbotenberuf zu den sehr wenigen, in denen es auch in Amerika kein rechtes Emporarbeiten gibt. So kommt es, daß sehr viele Dienstmädchen bald zu anderen Berufen übergehen. Durch den Mangel an Mädchen wurde in Amerika jene Ents wicklung sehr gefördert, die den technischen Fortschritt auch in den Dienst des Haushaltungsbetriebs stellt. Nicht nur die Haus- und Kücheneinrichtungen beweisen das, sondern es bürgert sich in den größten Städten auch die Gewohnheit ein, daß fertige warme Speisen ins Haus geliefert werden, so daß im Haus halt die Mühe des Kochens und Geschirrwaschens wegfällt.

Indem Dr. Conrad diese Zustände den deutschen Hausfrauen als warnendes Exempel vorführt, beschwört sie diese, den Diensts botenberuf, anziehender" zu gestalten: Internate zur Ausbildung tüchtiger Dienstmädchen zu errichten, die zugleich unentgeltlichen Stellennachweis zu übernehmen hätten, im Haushalt arbeit sparende Vorrichtungen einzuführen, die Mädchen mit Freund lichkeit zu behandeln und möglicherweise" und mit der Zeit" sogar so weit zu gehen, die ausgebildeten, nicht mehr ganz Dr. Elfe Conrad, Das Dienstbotenproblem in den nordameri­fanischen Staaten und was es uns lehrt." Jena 1908. Gustav Fischer. 43 Seiten.

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jungen Dienstmädchen mit Fräulein" anzusprechen. Es hilft nichts, warnt Fräulein Dr. Conrad, fich gegen etwas un­bequeme Neuerungen zu stemmen, die Entwicklung schreitet un­aufhaltsam fort; was nicht freiwillig gegeben wird, wird die Sozialdemokratie erzwingen."

Damit aber die deutschen Hausfrauen nicht allzu sehr vor dem Reformeifer der Sozialpolitikerin erschrecken mögen, beeilt sich diese, hinzuzufügen: In der Verweichlichung der Dienst, boten kann man ebenso zu weit gehen wie in der Überanstrengung, und man leistet den Mädchen wahrlich keinen guten Dienst da­mit, denn das Leben wird sie darum später nur um so härter anfassen." Die Dame unterscheidet sich im Grunde trotz ihrer Ameritastudien recht wenig von den klerikalen Reaktionären, die auch das übel des Dienstbotenmangels beheben möchten, ohne an der Abhängigkeit und Ausbeutung der Dienstmädchen ernstlich zu rühren. Und das ist im Grunde nicht sehr ver­wunderlich, denn es ist eben unmöglich, zugleich bürgerliche und proletarische Interessen zu vertreten, zugleich den bürger­lichen Haushalt zu festigen und die Dienstmädchen wirklich aus ihrer abhängigen und unwürdigen Lage zu befreien. Selbst viel aufrichtigere Reformversuche, als bisher von klerikalen und freisinnigen Dienstbotcnfreunden" vorgeschlagen wurden, müßten an dieser Aufgabe scheitern.

In Amerika ist man vielfach dahin gelangt, die Mädchen außerhalb des Hauses wohnen zu lassen, so daß sie nur be­stimmte Stunden des Tages auf ihrem Dienstplatz zubringen. Dadurch aber wird ihre Stellung schon der der gewerblichen Lohnarbeiterinnen sehr nahe gebracht, wird andererseits schon die bürgerliche Familie vielfach von ihrer altgewohnten Lebens­weise abgedrängt und die bürgerliche Hausfrau und Mutter um einen großen Teil ihrer relativen Unabhängigkeit vom Haus­halt gebracht. Daß aber auf diesem Punkte die Entwicklung nicht stehen bleiben tann, ist sicher. Das wirtschaftliche, geistige und politische Leben unserer Zeit ist nicht nur ganz unver träglich mit einem Wiederanwachsen der häuslichen Gebunden­heit der bürgerlichen Frauen, sondern es fordert vielmehr ge­bieterisch die Emanzipation der Frauen aller Klassen. In immer höherem Maße werden auch bürgerliche Ehefrauen in außer­häusliche Berufe hineingezogen, und dadurch wird es für sic zur Unmöglichkeit, ohne dauernd wirkende Hilfskräfte den Einzel­haushalt aufrecht zu halten. So wirkt schließlich die Dienst­botenfrage auf die gesamte Frauenfrage zurück. Darüber geben sich auch die Gegner der sozialdemokratischen Dienstbotenbewe gung feiner Täuschung hin. Aber dieselbe Erkenntnis, die sic in ohnmächtige Klagen ausbrechen und zu wirkungslosen Schein­reformen ihre Zuflucht nehmen läßt, zwingt uns, auf dem Wege kräftig vorwärtszuschreiten, den wir bisher zu ihrem Schrecken eingeschlagen haben. Therese Schlesinger .

Neue Lasten für die Proletarierin?! Nun soll der proletarischen Frau womöglich noch der dünne Trank verteuert werden, der kaum Kaffee genannt zu werden verdient, weil er, wie dies meist im Arbeiterhaushalt der Fall ist, zur Hälfte oder zu zwei Dritteln aus Zichorie oder einem anderen minderwertigen Ersatz besteht. Und doch spielt dieses Getränk in der Kost der arbeitenden Frau, der Arbeiterfamilie eine hervorragende Rolle. Die Bourgeoisdame schlürft den Kaffee nach einem satten Mahle, wenn sie im Kreise ihrer Freundinnen über die leider Gottes" zunehmende Unmoral in den anständigen" Familien tratscht und über die Untugenden" der Dienstboten. Die Proletarierin dagegen trinkt in sehr vielen Fällen den Kaffee zu jeder Tageszeit. Nicht selten ersetzt er ihr die eigentliche Mahlzeit. Die ledige Ar­beiterin zumal, deren Hein von der Arbeitsstätte weit entfernt liegt, nährt sich" tagsüber fast nur von Kaffee, den sie mit zur Arbeitsstätte nimmt. Kaffee mit Brot oder Kartoffeln bildet auch für viele Arbeiter die Hauptkost. Die Kinder des Ar­beiters trinken Kaffee, da die Mutter keine Zeit und oft kein Geld hat, ein warmes Mahl zu bereiten oder gute Milch zu