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Die Gleichheit

gestiegen. Die neuentstandenen Fabriken haben die ganz kleinen Städte und das platte Land bevorzugt und nur Arbeiterinnen eingestellt; fie wollen auch in Zukunft ebenso verfahren. In der Bigarrenindustrie des Bezirkes Reichenbach im Regierungs­ bezirk Breslau kamen im Jahre

1904 auf 59 männliche Arbeiter 187 Arbeiterinnen

1907 1908

=

#

45 67

V

211

#

276

-

In der Zigarreninduſtrie des Regierungsbezirkes Diffelborf In der Zigarrenindustrie des Regierungsbezirkes Düsseldorf entfielen auf je 100 männliche Arbeiter im Jahre

1904

1908

.

25,4 Arbeiterinnen 28,7

Auch aus der Textilindustrie liegen verhältnismäßig viele Angaben über die Verdrängung der Männerarbeit durch die Frauenarbeit vor. So hat im Regierungsbezirk Potsdam die Abnahme in der Zahl der Arbeiterinnen über 16 Jahre im letzten Jahre mit der Abnahme in der Zahl der männlichen Arbeiter über 16 Jahre annähernd gleichen Schritt gehalten; dagegen steht in der Textilindustrie der Abnahme in der Zahl der männlichen Arbeiter um etwa 7 Prozent eine Zunahme in der Zahl der Arbeiterinnen um etwa 2,1 Prozent gegenüber. - In der Textilindustrie des Regierungsbezirkes Liegnitz kamen auf je 100 männliche Arbeiter im Jahre

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149,1 Arbeiterinnen

1900 1902

·

1908

123,3 163,5

=

A

=

Vom Jahre 1902 ab ist der Prozentsatz der Arbeiterinnen immer größer geworden. In einer Stadt des Regierungs bezirtes Schleswig mit reger Textilindustrie ist der Prozentsatz ber Arbeiterinnen in 25 Fabriken mit rund 2000 Arbeiterinnen innerhalb der letzten sieben Jahre von 38,4 auf 44,9 gestiegen. Genauere Mitteilungen enthält der Bericht über den Re­ gierungsbezirk Köln . Hier ist die Frauenarbeit in der Textil industrie zwar in den Grenzen geblieben, die ihr durch die Natur des Betriebs vorgezeichnet sind. Die Beschäftigungs­ziffer ist jedoch von 39,3 Prozent im Jahre 1902 auf 37,4 % 1908 zurückgegangen. Dagegen ist sie in derselben Zeit in den Spinnereien von 53,1 auf 55,8 Prozent gestiegen. Hier leisten die Arbeiterinnen die Arbeit an den Selfaktoren, den Spul und Zwirnmaschinen, während die Arbeit an den Krempeln, den Wölfen und in der Färberei hauptsächlich von Arbeitern verrichtet wird. In zwei Anlagen aber wurden Arbeiterinnen auch bei der Bedienung von Krempeln und in einer Anlage bei der Bedienung des Misch und Olwolfes angetroffen. In einem Zweige der Textilindustrie, der Kunstwollreißerei, beschränkt sich die Tätigkeit der Arbeiterinnen in der Haupt­fache auf das Sortieren und Ausschneiden der Lumpen, während Männer die Reißmaschinen bedienen und das Waschen, Färben, Trocknen und Verpacken der Wolle besorgen. In einem Be trieb aber wurden auch Frauen bei der ständigen Bedienung der Reißwölfe angetroffen. In den Tuchwebereien, so ent­nehmen wir dem Bericht über den Regierungsbezirk Liegnit, wird die Männerarbeit allmählich insofern durch Frauenarbeit noch weiter verdrängt, als zum Weben glatter, ungemusterter Stoffe vorzugsweise Arbeiterinnen herangezogen werden. Männer können dagegen bei den schweren Arbeiten nicht entbehrt wer den, nämlich beim Bäumetragen, Kettenleimen, bei der Bear beitung schwieriger gemusterter Stoffe.

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Bezeichnend ist es, daß die Gewerbeaufsichtsbeamten in der Metallverarbeitung öfters die Verdrängung der Männer­arbeit durch Frauenarbeit beobachtet haben. So hebt der Be­richterstatter über den Regierungsbezirk Minden hervor, daß in den Betrieben der Metallindustrie allmählich immer mehr Arbeiterinnen an Bohrmaschinen, Pressen und ähnlichen Ma­schinen beschäftigt werden. Unter den wenigen Betrieben", Unter den wenigen Betrieben", in denen die Gewerbeaufsichtsbeamten im Regierungs­ bezirk Merseburg Arbeiterinnen an Plätzen gefunden haben,

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Nr. 21

die früher von Männern eingenommen wurden, werden auch Metallwarenfabriken genannt. In diesen Fabriken wurden leichte Arbeiten, wie das Schneiden kleiner Schrauben, das Zu­sammennieten von Ofentürbeschlägen und blechernen Aschen­fästen von Arbeiterinnen ausgeführt. Dasselbe wird aus dem Regierungsbezirk Oppeln berichtet.

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Der Berichterstatter über den Landespolizeibezirk Berlin ist sogar der Ansicht, daß in den Betrieben der Metallverarbeitung der weiblichen Arbeitskräfte am stärksten bemerkbar macht. So und des Maschinen- und Apparatenbaues sich das Eindringen geht die Bedienung der automatischen Schraubenschneidemaschi­nen, der Stanzen und Pressen immer mehr in die Hände der Arbeiterinnen über. In Blechwarenfabriken werden häufig Ar­beiterinnen als Löterinnen verwendet, desgleichen in Fabriken für elektrische Taschenlampen, hier auch zum Füllen der Ele­mente. An neueren Maschinen, den Sprizmaschinen, sind die Arbeiterinnen als Lackiererinnen beschäftigt. In Galvanisier­anstalten werden sie zum Bedienen der Bäder, in einem Emaillier­werk als Einsetzerinnen am Ofen herangezogen. In vielen Be­trieben der Metallverarbeitung sind sie bei der Herstellung Kleiner Teile an Drehbänken, Bohrmaschinen, Schleifapparaten, Fräsen und Pressen tätig. In Gießereien und Armaturfabriken werden sie als Kernmacherinnen beschäftigt, in Fabriken von Fernsprechapparaten besorgen sie das Zusammensetzen der Mi­frophonteile und der Gehäuse, in Waffen- und Munitions­fabriken das Nachleeren der Geschofse. In einer Hufeisenfabrik haben sie die Stollen abzufräsen, nachzupressen, zu tempern und zu härten. In Klavierfabriken ist ihnen das Polieren und Einbauen einzelner Teile übertragen und in einer Fahr­radkettenfabrik das Entfernen der Späne an den Rollenbohr­maschinen sowie das Zusammenseßen der Ketten. In der Elektro­industrie besorgen sie das Wickeln kleiner Drahtspulen, in einer Knopffabrit leichte Stanzarbeiten.- Zu denselben oder ähn­lichen Arbeiten werden die Arbeiterinnen in den Regierungs­bezirken Breslau , Wiesbaden , Stettin und Stralsund , Magde­ burg , Osnabrück und Aurich verwendet. Hervorgehoben seien noch die Mitteilungen des Berichterstatters über den Regie­rungsbezirk Kassel : Das Polieren und Buzzen von Schmuck­gegenständen im Hanauer Bezirk wird heute fast ausschließlich von Arbeiterinnen, den Poliseusen, ausgeführt. Auch bei der Anfertigung von Goldketten werden jetzt schon vielfach Arbeite rinnen mit Vorteil beschäftigt. Im Berichtsjahr ist auch in einer Diamantenschleiferei versucht worden, Diamanten­schleiferinnen heranzubilden. Bisher wurde Diamantenschleiferei nur von Männern betrieben.

Außerdem erwähnen die Gewerbeaufsichtsbeamten noch viele Arbeiten in anderen Betrieben, die früher von Männern, jetzt aber von Arbeiterinnen verrichtet werden: in Buchdrucke­reien, Lederfabriken, Schuhfabriken, Glasfabriken, in der Konfektionsindustrie, in Marmorschleifereien, in Möbelfabriken, Munitionsfabriken, im photo­graphischen und polygraphischen Gewerbe, in Por­zellanfabriken, in Schokoladenfabriken, in Ziegeleien usw. In den Steinkohlen -( Anthrazit-), Brech- und Sortieranlagen der Regierungsbezirke Stettin und Stral­fund besorgen ältere Arbeiterinnen das Auslesen am Schüttel­sieb. In der Zementsteinindustrie desselben Bezirkes formen Arbeiterinnen fleine Hohlsteine, flicken die Kanten aus und polieren fertig geschliffene Fliesen. Verhältnismäßig stark ist nach dem Bericht über die Regierungsbezirke Osnabrück und Aurich die Frauenarbeit in den Fleischwarenfabriken vor­gedrungen. Neben der Reinhaltung der Arbeitsräume, der Tische und Geräte hat die Arbeiterin beim Reinigen der Därme, bei dem Zerschneiden und Verteilen der Fleischarten für die verschiedenen Wurstsorten, bei der weiteren Verarbeitung des Fleisches zur Wurst und beim Verpacken in größerem Umfang Verwendung gefunden, so daß in diesen Fabriken zur Hälfte Männer und zur Hälfte Frauen beschäftigt werden. Kurz, die Frauenarbeit rückt auf der ganzen Linie vor.

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