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Die Gleichheit

gleichkommt. Ein Herrenhemd wird mit 25 Cts. entlohnt; pro Tag bringt es die Heimarbeiterin auf zwei Stück, wenn sie fleißig ist. Tagesverdienst also 50 Rappen. Eine Strickerei fabrik in demselben Kanton zahlt den zu Hause beschäftigten Arbeiterinnen für Anfertigung von einem Dutzend Paar Socken 1,50 Fr. Eine geübte Strickerin braucht zur Anfertigung eines Baares eine Stunde. Es ergäbe sich daher ein Bruttoftunden­lohn von 10% Cts. oder, abgerechnet die Abnützung der einen Wert von 300 bis 400 Fr. repräsentierenden Maschine, Ersatz von Nadeln, Ol und Reparaturen, ein Nettoverdienst von 10 bis 11 Cts. in der Stunde.

Aus dem Kanton Bern   wird berichtet, daß in den Strickerei fabriken geübte Strickerinnen 1,20 bis 1,50 Fr., höchstens 1,80 Fr. täglich verdienen. Die daheim arbeitende Handftrickerin aber fann bei aller Anstrengung in zwölfftündiger Arbeitszeit 60, allerhöchstens 80 Rappen verdienen, das macht einen Stunden­lohn von 5 bis 6 Rappen.

Ahnlich find die Lohnverhältnisse für die Heimarbeiter in der Textil, Stickerei, Schuh-, Stroh-, Uhrenindustrie usw. Trotz dem machen die Unternehmer und die ihnen dienstbaren bürger­lichen Blätter dem unwissenden Volke mit Erfolg vor, daß ,, wir in der Schweiz   die höchsten Löhne zahlen und im Aus­land Hungerlöhne und großes Elend existieren".

Bei der geplanten Heimarbeitausstellung handelt es sich natürlich nicht um einen Jahrmarkt und nicht um den Nach weis der gewerblichen Leistungsfähigkeit der Heimarbeiter. Sie soll vielmehr die Zustände in der Hausindustrie zur Darstellung bringen. Veranstaltet wird sie vom Schweizer   Arbeiterbund, der eine lose Zentralorganisation sozialer Natur, aber mit parteipolitischer Neutralität ist und dem nebeinander sozial­demokratische, bürgerliche und konfessionelle Organisationen an gehören. Dementsprechend besteht denn auch das Organisations. Tomitee aus Vertretern der Gewerkschaften wie anderer Organi­sationen und verschiedener Behörden( Industriedepartement in Bern  , Kantonsregierungen, Stadt Zürich   usw.). Durch Bei­träge von dieser Seite sind 21 000 Fr. zur Finanzierung der Ausstellung aufgebracht worden.

Über die Organisation der Heimarbeitausstellung äußerte sich deren Generalsekretär, Genosse Lorenz, Adjunkt des schweize­rischen Arbeitersekretariats, folgendermaßen:" In der Haupt sache wird die Ausstellung aus gesammelten Gegenständen aus der Heimarbeit bestehen, zu welchen eine Reihe Erläuterungen über deren Produktion, Bezahlung, effektiver Verdienst usw. gegeben werden. Die Ausstellung verspricht überaus reichhaltig zu werden, sind doch in der Heimindustrie an die hunderts tausend Personen in verschiedenen Berufsarten beschäftigt.

über jeden auszustellenden Artikel werden bei den Heim­arbeitern selbst an Hand eines umfassenden Fragenschemas ge­naue Erhebungen gemacht über die zur Herstellung verbrauchte Arbeitszeit, den bezahlten Lohn, dann Auslagen für Miete, Furnituren, Licht usw. Damit will man möglichst genau den Nettostundenverdienst berechnen. Damit das Urteil nicht ein­seitig wird, nimmt man für jeden einzelnen Artikel bei minde stens vier verschiedenen qualifizierten Heimarbeitern Erhebungen vor. Daneben werden dann auch noch Erhebungen über die Arbeitsräume, Wohnungsverhältnisse, den Gesundheitszustand der Familie, in welcher die Heimarbeit verrichtet wird, usw. gemacht. Man ist allseitig ernstlich bestrebt, möglichst objektive und zutreffende Angaben zu registrieren, um sich von vorn herein des Vorwurfes der Schwarzmalerei oder der Schön­färberei zu erwehren.

Die Zusammensetzung der verschiedenen Komitees birgt von vornherein dafür, daß keine Einseitigkeit aufkommt. Zudem besteht noch eine Rommission, welche die Angaben im kontra diftorischen Verfahren nochmals überprüft, bevor sie zur Aus­stellung gelangen.

Neben den Produkten der Heimindustrie sollen Photographien der Arbeitsräume und deren Einrichtungen einen weiteren Ein­blick in die Verhältnisse der Heimarbeiter gewähren. Durch Ansichtskarten sollen diese Bilder der breiten Masse des Volkes zugänglich gemacht werden und auch so ihre Wirkung aus­

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üben. Ferner ist eine Betriebsabteilung vorgesehen, wo die in der Heimindustrie hauptsächlich zur Verwendung gelangenden Maschinen ausgestellt und teilweise im vollen Betrieb gesehen werden können.

Alle diese Ergebnisse sollen in einem illustrierten Katalog, dem alsdann ein Schlußbericht folgen wird, sowie in Mono­graphien einzelner Gewerbe niedergelegt werden.

Das Studium des so gesammelten Materials wird einen Einfluß auf die Gewerbegesetzgebung ausüben. Die Ausstellung wird die Bestrebungen der Käuferliga fördern helfen, ebenso das Verständnis für die gewerkschaftliche und genossenschaftliche Betätigung. Neben dem gesetzlichen Arbeiterschutz muß auch hier die gewerkschaftliche und genossenschaftliche Organisation der Arbeiter reformerisch und sanierend auf die Verhältnisse ein­wirken."

Die Absicht ist also gewiß gut. Ob sie aber bei der starken Mitwirkung bürgerlicher Elemente und der Zurücksetzung der Gewerkschaften auch verwirklicht werden kann, bleibt abzu­warten. Auf jeden Fall müssen wir wünschen, daß die Züricher  Heimarbeitausstellung mehr der Berliner als der Frankfurter  gleichen möge, denn die Veranstaltung an sich allein tut es nicht; die Hauptsache ist der sozialpolitische Gewinn, und der wird um so befriedigender sein, je gründlicher, allseitiger die Verhältnisse der Heimarbeiter erforscht und je unverhüllter und zuverlässiger sie durch die Ausstellung gezeigt werden.

Aus der Bewegung.

Z.

fanden in Augsburg   zwei öffentliche Frauenversammlungen statt. Von der Agitation. Zur Aufklärung der proletarischen Frauen

In der ersten sprach Genoffin Greifenberg über Die Frauen und die politische Lage", in der zweiten Genoffin Mauerer= München über Mutterschutz und Säuglingsfürsorge". Mit regem Interesse folgten in beiden Versammlungen die Erschienenen dem Referat. Der Beifall, den die Referentinnen ernteten, zeugte dafür, daß sie den anwesenden Frauen und Mädchen aus dem Herzen gesprochen hatten. In der Diskussion geißelte eine Genoffin die christliche Nächstenliebe" der sogenannten Wohltäterinnen der prole­mitglieder gewonnen. Wir hoffen, daß die Anregungen der Ver­tarischen Kinder. Es wurden in den Versammlungen 20 Partei­sammlungen wirksam bleiben und den Genoffinnen ein fräftiger Ansporn zu fernerer Betätigung sind. Gerade in dem vom Pfaffen­tum verfeuchten Augsburg   bedarf es vieler harter Mühe, großer Opfer und zäher Ausdauer, um den Frauen die Erkenntnis in die Herzen zu senken, daß nur die Sozialdemokratie ihre Sehnsucht Tina Simon. nach Licht und Freiheit zu erfüllen vermag.

In einer Reihe von Versammlungen im oberrheinischen Be­zirk sprach Genoffin 3iez Anfang Juli über die jüngsten poli­tischen Vorkommnisse. So fanden Versammlungen statt in Koblenz  , Kreuznach, Sobernheim  , Oberstein  , Idar und Trier  . In Pfaffendorf   war gleichfalls eine Versammlung geplant, ste mußte jedoch unterbleiben, weil wieder das Lokal abgetrieben ward. In Koblenz   wurde außerdem noch eine Besprechung der Genossinnen abgehalten. Überall brennen die Genossen und Genoffinnen dar­auf, in einem frisch- fröhlichen Wahlkampf Abrechnung zu halten mit den volksfeindlichen bürgerlichen Parteien sowie mit der offi­ziellen und mit der inoffiziellen, aber wirklichen Regierung. Es ist unser Trost in dieser trostlosen Zeit, daß das verbrecherische Vor­gehen der bürgerlichen Parteien und das unglaubliche Verhalten der Regierung die Voltsmassen aufpeitschen, fie aus ihrer Lethargie erwecken, sie zum Kampfe rufen und damit in unsere Reihen führen, damit künftige Siege, die endgültige Befreiung der ausgebeuteten Maffen vorbereitend. Die Versammlung in Sobernheim   brachte eine Auseinandersetzung mit dem Oberlehrer, Mary, der es scharf verurteilte, daß die Referentin und vierzehn Tage zuvor Genosse Funt den Kartonnagenfabrikanten Melzbach angegriffen hatten. Genoffin Biet hatte es rückhaltlos tritisiert, daß Herr Melzbach seinen Arbeitern, auch denen, die bei sich zu Hause schaffen, bei Strafe der Entlassung verboten hatte, die Versammlung zu besuchen. Nach der Rede des Herrn Mary fragte sie diesen, ob er das Vor­gehen des Herrn Melzbach gut heiße. Der Herr Oberlehrer ver weigerte auf diese Frage die Antwort, verdächtigte aber dafür Ge noffin Bieß, daß ihre Rede nicht mit ihren Grundsägen, ihrer Über­zeugung übereinstimme. Genossin Zieh brandmarkte solch schäbige, niedrige Kampfesweise, durch die der politische Gegner der Lüge