Nr. 21Die Gleichheit331ehesten den wütenden Stürmen der Krise zu trotzen, am wirksam«sten konnten daher sie die Interessen ihrer Mitglieder auch in derschweren Zeit wirtschaftlichen Niedergangs vertreten. Diese Er-kenntnis, die sich auf feststehende, unwiderlegliche Tatsachen stützt,muß sich mit der Zeit auch unter den Mitgliedern der gegnerischenGewerkschaften Bahn brechen.Diese Erkenntnis kann durch keine Gegenmaßnahmen aufgehalten werden. Auch nicht dadurch, daß der Bundestag derKriegervereine echt krähwinkelisch durch Beschluß dem lang-jährigen Streit darüber ein Ziel setzen wollte, ob GewerkschafterMitglieder der patriotischen Landsturmgarde sein können, und dieseFrage natürlich verneinte. Es wurde als unvereinbar mit denTendenzen der Kriegervereine erklärt, daß seine Mitglieder zugleicheiner Gewerkschaft angehören. Pflicht der Vereine soll es sein, inVersammlungen„Aufklärung" über die Ziele der Gewerkschaftenund der Sozialdemokratie zu geben. Wenn die braven Krieger-vereinler erwarten, daß die Arbeiter in hellen Haufen von den Ge-werkschaften und der Partei abrücken, die Vertretung ihrer wirt-schaftlichen und politischen Interessen ebenso dumm als feig imStiche lassen und sich um das Fähnlein der„Kriecher" scharen, umsich in Kaiserhochs zu üben: werden sie sich arg verrechnen. Imübrigen haben die Herren ganz recht: klassenbewußte Arbeiter habenwirklich nichts, aber auch gar nichts in den Hürden des mords-patriotisch-dynastischen Klimbims zu suchen. Ihre Pfennige, ihreZeit und Kraft ist zu kostbar, als daß sie für diese beschränkt ge-fährlichen Spielereien verschwendet werden dürften.Im Streik der Kieler städtischen Arbeiter ist nochkein Ende abzusehen. Polizei, Magistrat und Arbeitswillige machentäglich durch ihre Taten von sich reden. An ernsten Zusammen-stößen mit der Polizei fehlt es nicht, dafür sorgt diese selbst mitgewohntem Verstand und der üblichen Milde. Die Herren Arbeits-willigen fuchteln mit Revolvern in der Luft herum und knallen ge-legentlich auch los, alles unter den wohlwollenden Augen derHochwohllöblichen. Als Übeltäter werden aber nur die für ihrRecht kämpfenden Arbeiter behandelt. Neuerdings ist ihnen sogareine Brandstiftung angedichtet worden. Ein alter Mistschuppender Düngerfabrik wurde ein Raub der Flammen. Welches Jnter-esse die Streikenden daran haben könnten, daß ein morscher Dünger-schuppen vor der Stadt verbrannte, bleibt das Geheimnis der Er-finder der alberne» Schauermär.Überhaupt wird in Deutschland die Bewaffnung derStreikbrecher mitRevolvern jetzt sehr modern. Aus vielenOrten, wo Streiks bestehen, wird dies gemeldet, so aus Helm-stedt und auch aus Rathenow. Zur Abwechslung liest mandazwischen, daß das Militär den Unternehmern Streikbrecherdiensteleistete. So beim Bauarbeiter st reik in Saarbrücken und beimStreik der Zivil berufsmusiker in Liegnitz. Im letzterenFalle wendeten sich die Zivilberussmusiker mit einer telegraphischenBeschwerde an den Kriegsminister. Dieser überwies die Untersuchungder Sache an die zuständige Stelle. So verbinden sich die Be-Hörden und Gewalten, welche von den werktätigen Massen erhaltenwerden, von ihrer Gnade und Kurzsichtigkeit existieren, mit denausbeutenden Unternehmern, um den Gewerkschaften den Kampffür besfere Arbeitsbedingungen zu erschweren. Sie ergänzen damitnur, was sie im politischen Leben gegen das Vordringen der sozial-demokratischen Ideen praktizieren. Die Nutznießer und Stützen derheutigen Ordnung mögen mit ihren Nucken und Tücken dem imFeuer für seine Befreiung stehenden Proletariat nianche unbequemeund böse Stunde bereiten. Zwingen können sie es nicht.„Den Sozialismus in seinem LaufHält weder Ochs noch Esel aus."Den Gewerkschaften ist wieder ein neuer Kämpe erstanden. Derjunge Verband der Land- und Weinbergsarbeiter und-arbeiterinnen hat die erste Nummer seines Organs„DerLandarbeiter" erscheinen lassen. In leichtverständlichen Ar-titeln fordert das Blatt die geknechteten und entrechteten Land-Proletarier zur Organisation auf, zeigt es ihnen an Talsachen, daßsie sich durch Zusammenschluß der Fesseln entledigen müssen, diegerade auf ihnen so drückend lasten. Ein herzliches Glückauf demneuen Streiter! �Notizenteil.Dienstbotenfrags.Waschfraneu wehren sich ihrer Haut. In dem LandstädtchenWiltz im Osling, das zum Großherzoglum Luxemburg gehört, inwelchem mit die reichsten Kapitalisten ihren Wohnsitz aufgeschlagenhaben, erhoben neulich die Waschfrauen die Forderung nach besserenArbeitsbedingungen. Ihr Vorgehen kam ziemlich überraschend, dennin Luxemburg sind noch gar keine Ansätze zur politischen oder ge-werkschaftlichen Organisation der Arbeiterinnen oder Arbeiterfrauen,geschweige denn der häuslichen Arbeiterinnen vorhanden. Wohlbestehen in der Hauptstadt des Landes eine liberale und eine klerikaleFrauenorganisation, welche auch in der Provinz Mitglieder zählen.Doch diesen Vereinigungen gehören nur sogenannte„bessere" Frauenan, die nicht einmal für die Gleichberechtigung des weiblichen Ge-schlechts im Familienrecht und erst recht nicht für das allgemeineWahlrecht der Frauen kämpfen. Sie befehden sich hie und da einwenig untereinander, im übrigen erblicken sie ihre Aufgabe darin,jene Praxis bürgerlicher Wohltätigkeit zu üben, welche die denkendenArbeiter und Arbeiterinnen mit Recht mißtrauisch und verächtlichbetrachten. Finden im Laufe eines Jahres einige Konferenzen derDamen statt und spricht etwa eine ausländische bürgerliche Rednerinüber dieses und jenes Thema, so tun diese Frauenvereine, als obsie die Welt vorwärts bewegten. Kurz, sie sind Musterbeispiele„modernen" Zeitvertreibs für müßiggehende Damen und haben fürdie Frauen deS werktätigen Volkes nicht die geringste Bedeutung.Es versteht sich von selbst, daß diese ehrsamen Organisationen undihre Mitglieder um die Dienstbotenfrage, die Lage der häuslichenArbeiterinnen, wie Dienstmägde, Waschfrauen und dergleichen, sichnicht kümmern. Diese Ausgebeuteten selbst aber hatten bisher nochkeinen Versuch gemacht, durch Zusammenschluß und geeinigtes Vor-gehen ihre Lage zu verbessern. Kein Wunder das, die Organisationder Arbeiter überhaupt steckt in Luxemburg noch in den Kinder-schuhen. Und doch bedürften hierzulande die Dienstmädchen, Scheuer-und Waschfrauen recht dringend der Organisation, denn wolltenwir ein Bild davon geben, wie die Herrschaften mit den häuslichenLohnsklavinnen umspringen, es würde wahrlich sehr düster aus-fallen. Gewissenlose Stellenvermittler und-Vermittlerinnen vollendenan Ausbeutung der Mädchen und Frauen, was die noblen Herr-schaften beginnen. Es ist deshalb in jeder Hinsicht ein erfreulichesAnzeichen, daß in Wiltz die Waschfrauen gemeinsam bessere Arbeits-bedingungen gefordert haben. Sie veröffentlichten in einem bürger-lichen Blatt, der„Ardenner Zeitung", folgende Anzeige:„Zur ge-fälligen Beachtung! Die Waschfrauen von Wiltz machen hierdurchdie Mitteilung, daß es ihnen bei den gegenwärtigen teuren Zeitennicht mehr möglich ist, zu dem bisherigen Lohn ihre Arbeit zu ver-richten. Niemand wird es deshalb übelnehmen können, daß vonjetzt ab die Preise wie folgt festgesetzt sind: Für große Wäsche(vonmorgens 3 bis abends 9 Uhr) 2,40 Mk. mit Beköstigung pro Tag;für gewöhnliche Wäsche(von morgens 7 bis abends 7 Uhr) odersonstige Arbeiten 2 Mk. mit Beköstigung. Mit Hochachtung zeichnensämtliche Waschfrauen von Wiltz."Jeder halbwegs billig und vernünftig denkende Mensch mußzugeben, daß die Waschfrauen gewiß nicht zu viel verlangten.2,40 Mk. nebst Beköstigung für eine 18 stündige schwere Arbeitszeit,das ist mehr als bescheiden. Die Waschfrauen von Wiltz müssenan große Entbehrungen und hartes Schuften gewöhnt sein, daß siesich mit Arbeitsbedingungen abfinden, wie ihre Forderungen sieerkennen lassen. Die reichen Damen des Städtchens hatten jedochnicht so viel Einsicht, das würdigen zu können. Sie überschüttetendie Waschfrauen in dem obengenannten Blatte mit Hohn. Sieschrieben:„Aus einer Anzeige der„Ardenner Zeitung" vom letztenDienstag ersehen wir, daß sämtliche Waschfrauen von Wiltz ihreLöhne eigenmächtig auf eine Höhe heraufgeschraubt haben, welchesVorgehen von unserer Seite so ohne weiteres nicht gebilligt werdenkann. Sie fordern: 1. 2,40 Mk. mit Beköstigung pro Tag für großeWäsche; 2. 2 Mk. mit Beköstigung für kleine Wäsche. Was dieseWaschfrauen aber bei der Anzeig« vergessen haben zu melden, ist,uns das Menü oder den Speisezettel vorzuschreiben. Für großeWäsche könnte er zum Beispiel lauten: Morgens 4 Uhr erstes Früh-stück(Kaffee usw.); 3 Uhr zweites Frühstück(Schokolade); 10 Uhrdrittes Frühstück(Tee); 12 Uhr Mittagessen(Suppe, Fisch, zweiFleischspeisen, Desserts, schwarzer Kaffee); 4 Uhr Vesperbrot; 7 UhrAbendessen(zwei Fleischspeisen); 9 Uhr letzte Mahlzeit. Flüssiges(das Wort bedeutet im Französischen auch geistige Getränke) außer-dem. Für kleine Wäsche Kost entsprechend. Die Unverfrorenheitder Ansprüche grenzt ans Unglaubliche. Wenn wir wieder zurWelt kommen, werden wir alle Waschfrauen, von wegen der schlechtenZeiten. Sämtliche Hausfrauen von Wiltz."Selbstverständlich hatten sich nicht sämtliche Hausfrauen derStadt durch diesen Wisch geschändet. Es waren nur die„befferen"Dämchen, die über die Begehrlichkeit der Canaille die Nase rümpften.Die Waschfrauen beantworteten das mitgeteilte Dokument boden-losen Unverstandes und Hochmuts wie folgt:„Wenn wir wegender allgemeinen Teurung es nötig fanden, einen Preisaufschlagvorzunehmen, so hat das nicht den Spott verdient, der in demi.'