344

Die Gleichheit

interesse daran. Es macht dort Halt, wo die Volksbildung aus einem Werfzeug zur Mehrung des fapitalistischen Profits zu einem Wittel wird, die Ausgebeuteten im Kampfe gegen ihre Ausplünderung zu stärken. Des weiteren zeigen die Schrifts stücke mit wünschenswertester Handgreiflichkeit, daß die Regie­rungen nichts wie Ausschüsse, Bediente der herrschenden Klassen find. Die schwachen Anwandlungen zu sozialpolitischer Eins sicht, die sie gelegentlich befunden müssen, und die von anspruchs­und harmlosen Gemütern so hoch eingeschätzt werden, fnicken vor jedem ungnädigen Stirnrunzeln des Unternehmertums zu sammen. Was sie an Sozialreförmchen befürworten und schaffen helfen, das machen sie, ihrem eigenen Eingeständnis zufolge, auf dem Verwaltungswege zunichte, sobald das Kapital es will. Ein größeres Maß von Feigheit und Heuchelei den Massen gegenüber ist kaum denfbar. Noch hat die verbesserte Jaffung der Gewerbeordnungsnovelle, den Fortbildungsschul­unterricht betreffend, nicht Gesetzestraft erlangt. Durch die Vertagung des Parlaments ist aber der Entwurf der Regierung zu ihr selbst hinfällig geworden. Um so größer die Gefahr, daß der Sturmlauf der Textilmagnaten sein Ziel erreicht. An den Textilarbeiterinnen, an den Proletarierinnen ist es in erster Linie, das ausbeutungswütige Trachten der Herren abzuwehren. Die vorstehenden Dokumente find treffliche Waffen in ihrem Kampfe für Schuß und Bildung der jungen Arbeiterinnen.

Ein Fluch den Zinsen und Zehnten!

( Beitrag eines deutschen Zentrumsabgeordneten zur Bekämpfung der Zentrumszöllneret.)

"

Ein unerhörtes weiteres Anziehen der Zoll- und Steuer­schraube wird die arbeitenden Waffen zwingen, den Schmacht riemen immer fester zu schnallen. Und die Hungerfur, die ihnen in sicherer Aussicht steht, ist ganz wesentlich mit das Werf des Zentrums. Als fich die Junker und Junfergenossen zum neuen Raubzug gegen die Armen und Kleinen im Reiche rüsteten, war es diese Partei, die den Krippenreitern in den Sattel half. In den Tagen, wo sich solches ereignete, ist ein Gedichtbuch besonderer Beachtung wert, das vor Jahren er­schienen ist, aber von lebendiger Kraft bleiben wird, solange sich in der Gesellschaft Ausbeutende und Ausgebeutete gegen­überstehen. Es heißt Dreizehnlinden" und hat zum Ver­fasser den verstorbenen preußischen Landtagsabgeordneten F. W. Weber , der ein echter Sohn des Volkes war. Der ehe­malige Dorffnabe vergaß in seinem Gelehrtenberufe niemals die Leiden des armen Volfes und bewahrte sein anteilnehmendes warmes Herz für die Leute der Arbeit. Weber pries gegen­über den Ordensjägern als besten Orden eme Handvoll Schwielen"; er verehrte in seiner Poesie die Arbeit, die da nügt und nährt und vorwärts trägt der Menschheit Fahnen". Sein dichterisches Meisterwert, Dreizehnlinden", führt den Titel nach dem Namen eines Klosters im alten Sachsengau, dem heutigen Westfalenlande. Die Zeiten der poetischen Handlung find die Tage Ludwigs des Frommen, dessen Vater jener Kaiser Karl war, dem die bürgerliche Geschichtschreiberei in üblicher Weise für seine Menschenvernichtung den Titel Der Große" verliehen hat. Dieje Kaiser haben das gefälschte Christentum den heidnischen Sachsen mit Blut und Eisen aufgezwungen, als geschäbe es nach dem Gebote der Religion, welche die Liebe predigt. Was noch von den Befehrten am Leben blieb und Christen" genannt wurde, mußte durch Steuern und Fronden sein neues Chriftenheil verdienen. Aber in den sächsischen Wodansverehrern wuchs der Groll gegen den fränkischen Feind; die Empörung wider ihre Unterdrücker loderte immer höher empor. Es kommt zur Revolution, die von teutschen Bauern­weibern geführt wird.

Hören wir den Landsturm" der Frauen brausen:

Neue Gülte, Zins und Zehnten Von der Wolle, von dem Flachse; Von dem Honig neue Behnten, Neue Zehnten von dem Wachse;

Jmmer Dienst und Buß' und Brüchte, Daß der Schaz des Königs wachse: Immer Zehnten, neue Zehnten, Immer zahlen muß der Sachse!" Alio sangen Weiberscharen, Die das Tal hinauf sich trollten, Weiberrache auszuüben

An dem Gelben, dem sie grollten;

-

-

-

-

Eine schritt voran dem Zuge, Dürr und grau wie Eichenborte, Einen toten Haushahn trug sie Hoch auf langgestielter Forle:

"

-

-

-

-

Alten Frevel, neue Unbill Sühnen wir mit Weiberhänden; Königsknecht, du zahlt die Brüchte, Königstnecht, ich will dich schänden! Söhne batt' ich, dreizehn Söhne, O welch berzig macfre Jungen, Alle wie des Sollings Tannen: Alle hat der Krieg verschlungen! Dreizehn! Weiß ich, wo fie modern, Wo sie in der Knechtschaft zittern, Holz zur Herrenfüche schleppen, Mühlen drehn und Hunde füttern? Arm ich selbst; für Zins und Zehnten Ward mir Korn und Kuh gepfändet; Jammer auf und ab im Lande, Und fein Gott ist, der ihn wendet!" Wieder sang es: 3ins und Zehnten Von der Wolle, von dem Flachse; Neue Zehnten von dem Honig, Neue Zehnten von dem Wachse!" Radegund von Baddenhausen Schwang ums Haupt die Eisenspindel: " Fort die Raupen, fort die Käfer, fort das nagende Gesindel! Was die Männer, dumme Dutten, Von dem Übermut der Frechen Tatlos trugen, Hohn und Hiebe, Wir, die Weiber, wollen's rächen. Collen barfuß unsre Kinder Um die Frankenhöfe lungern, Bleiche Bettler wie wir Alten? Beffer hangen als verhungern! Frisch voran, und niemand rede Von Verboten und Gesezen: Freie Lust im Sachsenwalde. War es stets, den Fuchs zu hetzen

-

-

Nr. 22

Frisch voran zum Habichtshofe! Spaßhaft ist's, den Fuchs zu prellen; Brellt ihn heut, sonst prellt er morgen Euch mit Zehnten und mit Zöllen!" Alle sangen: Buß' und Brüchte, Daß der Schaz des Königs wachse: Jmmer Zehnten, neue Behnten, Immer zahlen muß der Sachse!" einer noch vom alten So schildert ein Zentrumsmann die Empörung sächsischer demofratischen Schrot und Korn- Frauen gegen die fränkischen Lebensmittelwucherer. Vor zwanzig Jahren schrieb unser Gesinnungsgenosse Franz Lauf­fötter, als er sich an dem herrlichen Werte Dreizehnlinden" erquickt hatte: Ein Zentrumsabgeordneter vom Schlage des Dichters wird sich schwerlich zu einem Mitgliede der gouver­nementalen Partei der Zulunjt eignen und hergeben. Vor her müßte er wenigstens seine Gedichte in den Ofen stecken und sich Asche büßend aufs Haupt streuen."

Und das Zentrum von heute, das gouvernementale, das nach der Regierungsherrschaft lüfterne Junkerbund- Zentrum? Nach dem alten Frevel" des Bolltarifs die neue Unbill" der Finanzreform!

Heute würde Weber fingen:

Neue Steuern, neue Gülten Bon dem Brote und Getränke;