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Die Gleichheit

anlage allen Arbeitsstaub megnimmt. So soll diese Fabrikanlage alle Anforderungen, die vom bygienischen und fünstlerischen Stand­punft gestellt werden können, eriüllen.

In Hellerau werden noch weitere gewerbliche Betriebe, be fonders Qualitätsbetriebe verfchiedener Branchen sich ansiedeln. Die Gartenstadtgesellschaft wird eine große Gärtnerei ins Leben ruien und auch auf dem Waiftplay die meisten Läden entweder in eigene Regte oder unter besondere Kontrolle nehmen. Die Übers schüsse aus der Landbesiedelung sollen in überwiegendem Waße den Bewohnein selbst zugute fommen: denn die Helleraugesellschaft hat von vornberem eme beichränkte Dividende von 4 Prozent fests gefeßt. Die Gesellschaft hat auch den Ausbau eines Wohlfahrtss viertels ins Auge gefaßt. Unter anderem foll ein großes Gesells schaftshaus auf dem aussichtsreichsten Bunfte des ganzen Geländes gebaut und eine Reformichule im engen Zusammenhang mit der Werfitattarbeit angelegt werden. So toll Hellerau nicht nur eine vorbildliche Villentolonie werden, nicht nur ein Stück guter Archis tektur in schöner Ilmgebung, sondern eine Gemeinde, in der sich die gewerbliche Arbeit und das geistige Leben zu einer organischen Ein­heit verbinden.

Inwieweit sich die weitausschauenden Ziele verwirklichen laffen, fann beute noch nicht gesagt werden, jedenfalls aber beweist die äußerst günstige Aufnahme, die das Projekt bisher gefunden hat, wie sehr es m seinen Grundlinien den sozialen und fünstlerischen Bedürfnissen unserer Zeit entgegenkommt.

Aus den Statuten der Gartenstadtgenossenschaft Hellerau sind folgende Grundsage und Beitimu.ungen bemertenswert: Die Mechte am Grund und Boden sollen so genaltet werden, wie es in der Gartenstadt üblich ist, das heißt die Gesamtheit der Bewohner foll aus der Bebauung des Landes und aus dem steigenden Mehrwert den größten Yugen haben. Baulpeculation jeder Art ist laut Statut ausgeschlossen. Aller Wertzuwachs aus Grund und Boden foll vielmehr nach einer durch das Statut festgelegten Höchstverzinsung der Bodenanteile den Helleraubewohnern in threr Gesamtheit zu­gute lommen. Wer in Hellerau wohnen will, muß sich entweder an die Gartenstadt Hellerau oder an die Baugenossenschaft Hellerau wenden. Die Baugenossenschat Hellerau vergibt Wohnungen ledig lich an Witglieder. Der Beitritt erfolgt durch Übernahme eines Anteils von 200 Mt. Diefer Anteil wird mit einem Höchstbetrag von Prozent verzinst. Die Haftung, die der Genosse für seine Genossenschaft übernimmi, tit auf einen Höchstbetrag von 200 Wit. für jeden Geschäftsanteil festgelegt. Darüber hmaus baftet nies mand für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft. Der Zweck der Genossenschaft Hellerau ist, mittels gemeinschaftlichen Geſchärts­betriebs ihren Witgliedern gesunde und zweckmäßig eingerichtete Wohnungen zu billigen Breifen, und zwar durch überlassung zum Eigentum oder zum Erbbaurecht oder zur Wiete zu verschaften, sowie Sparem.agen der Witglieder zur Verwendung im Betrieb der Genonenschalt anzunehmen. Die Vermietung und sonstige Über­lassung von Wohnungen erfolgt nach Eintragung in eine Woh nungsbewerberliste. Diese Eintragung hat zu erfolgen, sobald ein Genosse eine Spareinlage macht und mindestens 50 P1. bis zum Gesamtbetrag von 100 Wit, darauf einzahlt. Jeder Genosse und jeder Sparer bleibt Eigentümer eines Guthabens. Die Verzinjung wird seinem Anteil jo lange gulgeschrieben, als er nicht voll ein­gezahlt t. Die Hastsumme des Genossen übersteigt niemals die Höhe des Betrages seiner Anteue. Jeder Genone tann sem Gut­haben auf den Schluß emes Geschäftsjahres bei Einhaltung einer sechsmonatigen Frist tündigen. Dagegen tann er jederzeit nach Er fullung semer Berbindlich.etten an die Genossenschaft sein Guts haben durch schrutlichen Bertrag auf einen anderen ubertragen. Er scheidet dann, 1ojern der Erwerber des Gutgavens Genosse wiro, aus der Genossenschaft aus. Im Falle des Todes gut der Genosse mit Schluß des Geschäftsjahres als ausgeschieden. Bis zu diesem Zeitpunti wird die Mitgliedschaft des Bertiorbenen durch seine Erben fortgelegt. Aller Gewinn, der die vierprozentige Verzinjung der Geschäftsanteile überneigt, tommt der Gesamtheit der Genonen zugute. Lesgleichen nimmt die Gesellschaft teil an den Übers schüssen der bodenbesitzenden Genossenschaft Hellerau ; auch diese dars durch Statut nicht mehr als vier Prozent Gewinn verteuen und muß alles übrige zugunsten der Gesamtheit der Bewohner von Hellerau auswenden.

Die idealen, schönen Bestrebungen der Gartenstadtbewegung find nicht zu vertennen. Eie ist ein bezeichnender Ausdruck der Entwicklungstendenzen, welche die wirtschaftlichen und sozialen Um wälzungen unserer Zeit auslösen. Zur Verbesserung der Lage der Arbeiter werden sie aber wenig betragen fönnen. H. Fl.

Notizenteil. Dienstbotenfrage.

Nr. 22

Die Organisation der dänischen Dienstmädchen macht gute Fortschritte. Das befundete der diesjährige Kongres des Dienft. mädchenverbands, der fürzlich in Kopenhagen getagt hat. 100 Delegierte aus der Hauptstadt und aus Provinzorten nahmen an ihm teil, und Tätigkeitsbericht wie Disfuffionen zeigten das frische Leben, das in der Organisation puliert. Es wurde beschlossen, daß diese ein Kartell mit dem Verband der Dienstleute eingeben foll, der die landwirtschaftlichen Taglöhner, Knechte und Mägde zufammenfaßt. Der Kongreß hatte auch die Frage zu erörtern, ob der Dienstmädchenverband sich an den Landesverband der Gewerkschaften anschließen solle. In dieser wichtigen Sache fam es jedoch noch nicht zu einer Entscheidung. Karoline Midelfen wurde als Verbandsvorüßende gewählt. Am Nachmittag des Conntags, an welchem der Kongres zusammentrat, hatte der Dienſt mädchenverband ein großes Fest in dem herrlichen Bart ver­anstaltet, der in der Nähe Kopenhagens bei dem föniglichen Schloß liegt. Die Delegierten und die Mitglieder des Kopens bagener Dienstmädchenvereins marschierten geschlossen durch die Stadt. Es war das der erste Demonstrationszug der dänischen Dienst­boten.

Ein Urteil, das zur höchften Vorsicht bei dem Abschluß eines Dienstvertrags mahnt, ist fürzlich in Erlangen gefällt worden. Eine Köchin hatte sich im November 1908 in das Haus des Hauptmanns v. Rante in Erlangen verdingt. Der Dienit­antritt sollte am 1. Januar 1909 erfolgen. Am 17. Dezember fündigte jedoch das Mädchen den Dienst, noch ehe daß es ihn angetreten hatte, da seme Eltern dem Wechsel nicht zustimmten. Das Dings geld gab es bei dieser Gelegenheit zurück. Am 19. Dezember er­öffnete der Hauptmann dem Mädchen, daß er auf dem Dienstvers trag bestehe. In einer Unterredung geftand er jedoch der Köchin zu, ihr noch Nachricht darüber geben zu wollen. Da das Mädchen bis zum 1. Januar feine Nachricht befam und auch das Dinggeld nicht zurückerhielt, glaubte es, der Hauptmann habe einen Ersatz gefunden. Es verpflichtete fich daher fest, in dem feitherigen Dienst­verhältnis weiter zu bleiben. Am 2. Januar forderte der Haupt mann den Lienftantritt der Köchin für den 6. Januar und drohte im Falle der Weigerung mit polizeilicher Vorführung. Das Mäd chen war erregt und sicherte Eriaß durch eine Freundin zu. Damit war aber die Herrschaft nicht einverstanden und ließ einen Sühne termin anberaumen. Obwohl der Hauptmann selbst nicht dazu erschienen war, wurde dem Mädchen die Unterschrift zu folgender Ertlärung abgefordert: Die Unterzeichnete erflärt, rechtlich vers pflichtet gewefen zu sein, am 1. Januar 1909 in den Dienst des Hauptmanns v. Rante einzutreten. Sie erklärt sich hiermit bereit, Herrn Hauptmann v. Rante für die ihm durch ihr Nichtantreten des Tiensies erwachtenen Konten vollen Ersatz zu leisten." Das Mädchen willigte erit ein, seine Unterschrift zu geben, als der Be­amte erwiderte, daß die Erklärung nur ein Schreckschuß sein solle". Welcher Art dieser Schreckichup" war, follte das Mädchen nur zu balo erfahren.

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Obwohl der Hauptmann vor dem 1. Januar und nach dem 81 Januar eme Aushilistöchin zu dem ortsüblichen Lohn erhielt, wolite er für den Monat Januar nur eine Köchin gesunden haben, der er täglich 2,50 Mit. zahlen und ein Liter Bier geben mußte. Seine diesbezügliche Ausgabe für den Monat betrug also 71,24 Wit. Von diesem Betrag zog der Herr Hauptmann 28 Wit. als Loun ab, den das Mädchen erbalten haben würde, und wurde gegen diefes flagbar auf Bezahlung von 43 Wit. nebst 4 Prozent Zinsen vom Tage der Klagezustellung an. Schneidig! Der Kläger gab an, das Mädchen habe sich für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Tezember 1909 als Köchin verdingt. Als diese unwahrheit zurückgewiesen wurde, redete sich der Kavalier damit heraus, daß er ja nur für einen Monat Schadenersag beanspruche. Das Amtss gericht Erlangen ertannte im Namen seiner Wlajestät des Königs von Bayern Jolgendes zu Recht: Die Beklagte hat dem Kläger 28 Wit. nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehenden Ansprüche des Hauptmanns wurden abgewiesen. Dem Kläger wurden ein Drittel und der Beklagten zwei Drittel der Kosten auferlegt. In der Wes gründung nahm das Gericht an, daß ein Dienstvertrag abgeschlossen worden sei. Eine Auflösung desselben habe nicht stattgefunden. Ten Worten des Klägers, daß er nog Nachricht geben werde, damit das Mädchen wisse, woran es set, fommt nur nebensächliche Bedeutung zu". Aus dem Unterbleiben einer Benachrichtigung tonnte die Beklagte nicht(?) die Schlußfolgerung ziehen, daß der Kläger eine andere Köchin gefunden habe. Der Einwand, daß die