352

Die Gleichheit

Partei im Parlament bald die Majorität erlangen. Das weiß auch die Bourgeoisie und die russische Reaktion. Daher die nie abreißen­den Ränte zur Knebelung des Volkes, die jetzt mit besonderer Energie betrieben werden. Dazu noch die Gefahr, die der natio nalen Selbständigkeit Finnlands russischerseits droht. Die fin­nische Sozialdemokratie kann mit Stolz in die Vergangenheit und mit Vertrauen in die Zukunft schauen. Die errungenen Siege stählen den Mut zu neuen Kämpfen. Und unsere Losung ist der Rampf allwege. Mit frohem Mut schreiten wir vorwärts! Wir wissen, daß uns die herzlichste Solidarität der roten Internatio­nale begleitet. X.- Helsingfors.

Die Delegiertenversammlung des Schweizerischen Arbeite rinnenverbandes hat kürzlich in Winterthur stattgefunden. 29 Delegierte und mehrere Gäste hatten sich dazu eingefunden. Aus dem Jahresbericht des Zentralvorstandes sei das Wichtigste hervorgehoben. Die Reorganisation des Gewerkschafts­bundes machte den Austritt des Verbandes aus ihm notwendig. Frau Faas im Arbeiterinnensekretariat und in der Redaktion der ,, Borkämpferin" wurde durch Genossin Walter- Winterthur ersetzt. Durch Genossin Dolinger- Berlin ließ der Vorstand eine Agitation entfalten, und er wirkte am Zustandekommen der Heimarbeit ausstellung mit. Die Verbandsvorsitzende, Genoffin Dunkel, gab zu dem Bericht mündliche Erläuterungen. Nach dem Kaffenbericht der Kassierin, Genoffin Zinner, betrugen die Einnahmen 1202,55 Fr., die Ausgaben 1092,20 Fr., und das Vermögen stellt sich mit Ein­schluß des Preßfonds der Vorfämpferin" auf 1093 Fr. Das Blatt hat zum erstenmal einen überschuß von 104 Fr. ergeben. Die Settionsberichte lassen wiederum erkennen, daß in manchen Arbeite­rinnenvereinen reges geistiges Leben herrscht. An den verschiedenen Aktionen der gesamten organisierten Arbeiterschaft der einzelnen Drte beteiligten sich unsere Genossinnen ebenfalls. Dem Berband gehören 16 Sektionen mit zirka 1000 Mitgliedern an.

Auf Antrag der Züricher Delegierten wurde beschlossen, durch eine Eingabe an das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement in Bern darauf hinzuwirken, daß das im Strafgesehentwurf vor gefehene Strafminimum von zwei Jahren Gefängnis für Ab­treibung gestrichen und dem Richter die freie Würdigung jedes einzelnen Falles überlassen werde. Die Versammlung trat dem Antrag des Zentralvorstandes bei, die Sektionen zu veranlassen, Erhebungen über die Erwerbstätigkeit von Kindern vor­zunehmen. Genossin Walter hielt einen Vortrag über die Agis tation zur Ausbreitung und Stärkung des Verbandes, wobei sie namentlich auch über die Förderung der sozialdemokratischen Jugendorganisation sprach, die neue Mitglieder für die Bu funft garantieren werde. Den Sektionen wurde die Frage zur Diskussion unterbreitet, ob nicht ein Wiederanschluß an den Ge werkschaftsbund und die entsprechende gewerkschaftliche Reorgani­sation des Verbandes erfolgen solle. Der zielbewußten Vor­fämpferin" wurde die Aufgabe zugewiesen, diese Diskussion ziels bewußt zu fördern. Als Vorort des Verbandes wurde einstimmig wieder Winterthur bestätigt. Mögen die Verhandlungen und Beschlüsse der Delegiertenversammlung dazu beitragen, den Ver­band weiter zu stärken und seine Bedeutung für die gesamte Arbeiter­bewegung zu erhöhen.

"

Z.

I. K. Die holländischen Genoffinnen im Wahlkampfe. In Holland haben die Wahlen zum Parlament und zu den Gemeinderäten stattgefunden. Die sozialdemokratische Partei fann mit Genugtuung auf sie zurückblicken. Sie brachten uns nicht nur einen starten Stimmenzuwachs in den Großstädten und einigen Industriebezirken, sondern alle Genofsinnen und Genossen find wohl darüber einig, daß die letzte Wahlkampagne eine mäch tige propagandische Wirkung auf die Massen ausgeübt hat. Erfolg wirkt ermutigend, und so hat auch dieser Erfolg dem inneren Parteileben sehr wohl getan. Innerlich und äußerlich gestärkt ist die holländische Sozialdemokratie aus diesen Wahlen hervorge gangen. Der Sozialdemokratische Frauenbund benügte die ausgezeichnete Agitationsgelegenheit, welche die Wahlen bieten. Er hat die sozialistischen Ideen unter die Masse der Frauen ge tragen, welche die Genoffinnen sonst schwer erreichen können. Der rührigsten Tätigkeit der Organisation unter den Proletarie­rinnen war die Situation um so günstiger, als die Wahlparole lautete: Heraus mit dem allgemeinen Wahlrecht für Männer und Frauen. Ein besonderes Wahlflugblatt unseres Organs wendete sich an die Frauen und legte ihnen in einfacher und klarer Sprache das große Interesse dar, welches die Arbeiterinnen wie die Ar beiterfrauen an der Einführung des allgemeinen Wahlrechts für Männer und Frauen haben. Das Flugblatt wurde durch Hauss agitation dort verbreitet, wo auch die Frauen einiges Interesse für öffentliche Angelegenheiten bekundeten. Die Adressen der

Nr. 22

Empfängerinnen sind gesammelt worden, und die Mitglieder des Bundes werden diese Frauen aufsuchen und durch Aufklärung für die Bewegung zu gewinnen trachten. Wir zweifeln nicht, daß die Hausagitation unter den Frauen, wenn sie eifrig und geduldig weiter geführt wird, gute Früchte für den Bund wie für die Ver breitung seines Organs tragen wird. Denn das haben uns die Wahlen gezeigt: bei vielen Frauen hat die frühere Gleichgültigkeit dem Interesse für unser Streben den Platz räumen müssen. Diese Tatsache rechtfertigt die Hoffnungen auf zukünftige Erfolge. Wir kennen die Umstände, welche noch zahlreiche Proletarierinnen der Bewegung fernhalten: Tradition, das Neue, Ungewohnte des Versammlungsbesuchs, vielerlei, zu viel häusliche Beschäftigungen, bie Anspruchslosigkeit der Frau, die es als selbstverständlich hin nimmt, daß jeder eher sein Recht haben soll, als die Mutter, die Gattin, die festgewurzelte Meinung, daß für alles eher Geld aus­gegeben werden dürfe, als für ihre Zwecke und Interessen. Des­wegen müssen wir zu diesen zahlreichen Frauen gehen. Mündliche Hausagitation und Verbreitung unseres Organs sind Mittel, die zum Ziele führen. Die Genofsinnen werden diese Mittel gründlich benutzen, um die Ideen des Sozialismus unter die proletarischen Frauenmassen zu tragen. H. Ankersmit- Amsterdam .

Frauenbewegung.

Durch eine billige, aber eigenartige Wohltätigkeit macht sich der Zweigverein Koblenz des katholischen Frauen­bundes verdient". Er hat eine sogenannte Brockensamm Iung geschaffen, die den doppelten Zweck verfolgt, eine billige Raufgelegenheit für die wirtschaftlich schwachen Mitbürger" und eine Unterstützungsquelle der durch den Frauenbund gegründeten Wohlfahrtseinrichtungen" zu sein, denen der Gewinn der Einrich tung zufließt. Durch Zeitungsnotizen fordern die Damen des Ver eins ihre Mitbürgerinnen auf, der Brockensammlung Gebrauchs­gegenstände, Kleider, Wäsche und dergleichen zu schenken, um sie an Bedürftige zu verkaufen, und zwar angeblich zu billigen Preisen. Aber nur angeblich, davon überzeugte sich die Unterzeichnete bei einem Besuch der Brockensammlung. Alte zerfezte Kleidungsstücke, die zu verschenken eine Arbeiterfrau sich schämen würde, Küchen­geräte, denen von dem früheren Emaille nicht mehr viel anzusehen ist, und wie man sie an den Abfuhrstellen der Müllwagen sieht; alte verwaschene Hauskleider, Unterröcke, die aussehen, als hätten bie Dienstmädchen der Damen sie abgelegt, und Brocken " ähnlicher Art werden dort zum Verkauf angeboten. Waschröcke, die nach der Schäzung der Schreiberin dieser Zeilen neu nicht mehr als 2 Mr. wert sind, fosten dort alt und abgetragen 60 Pf. Mit 2 Mt. war ein zusammengestoppelter Rock tagiert, nach dessen Preis sich die Unter­zeichnete erkundigte. Die Damen, die dort in höchsteigener Person einige Stunden in der Woche als Verkäuferinnen fungieren, wollten ihn ihr gnädigst für 1,80 Mt. überlassen. Bei näherer Besichtigung stellte sich heraus, daß er sehr fadenscheinig und gestopft war und unter dem Plissee Löcher hatte. Als die Unterzeichnete ihn näher prüfte und mit der Hand befühlte, wurde ihr gesagt: Reißen Sie ihn nicht noch mehr entzwei!" Findet eine Käuferin die Sachen für den verlangten Preis zu schlecht, so erhält sie die schnippische Antwort: ,, Wär's noch gut, so wär's nicht hier. Die Preise sind fest tagiert, und darunter verkaufen wir nicht." Es sollen sich manchmal auch bessere Sachen unter dem alten Plunder befinden, aber alles in allem verdient die Einrichtung den Namen Brockensammlung. Daß die Damen ihr Geschäft verstehen, beweist der letzte Kassenbericht des Vereins, der auf der Hauptversammlung im Februar d. J. für 1907 und 1908 erstattet wurde. Nach ihm brachte die Brocken­sammlung 2500 Mt. ein, etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen der bürgerlichen Organisation. 2500 Mt. waren also aus den Taschen der Armen in die Hände wohlhabender und reicher Damen geflossen, die sich ihres wohltätigen Sinnes und Tuns rühmen. Die Armen hatten für ihr Geld die alten Brocken erhalten, welche den reichen, frommen Damen und ihresgleichen nicht mehr gut genug waren. Die Reichen aber waren ihren Trödel preiswert" los geworden und ließen sich noch obendrein wegen ihrer charitativen Tugend" preisen. Wer hinter die Kulissen guckt, der sieht, daß diese Art sozialer Fürsorge" nicht nur spottbillig kommt, sondern sich in jeder Hinsicht bezahlt macht. Die Armsten der Armen bringen selbst die Mittel für die guten Werke" der Damen auf. Es geht nichts über die Findigkeit bürgerlicher Wohltäterinnen"! Eine Koblenzer Arbeiterfrau. Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Betfin( Bundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart .

"

Druck und Berlag von Paul Singer in Stuttgart .