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Die Gleichheit

sein, den Lebensbedingungen der häuslichen Arbeitskräfte in Kreuz­nach und anderen Badeorten seine Aufmerksamkeit zuzuwenden und sie zu verbessern, indem er die Dienenden auf den Weg der Dr­br. ganisation verweist.

Frauenftimmrecht.

Ein Förderer des Frauenstimmrechts scheint der Bürger­meister in JImenau im Großherzogtum Sachsen- Weimar   zu sein. Obwohl die Gemeindeordnung des Großherzogtums es zuläßt, daß auch Frauen das Bürgerrecht in einer Kommune erwerben fönnen, sofern sie den allgemeinen Voraussetzungen dafür entsprechen, wies die Bürgerliste von Ilmenau   bisher keine weiblichen Bürger auf. Jetzt, kurz vor den Gemeinderatswahlen, wo die Sozialdemo­fraten mit den bürgerlichen Parteien um die freiwerdenden Man­date tämpfen, ist plötzlich einigen weiblichen Personen das Bürger­recht verliehen worden. Die Gemeindeordnung seht fest, daß das Bürgerrecht durch definitive Anstellung im Hof, Reichs, Staats, Kirchen- oder Schuldienst erworben wird. Telegraphen= gehilfinnen und Lehrerinnen sind nun in Ilmenau   auf Grund dieser Bestimmung in den Besitz des Bürgerrechts gekommen. Das Vorgehen des Herrn Bürgermeisters erinnert verdächtig daran, daß vor drei Jahren gelegentlich der letzten Landtagswahl eine ganze Anzahl Personen zu Bürgern gemacht wurden, ohne daß sie die gefeßlichen Voraussetzungen erfüllt hatten, und daß diese Ent­scheidung offensichtlich als eine Maßnahme gegen die Sozialdemo demokratie betrachtet wurde. Davon abgesehen, find wir erfreut darüber, daß sich der Herr Bürgermeister plöglich als Förderer des Frauenstimmrechts entpuppt. Vielleicht wird er nun dafür ein­treten, daß den Frauen die Erwerbung des Bürgerrechts erleichtert wird, so daß ein allgemeines fommunales Frauenwahlrecht zur Einführung gelangt und, was bei alledem von Wichtigkeit ist, daß die Frauen dann auch ihr Stimmrecht persönlich ausüben können. Bis jetzt können wohl weibliche Personen im Großherzog­tum das Bürgerrecht erwerben, aber sie sind gezwungen, ihre Stimme durch eine männliche Person abgeben zu lassen. Solange die Frauen mit den Bevormundeten auf eine Stufe gestellt werden, so lange ist in Sachsen- Weimar   das Frauenbürgerrecht nur eine Viertelssache. Es hat höchstens eine Wirkung: daß die bürger­lichen Parteien in manchen Orten mit Hilfe der von den Männern abgegebenen Stimmen der Frauen den Sozialdemokraten die Mehr­heit abjagen. Denn der Geldsackspatriot kann zu diesem edlen Zwecke 10 Mark Gebühren für die Erwerbung des Bürgerrechts seiner Frau leichter aufbringen wie der Arbeiter. Den weiblichen Beamten kostet die Erwerbung des Bürgerrechts nichts, und ihre Stimmen so hat vielleicht auch der Herr Bürgermeister in Ilmenau   gerechnet bt. find den Bürgerlichen ganz sicher. Der Einführung des Frauenstimmrechts in Wisconsin  hat der Senat dieses nordamerikanischen Bundesstaates zugestimmt. Das Parlament dagegen hat die gleiche Vorlage mit 53 gegen 34 Stimmen abgelehnt.

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Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

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I. K. Der internationale sozialistische Ausschuß der eng= lischen Genoffiuuen, der seinen Siz in London   hat, besteht nun feit zwei Jahren. Der Anstoß zu seiner Gründung wurde durch die erste internationale Frauenkonferenz zu Stuttgart   gegeben, welche bekanntlich beschloß, daß die Genossinnen der verschiedenen Länder Korrespondent innen ernennen sollten, welche mit der inter­nationalen Zentralstelle der Redaktion der Gleichheit"- in enge Verbindung treten sollten. Die englischen Genossinnen waren der Ansicht, daß zu diesem Zwecke am besten ein besonderer Aus­schuß gegründet würde, in dem die verschiedenen Fraktionen und Organisationen der englischen Genossinnen vertreten seien. Das Frauenfomitee der sozialdemokratischen Partei ergriff die Initiative zu der Gründung, und eine von Genossin Hendin einberufene Ver­sammlung beschloß die Konstituierung des Ausschusses. Ihm wurde die Aufgabe überwiesen, regelmäßige Beziehungen mit den organi­sierten Genossinnen aller Länder zu unterhalten". Der Ausschuß wurde aus je zwei Delegierten folgender sozialistischer Organi­fationen zusammengesett: Die Vereinigung der Fabier, die sozial­demokratische Partei, die Clarion"-Vorhut( ,, Clarion" ist die Zeitung, welche der Sozialist Blatchford herausgibt), das Frauenfomitee der sozialdemokratischen Partei, die Vereinigung für das Stimm­recht aller Großjährigen und die Vereinigung der sozialistischen  Lehrer und Lehrerinnen. Die Genofsinnen der Arbeiterpartei und die Liga erwerbstätiger Frauen waren ebenfalls aufgefordert worden,

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sich im Ausschuß durch Delegierte vertreten zu lassen, sie haben jedoch leider davon abgesehen. Genossin Hendin wurde zur Ehren­sekretärin und Genoffin Dora Montefiore   zur Berichterstatterin des Ausschusses erwählt.

Dieser übernahm es, in England für die Verbreitung der " Socialist Woman"( Die sozialistische Frau") zu sorgen, ein Organ der amerikanischen   Genossinnen, das monatlich erscheint. Es ist feither auch das Organ des Ausschusses geworden und hat seinen Namen in Die fortschrittliche Frau" umgeändert, einen Wandel, den der Ausschuß sehr bedauert.

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Im Mai 1908 organisierte der Ausschuß eine öffentliche Ver­sammlung, in welcher Genoffin Murby( Fabier) ein Referat über die Vernünftigkeit der Frauenfrage erstattete. Das Referat ist seit­her von der Vereinigung der Fabier als Broschüre veröffentlicht worden. Im April 1908 beschloß der Ausschuß, daß eine Reihe von Referaten über die Pflichten des Staates gegen Mütter und Kinder erstattet werden sollte. Material aus den verschiedenen Ländern sollte tunlichst beschafft werden. Es wurden folgende Referate dazu erstattet: Die Mutterschaftsfürsorge von Genossin Murby, Kleinkinderschulen von Genossin Townsend( Fabier) und staatliche Speisung, Kleidung und ärztliche Überwachung der Schulkinder. Genoffin Townsends Vortrag über Kleinkinder schulen ist von der Vereinigung der Fabier bereits veröffentlicht worden, und der Ausschuß hofft, daß der Druck der beiden anderen demnächst erfolgen wird. Damit wäre eine sehr wertvolle Samm­lung von Tatsachen geschaffen, die der Agitation der Genoffinnen gute Dienste tun würde.

Der Ausschuß bekundete seine Sympathie mit den weiblichen Postangestellten von Paris  , die sich im April 1909 am Streit be­teiligten, durch eine Resolution, in der es heißt: Der internatio nale Ausschuß der britischen Genoffinnen sendet brüderliche Grüße den Pariser weiblichen Postangestellten, welche mit so viel Mut und Entschlossenheit im Streit an die Seite ihrer männlichen Berufsgenossen getreten sind und beglückwünscht sie zu ihrem Erfolg."

Der Ausschuß organisierte zusammen mit dem Frauenkomitee der sozialdemokratischen Partei eine Zusammenkunft, in der die Genossinnen 3ettin und Rollontay( Rußland  ), die zur Förde rung des Kampfes für das allgemeine Wahlrecht in England weilten, über den Stand der sozialistischen   Frauenbewegung in Deutschland   und Rußland   referierten. Die Genossinnen Monte­fiore und Murray nahmen als Gäste an dem internationalen Frauenstimmrechtsfongreß teil. Genossin 3ettin hat den Aus­schuß mit interessantem und förderndem Material über den Stand der sozialistischen   Frauenbewegung in den verschiedenen Ländern versorgt. Früher wurden ihre Berichte in den Sigungen durch Ge­nossin Montefiore verlesen, neuerdings iverden sie jedoch in der Frauenzeitung, der" Justice", veröffentlicht, wodurch sie weitere Verbreitung erhalten. Der Ausschuß bereitete eine Resolution für die Tagesordnung des nächsten Internationalen Sozialistischen Kongresses vor, der im Juni 1910 in Kopenhagen   tagen wird. Klara Hendin und Dora Montefiore  .

Jm Verlag von J. H. W. Dieß Nachf. in Stuttgart   ist soeben erschienen:

Die Frau und der Sozialismus

Von August Bebel  .

Fünfzigste Auflage. Jubiläums- Ausgabe. :: Verbessert, vermehrt und neu bearbeitet.:: Die Buchdecke ist von Erich Schilling   entworfen. XXXII und 519 Seiten. Preis broschiert 2,50 Mt., gebunden 3 Mt.

Dieses Buch, das bereits in 117000 Exemplaren verbreitet, in viele Sprachen übersezt ist, bedarf für die Kreise der Genossinnen feiner besonderen Empfehlung. Sie wissen, wieviel sie ihm ver­danken und wieviel sie aus ihm lernen können. Die Jubiläums. ausgabe hat einen wesentlich erweiterten Text, sie wird vielen als Weihnachtsgeschent willkommen sein. Wie wir hören, ist der Ver­lag bereit, einen Rabatt solchen Vereinen zu gewähren, die das Werk für ihre Mitglieder anschaffen. Wir machen die zahlreichen Genossinnen darauf aufmerksam, die bei uns an­fragten, auf welchem Wege ihnen es eventuell ermöglicht werden könnte, das Buch zu billigerem Preise zu erhalten.

Berantwortlich für die Nedaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Poft Degerloch bet Stuttgart  .

Druck und Verlag von Paul Singer in Stuttgart  .