Nr. 7

Die Gleichheit

Art gewesen sein, denn laut den Akten mußten sie sehr oft Strafe bezahlen. Das Amt des Ratstuchenbäckers scheint im fünf zehnten und sechzehnten Jahrhundert stets von Frauen ver waltet worden zu sein. Auch die Stadtwage von Lübeck ist 1453 an die Witwe Mette Wulfes verlehnt worden. Lehre rinnen scheint es seit langem gegeben zu haben, denn 1551 wird dies Recht bestätigt mit dem Vermerk, wie das vann olders her üblich gewesen sei. Die Schulmeisterinnen waren teils Bürgerstöchter, teils Handwerker- und Seemannsfrauen. 1512 unterrichteten in Lübeck zum Beispiel 3 Holländerinnen. Es kam sogar vor, daß Frauen Wachtdienste taten. Zum Beispiel Frau Agnes de Krouwelsche, quae custodit municionem et turrim civi­tatis( das heißt: die Turm und Festung der Stadt bewachte"). Daß es im Mittelalter Ärztinnen gegeben hat, ist schon lange be­kannt. In Frankfurt a. M. sind zwischen 1389 und 1497 nicht weniger als 15 Arztinnen von Bücher mit Namen nachgewiesen worden, darunter 4 jüdische. Um dieselbe Zeit gab es in Lübeck nur eine Ärztin, namens Barbara. An Verdienst scheint es ihr nicht gefehlt zu haben; als sie kurz vor ihrem Tode ein Dar lehen von 900 Mt. aufnahm, fonnte sie einen ansehnlichen Gold- und Silberschmuck zum Pfande sezen. Sehr ausgedehnt war die Frauenarbeit in der Hökerei und Krämerei. Nach früherem Rechte waren die Frauen nur sehr beschränkt hand­lungsfähig, das heißt sie durften nur mit Zustimmung ihrer rechtlichen Vormünder verkaufen, verschenken usw. Auch in dieser Beziehung sprengte die wirtschaftliche Not das alte Recht, und bereits um 1300 wurden die Frauen den Männern hierin gleichgestellt.

Was den Familienstand der gewerblich selbständigen Frauen anbetrifft, so handelte es sich durchaus nicht nur um Witwen, die nach der Zunftordnung das Geschäft ihres Mannes fort­setzten. Vielmehr gab es auch ledige Meisterinnen sowie Ehe­frauen, die allein oder mit ihrem Manne oder auch mit Dritten zusammen ein Gewerbe betrieben.

Wie wenig die Geldheirat" eine Frucht der modernen Zu­stände ist, und wie sehr gerade im Mittelalter nach wirtschaft lichen Gesichtspunkten geheiratet oder vielmehr verheiratet wurde, das zeigen die Zunftpraxis und die Strafen, die auf Neigungs­heiraten" ohne Zustimmung der Eltern oder Vormünder ge­legt wurden. Nie hat das Einheiraten" eine größere Rolle gespielt als in den Zeiten der Zunftordnung. Mädchen, die ihren Eltern in puncto Heirat nicht gefügig waren, gingen schon nach dem ältesten Stadtrecht in Lübeck aller ihrer Habe bis auf die selbstverfertigte Kleidung verlustig. 1467 flagte ein Kaufmann namens Kersten Walbome gegen einen anderen namens Eler Spete, weil dieser ihm seine Schwester tor he gelovet"( zur Ehe angelobt), aber sein Versprechen nicht ge­halten hatte. Nach langem Streite gab er sich mit einer Ent­schädigung von dre syden speckes unde ene mark Lub"( das heißt drei Speckseiten und einer Mark Lübsch= 30 Mt. heu tigen Geldes) zufrieden.

-

Doch zu den erwerbstätigen Frauen zurück! Bisher war nur von selbständigen Meisterinnen die Rede. Neben ihnen gab es eine große Anzahl weiblicher Gesellen und Lehrlinge. Golche, megede"( Mägde) sind bei den Badern, Bernsteindrehern, Malern und Nädlern nachweisbar, vor allem aber fanden sie bei den Haardecken- und Lakenmachern und den Leinewebern als Spinnerinnen und Weberinnen Beschäftigung.

Soviel über die Arbeitsgelegenheiten, die das mittelalter­liche Lübeck seinen alleinstehenden Frauen bot. Wie man sieht, war die Arbeitsgelegenheit mannigfaltig, und angesichts mancher Berufe, die der Frau im Mittelalter offen standen, fann man nicht umhin, jener Zeit eine größere Vorurteilslosigkeit zu zuerkennen, als man sie heute in großen Kreisen findet.

Werfen wir zum Schlusse noch einen furzen Blick auf die vielen Versorgungsanstalten, die alleinstehende Frauen auf nahmen. Es muß da zuerst betont werden, daß sie im allge­meinen nur für die weiblichen Angehörigen der wohlhabenden Bürger in Betracht kamen. Die Mädchen und Frauen der ärmeren Handwerker und der Bevölkerungsschichten, die man als das städtische, handwerkliche Proletariat bezeichnen könnte,

103

stellten das größte Kontingent zu der Zahl der berufstätigen Frauen, von denen eben die Rede war. Sie konnten wegen mangelnder Mittel keine Aufnahme in die angeseheneren An­stalten finden. Mußte doch zum Beispiel Marquard Volkes­dorf 1376 für die Aufnahme seiner Tochter Elisabeth in das Johanniskloster bei Lübeck nicht weniger als 20000 Mt. heu­tigen Geldwertes bezahlen. Minderbemittelten tam der Eintritt billiger, aber durchschnittlich doch immer noch auf 3000 bis 4000 Mt. Viele Mädchen wurden gegen ihren Willen ins Kloster gesteckt. Wer hat nicht schon eines von den wunders schönen Nonnenliedern gelesen, die der Stimmung dieser Un­glücklichen entsprangen? Nicht streng firchlichen, aber doch auch geistlichen Charakter trugen die vielen Spitäler für alte Frauen, wie sie jetzt noch hier und da erhalten sind. Eigens zum Zwecke der Versorgung alleinstehender Frauen sind die welt­lichen Beginenhäuser gestiftet worden. In Straßburg gab es 60 solcher Konvente", wie man sie nannte, mit 700, und in Frankfurt a. M. 57 mit etwa 300 Beginen. Einige Frauen fanden auch in Männerklöstern Unterkunft. Die Dominikaner in Lübeck hielten sich eine Martha" und hatten außerdem ein Separathaus mit mehreren Kammern für alleinstehende Frauen.

In Lübeck waren 600 Frauen in Klöstern, Spitälern, Kon­venten usw. untergebracht. Wie groß die Schar der arbeitenden Frauen in Lübeck war, steht nicht genau fest. Sie hat sicher­lich weit über 1000 betragen. Zieht man in Betracht, daß viele Insassinnen der Klöster, Beginenhäuser usw. gewerblich tätig waren, so darf man sagen, daß die sehr große Mehrzahl der alleinstehenden Frauen auch im Mittelalter sich durch ihrer Hände Arbeit nährte.

Freiwild.

K.

Mit dem Kampfe, den die deutsche Bühnengenossenschaft gegen die im Bühnenverein organisierte Theaterkapitalmacht aufgenommen hat, ist endlich ein frischer Windhauch in die seit Jahrhunderten stagnierende Sumpfatmosphäre des deutschen Theaterelends gedrungen.

Nie vorher hat die Öffentlichkeit so viel über die Korrups tion im Theaterleben erfahren als in jüngster Zeit. Sogar der Minister des Innern hat sich endlich genötigt gesehen, von dem Elend der Bühnenfünftler aftenmäßig Kenntnis zu nehmen. Ein ministerieller Runderlaß an die Regierungspräsidenten forderte Berichterstattung über die Notwendigkeit einer Reges lung der Arbeitsverhältnisse, der bei Theaterunternehmungen tätigen Personen. Daraufhin sind Berichte in großer Zahl ein­gegangen, welche die Berechtigung der Notschreie aus Schau­spielerkreisen vollauf bestätigen.

Erwähnt sei ferner eine Debatte im Neuen Weg", dem Organ der Bühnengenossenschaft. Sie beschäftigte sich mit dem schmählichen Paragraphen des neuen Bühnenvertrags, nach welchem außereheliche Schwangerschaft den Theaterunternehmer zur sofortigen Entlassung berechtigt. Demgegenüber wurde unter anderem die Gründung einer Mutterschaftskasse vorgeschlagen, die alle hilfsbedürftigen Mütter unterstützen soll, gleichviel ob sie ehelich oder unehelich gebären würden. Von anderer Seite wurde dieser Vorschlag mit der absurden Motivierung be kämpft, daß eine Mutterschaftskasse den Schauspielerinnenstand ,, auf einen intellektuellen und sittlichen Tiefstand festnagele".

Man sollte meinen, daß der sittliche Tiefstand des Schaus spiclerinnenstandes durch ganz andere Tatsachen bedingt wird. Es ist doch nicht zu leugnen, daß es kaum einen anderen Frauenberuf gibt, in dem die Prostitution so sehr als etwas Selbstverständliches gilt, wie in dem der Bühnenkünstlerin. In zwei Artikeln in Nr. 14 und 18 der Gleichheit", Jahrgang 19, in denen die Notlage des Bühnenproletariats eingehend er­örtert wurde, ist bereits furz darauf hingewiesen worden, wie verhängnisvoll gerade dem weiblichen Teile desselben die Aus beutungspraktiken der Theaterunternehmer geworden sind. Die große Zahl der sich prostituierenden Elemente hat dem Ansehen des ganzen Schauspielerinnenstandes so schwer geschadet, daß männliche und weibliche Spießbürger mit dem Worte Schau­