Nr. 7

Die Gleichheit

Personen an. In Hergisdorf   war die Versammlung ebenso start besucht. In Scharen waren die Frauen herbeigeströmt, 65 von ihnen traten der Organisation bei. Lange vor der anberaumten Zeit war der Saal in Ziegelrode überfüllt. Viele der Besucher fanden auch hier keinen Einlaß. Die Partei gewann 80 weibliche Mit­glieder. Was Not und Entbehrung nicht fertiggebracht haben, die Frauen aufzurütteln aus ihrer Gleichgültigkeit, um sie ihr Elend, ihre Rechtlosigkeit erkennen zu lassen, das haben die Herren Gruben­direktoren mitsamt dem Landrat durch ihr Verhalten gegen die Streifenden erreicht. Besonders hat die Requirierung des Militärs aufklärend gewirkt. Auch die Frauen erfannten, wohin sie gehören, nämlich zur Sozialdemokratie. Die Kapitalisten und die Gewalten des Klassenstaats haben Wind gefät, sie werden Sturm ernten. Die Sozialdemokratie schaut der Entwicklung der Dinge befriedigt zu. Agnes Fahrenwald.

Frauenbewegung im Mansfelder Revier. Unser Hallesches Parteiblatt schrieb dieser Tage: Nach Beendigung des Streits in Mansfelder Bergrevier, dessen Ausgang allerdings kein voll­befriedigender ist, fanden im ganzen Bezirk große öffentliche Frauen­versammlungen statt. In sämtlichen Ortschaften waren die Ver fammlungsräume schon lange vor Beginn der Versammlung über­füllt, und hier und da wurden die Zugänge behördlicherseits ab­gesperrt. Die Genossinnen Fahrenwald- Berlin, Pollender Leipzig   und Sperling- Halle hatten es übernommen, den Manss felder Frauen in klarer und anschaulicher Weise darzulegen, wie dem deutschen   Volke durch die immer größer werdenden Lasten der indirekten Steuern das Lebensmart ausgefogen wird. Von un­beschreiblicher Begeisterung erfüllt, tamen all die Frauen, um mit in die Reihen einzutreten, neue Kämpferinnen, neue Streitgenos­sinnen für Freiheit und Recht zu werden. Es fanden Versamm lungen statt in folgenden Orten: Hettstedt  , Alsleben  , Hergis. dorf, Ziegelrode, Ermsleben  , Helbra  , Eisleben  , Gerb städt, Erdeborn  , Augsdorf, Wolferode  , Blankenheim  , Bornstedt  , Molmeck, Klostermansfeld  , Schraplau  , Teut­ schenthal  , Leimbach und Ahlsdorf  . Das Resultat dieser Ver­sammlungen war die Gewinnung von 1700 Mitgliedern für die Partei. Eintausend siebenhundert Frauen find uns gewonnen, find uns Genossinnen und Schwestern geworden., Glück auf! euch Mansfelder   Frauen!" Auch wir begrüßen die neugewonnenen Kampfgenofsinnen auf das herzlichste und wünschen ihrer fleißigen Agitation weiteren, dauernden Erfolg.

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L. Z.

In Potsdam   referierte Genossin Zietz über Die Frau als politische Kämpferin". Die gut besuchte Versammlung, in der viele Frauen anwesend waren, nahm einen glänzenden Verlauf. Die Referentin schilderte die Entwicklung, welche die Frau immer mehr in das Erwerbsleben drängt und unterstützte ihre Ansichten durch den Hinweis auf die Gewerbezählung von 1907. Das Interesse der Frauen am politischen Leben zeigte sie überzeugend an den Wirkungen der Reichsfinanzreform. So gelangte sie von zwei Seiten zu dem Nachweis, wie notwendig es sei, daß die Frau sich mit Politik beschäftige und zur politischen Kämpferin würde. Als solche bedürfe fie ihrer vollen politischen Gleichberechtigung, für welche in Deutschland   die Sozialdemokratie mit allem Nachdruck eintritt. Am Schlusse ihrer Ausführungen, die wiederholt von Beifall be gleitet wurden, mahnte die Referentin zu fortgesetzter Agitation. Eine Aufforderung zum Anschluß an die Sozialdemokratie verhallte nicht ungehört. Sie brachte dem Wahlverein 63 neue Mitglieder, unter denen sich 25 Frauen befanden. Also auch in dieser Hinsicht war die Versammlung ergebnisreich. Frau Kiesel.

Das Frauenwahlrecht zu den Gewerbe- und Kaufmanus: gerichten forderten die Genossinnen Berlins   am 30. November in sieben Versammlungen. Referentinnen waren die Genoffinnen: Baader, Hoppe, Jhrer, Zieh, Weyl, Wurm und 8ies. In sehr vielen Städten des ganzen Reiches fanden im November Bersammlungen statt, die dem gleichen Zwecke dienten. So sprach in einer überfüllten Versammlung zu Altona   Genossin Zieh, Genossin Duncker referierte in Tuttlingen  , Genoffin Ihrer in Breslau   usw. In allen Versammlungen gelangte diese Reso­lution einstimmig zur Annahme:

Die Gewerbe- und Kaufmannsgerichte sollen für die in der In­dustrie, im Handel und Verkehr tätigen Personen beider Ge schlechter insofern nugbringend wirken, als sie in den aus dem gewerblichen Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich entwickelnden Streitfällen eine im besonderen Maße des Ver­trauens der Beteiligten versicherte und besonders beschleunigte Rechtspflege zu schaffen berufen sind. Durch die geltenden Gesetzes­bestimmungen sind aber die Arbeiterinnen und die weiblichen An­gestellten von dem aktiven und passiven Wahlrecht für diese Körper­schaften ausgeschlossen, da das Recht, Beisitzer zu wählen und als

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folche gewählt zu werden, nur Personen zusteht, die zum Amte eines Schöffen fähig sind.

Durch diese Bestimmungen werden die Frauen auf eine Stufe gestellt mit Verbrechern und geistig nicht Normalen, denn nur diese erachtet man als zum Amte eines Schöffen neben den Frauen nicht fähig.

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Angesichts der Tatsache, daß Millionen von Frauen und Mäd­chen selbständig für ihren Unterhalt sorgen und Steuern für Staat und Kommune zahlen müssen, bedeutet die Ausschaltung der ar­beitenden Frauen und Mädchen von der Anteilnahme an der Tätig­teit für die Gewerbe- und Kaufmannsgerichte eine wirtschaftliche Schädigung und außerdem eine schwere Beleidigung für die Frauen. Die Stellung der Frau im Erwerbsleben berechtigt nicht zu der Annahme, daß die weibliche Bevölkerung zur Vertretung ihrer wirtschaftlichen Interessen geistig nicht qualifiziert sei. Legtere Möglichkeit kann auch für die Regierung nicht der Grund sein, den Frauen das Wahlrecht zu den Gewerbe- und Kaufmannsgerichten zu versagen. War doch dieses Recht für die Arbeiterinnen in dent Gefeßentwurf für die Arbeitstammern vorgesehen.

Die Betätigung der Arbeiterinnen in den Krankenkassen, dent einzigen Zweige der staatlichen Versicherungsorganisation, in dem bisher dem weiblichen Geschlecht die Anteilnahme an der Verwal­tung zustand, gibt ebenfalls feinen Grund, die Nichtgewährung des Wahlrechts für die Gewerbe- und Kaufmannsgerichte zu recht­fertigen. Was über die Tätigkeit der weiblichen Mitglieder in den Krankenkassen bisher bekannt geworden, läßt im Gegenteil die Ge­währung desselben Rechts auch für andere Körperschaften ganz selbstverständlich und geradezu notwendig erscheinen.

Die erwerbstätige Bevölkerung in Deutschland   protestiert des­halb gegen die bestehenden Gesetzesbestimmungen, die der gesamten erwerbstätigen weiblichen Bevölkerung die Betätigung in den Ge­werbe und Kaufmannsgerichten nicht gestatten, und fordert Be­seitigung dieser empörenden Ungerechtigkeit, deren Anwendung eine wirtschaftliche Schädigung für die Frauen bedeutet und sie zu Staatsbürgerinnen zweiter Klasse degradiert. Sie fordert die Ge­währung des attiven und passiven Wahlrechts zu den Gewerbe­und Kaufmannsgerichten für alle großjährigen erwerbstätigen Per­sonen."

Vom Bremer   Frauenchor. Der Tätigkeitsbericht der Bremer  Genossinnen( Nummer 4 der Gleichheit") enthält folgenden Satz: ,, Die tätigen Genossinnen sind bestrebt, mit ihrer Werbearbeit immer mehr die Kreise noch indifferenter Frauen und Mädchen zu erfassen. Sie richten zu diesem Behuf ihr Augenmert auch auf den Frauen­chor, der in legter Zeit entstanden ist und 150 Mitglieder zählt. Leider ist der größte Teil dieser Frauen und Mädchen nicht organisiert und ohne Interesse für den prole= tarischen Befreiungstampf. Die Genofsinnen werden nicht erlahmen, bis in dieser Beziehung ein Wandel eingetreten ist."

Dieser Satz bedarf der Richtigstellung. Als der Arbeitermänner­gesangverein den Frauenchor gründete, beschäftigte er sich auch mit der Frage, ob dessen Mitglieder politisch und gewerkschaftlich or­ganisiert sein müßten. Er beschloß, nicht wie im Männerchor Dr­ganisationszwang festzulegen, sondern die Erlangung der Mitglied­schaft davon abhängig zu machen, daß der Mann oder der Vater der Eintretenden organisiert sei. Dieser Bestimmung lag die Ab­ficht zugrunde, daß die Frauen und Mädchen im Laufe der Zeit für die Organisationen interessiert und gewonnen werden sollen. Diese Absicht ist mit regem Eifer und gutem Erfolg in die Praxis umgesetzt worden. Zahlen beweisen. Dem Chor gehören jezt 180 fingende Frauen und Mädchen an; diese sind, mit Ausnahme von 4, Angehörige organisierter Genossen. Selbst organisiert sind von ihnen 110; 94 davon gehören der Partei als Mitglieder an, 4 der Jungen Garde und 12 Gewerkschaften. Gewerkschaftlich und poli­tisch zugleich organisiert sind 19 Mitglieder des Frauenchors. 26 Fragefarten über die Organisationszugehörigkeit stehen noch aus, sie können das mitgeteilte Resultat nur noch verbessern. Von den 600 politisch organisierten Genossinnen Bremens   stellt der Frauenchor also allein rund 100. Dabei ist noch zu bemerken, daß sich unter seinen Mitgliedern eine ganze Anzahl junger Mädchen von 15 bis 17 Jahren befinden. Wir glauben, daß diese Entwicklung für sich selbst und für die Werbearbeit im Frauenchor spricht, daß sie das Interesse der singenden Frauen und Mädchen am prole tarischen Befreiungskampf beweist. Der Frauenchor, der erst seit Juni existiert, hat sich heute schon die Ohren und Herzen der orga nisierten Arbeiterschaft Bremens   erobert, er wird bald ein ebenso wichtiger Faktor ihrer Kunst- und Bildungsbestrebungen sein wie der Männerchor. Im Auftrag des Vereins: Ernst Thierfelder.