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Die Gleichheit

Eine Schulfücheninspektorin für die kommunalen Schul­küchen ist in Kopenhagen   angestellt worden. Die neue Be­amtin, Fräulein Eline Hansen, hat ein besonderes Examen für die Materien abgelegt, die für ihren Wirkungskreis in Betracht tommen. Durch Studienreisen im Ausland hat sie sich weitere Er­fahrungen auf dem Gebiete des Schulfüchenwesens gesammelt.

Ueber die Arbeit der weiblichen Aerzte am Neuen Frauen­hospital in London   enthält der Bericht dieses Instituts bemerkens­werte Angaben. Im vergangenen Jahre wurden dort 33 228 Patienten ausschließlich von Frauen behandelt. Die weiblichen Chirurgen vollzogen überaus schwierige und komplizierte Opera tionen. Einzelne weibliche Operateure besitzen einen solchen Ruf, daß sie des österen von männlichen Kollegen zu besonderen Frauen­operationen zugezogen werden.

Frauenbewegung.

Die erste Frauenfektion der chriftlichen Baueruvereine ist in Weiden  ( Bayern  ) kurz vor den Verhandlungen im Reichstag gegründet worden, bei denen sich das Zentrum so tapfer über das Recht der Frauen ausgeschwiegen hat, am öffentlichen Leben teil­zunehmen, Vereine und Versammlungen zu besuchen. Die Initia­tive zu der Gründung ist von dem großen Bauerndoktor" Heim ausgegangen, einem klugen Realpolitiker, der sich nicht scheut, gegen Vorurteil und Dogma zu verstoßen, wenn der Wandel der Zeit eine Revision der Anschauungen fordert. Die Zentralstelle der christlichen Bauernvereine" zu Regensburg  , deren Seele der Zen­trümler Heim ist, berief die Bäuerinnen der nördlichen Oberpfalz  zu einer Versammlung nach Weiden  . Mehr als 900 Frauen vom Lande leisteten dem Rufe Folge. Dr. Heim legte ihnen dar, wes­halb sie sich zusammenschließen müssen. An die Angehörigen jedes Berufs und beider Geschlechter drängten sich Leute heran, die sie für ihre Organisationen gewinnen möchten. Diesen Versuchen, hinter denen nur das Verderben laure, müsse das brave Zentrum zuvorkommen. Der Kluge Mann eilt seiner Zeit voraus, und es ist ein Gebot der Klugheit, auch daran zu denken, unsere Bäue­rinnen zu gewinnen. Die Organisation der Frauen in den Städten hat sich bereits ihre Wege geebnet, und es wird nicht lange dauern, dann kommen diese Organisationsversuche auch auf das Land!" Dr. Heim verwies darauf, daß in Belgien   den Bauernvereinen mit bestem Erfolg Sektionen der Bäuerinnen angegliedert worden seien. In Bayern   solle die Sache in Angriff genommen werden, der ersten Versammlung würden weitere folgen. Die Ausführungen Dr. Heims fielen auf fruchtbaren Boden: 800 Bäuerinnen erklärten ihren Bei­tritt zu der Sektion, die ins Leben gerufen wurde.

Es liegt auf der Hand, daß die neue Organisation in Wahl­zeiten die politischen Geschäfte des Zentrums fördern soll, und daß sie das in erheblichem Maße tun kann. Dr. Heim hat mit seiner Gründung nur konsequent gehandelt, denn er tritt seit Jahren im Lager des Zentrums nachdrücklich für die soziale, die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts ein. Das Zentrum als Ganzes aber, das diese Gleichberechtigung offiziell noch be­kämpft oder wenigstens nicht anerkennt, wird sich schmunzelnd die Hilfe der neuen Emanzipierten  " gefallen lassen. Diese Partei hat es jederzeit mehr mit ihrem Vorteil als mit der Konsequenz ge halten. Daher hat sie wohl den Grundsatz bekannt, das Weib schweige in der Gemeinde", aber sich stillschweigend noch stets da­mit abgefunden, wenn eheliche Frauen der Regierten und schöne Rebsfrauen der Regierenden in das politische Getriebe eingriffen, um die Herzen der Männer im Interesse der Kirche zu lenken. Warum sollte das Zentrum da die politische Arbeit der organi sierten Bäuerinnen nicht freudig bewillkommnen, während es die Betätigung der Proletarierinnen am Klassenkampf mit den besten Flüchen seiner geweihten Agitatoren bedenken läßt? Wir können das Vorgehen des Dr. Heim nur begrüßen. Es bringt die Klassen gegensätze in der ländlichen Frauenwelt zur Entfaltung und spornt uns alle an, auch für die Aufklärung und Organisierung unserer ländlichen Schwestern die ganze Kraft einzusetzen.

Literarisches.

Einige gute Weihnachtsbücher für Proletarier sind noch eingegangen, nachdem die letzte Nummer dieses Blattes bereits er­schienen war. Wir nennen an erster Stelle ein Büchlein, das für die liebe Jugend bestimmt ist, aber auch von recht vielen Er­wachsenen gern und mit Nutzen gelesen werden wird. Es heißt: Im Reiche der Technik", Geschichten für Arbeiterkinder von Richard Woldt  , Verlag Kaden& Co., Dresden  . Preis gebunden 1,50 Mt. Diese Geschichten sollen in leichtverständlicher, lebendiger

Nr. 6

Form Kinder für die Technik interessieren und mit den Elementen ihrer Wunder bekannt machen, die uns heute auf Schritt und Tritt umgeben. Die meisten der Stizzen sind in der Kinderbeilage der Gleichheit" erschienen, und es ist uns daher verwehrt, zu ihrem Lobe mehr zu sagen, als daß sie unserer Meinung nach ihr Ziel erreichen. Sie belehren und fördern das Nachdenken, ohne daß sie ermüden. Am Schlusse jeder Geschichte sind die Leser reicher an Kenntnissen und Erkenntnis geworden, aber kein breitspuriges Do zieren hat ihre Geduld auf eine harte Probe gestellt. Einen Vorzug müssen wir besonders hervorheben, weil diese Geschichten ihn vor Darstellungen ähnlicher Art voraushaben: sie verlieren nie die sozialen Zusammenhänge der Technit aus den Augen, und diese Zusammenhänge werden vom Standpunkt der sozialistischen   Auf­fassung aus gewertet. Wir sind überzeugt, daß es keiner besonderen Empfehlung der Sammlung für die bedarf, denen Richard Woldt  durch seine anregenden Beiträge in unserer Kinderbeilage schon längst ein geschätzter und lieber Freund geworden ist. Die Ge­schichten sind sorgfältig durchgesehen und durch weitere Stizzen vervollständigt worden. Kurt Bergold hat das Büchlein mit passen den, flotten Illustrationen belebt, die auch das Verhältnis tech­nischer Einzelheiten erleichtern, und der Verlag hat es in jeder Beziehung sehr schmuck ausgestattet. So wird es seinen Weg sicher in die Familien der Arbeiter finden und überall wohl aufgenommen werden.

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Die weiteste Verbreitung ist auch einer Sammlung von Soldaten­geschichten zu wünschen, die August Winnig   unter dem Titel ,, Preußischer Kommiß" im Verlag des Vorwärts", Berlin  , ver­öffentlicht hat. Den einzelnen Stizzen des hübschen Buches, die Dambergers Stift frisch illustriert hat, ist nicht die kunstvolle Perücke literarisch modernen Getues aufgestülpt worden. Sie geben sich als das, was sie sind: als unverfälschtes Erleben eines klassenbewußten gebildeten Proletariers, der Herz und Kopf auf dem rechten Flect hat und über ein recht achtungswertes Erzählertalent verfügt, das plastisch zu schildern weiß. Sie zeigen das Leben in der berühmten " Ferienkolonie" des Proletariats, wie es ist, ohne tönendes Pathos der Entrüstung, aber auch ohne mordspatriotische Sentimentalität. Die häßliche Alltäglichkeit des Militarismus, sein geisttötender, barbarischer Inhalt treten hüllenlos hervor und genügen vollauf zur besten agitatorischen Wirkung. Das Buch gehört in die Hand der jungen Leute, die den Schönheiten des Kasernendrills entgegen wachsen. Es wird sich überall und nicht zum wenigsten auch in fleinen Städten und auf dem Lande als ein treffliches Mittel erweisen, Erkenntnis über das Wesen des Militarismus zu ver breiten.

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Zum Schlusse machen wir noch unsere Leserinnen auf eine Reihe früher erschienener Werke aufmerksam, die geeignet sind, tiefer in die Geschichte und das Wesen des Sozialismus einzuführen. Wir denken in erster Linie an die drei Werke von Friedrich Engels  : Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft  ", Der Ur­ sprung der Familie, des Privateigentums und des Staates  ", Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie"; an Karl Mary Revolution und Konterrevolution in Deutschland  ", Die Klassenkämpfe in Frankreich   von 1848 bis 1850"," Der 18. Brumaire"; an Mehrings Lessinglegende" und" Geschichte der deutschen Sozialdemokratie"; an Kautskys Erfurter Programm  ", Ursprung des Christentums"," Thomas Morus   und seine Utopie"; an Bernsteins, Englische Revolution", Zimmermanns Der große deutsche   Bauernkrieg", Engels  ' Der deutsche Bauernfrieg", Krapot­tins Die französische Revolution"; an Blos'" Die große französische  Revolution"," Die Revolution von 1848 in Deutschland  ", Buonar roti, Babeuf und die Verschwörung für die Gleichheit", Heritier, Geschichte der französischen   Revolution von 1848", Lissagaray  , " Die Kommune von 1870"; Bebel  , Die Frau und der Sozialis­mus"," Aus meinem Leben". Diese Werke sind sämtlich, mit zwei Ausnahmen, im Verlag J. H. W. Dietz Nachf., Stuttgart  , erschienen. Krapottins bedeutsame Arbeit, die jeder lesen muß, der die fran zösische Revolution begreifen will, ist bei Theodor Thomas, Leipzig  , verlegt worden, Engels  ' Deutscher Bauernkrieg  " beim Vorwärts", Berlin  . Außerordentlich lesenswert sind auch die folgenden kürzeren populären Abhandlungen, die unter dem Sammeltitel Kleine Biblio­thet" bei J. H. W. Diet Nachf. in Stuttgart   erschienen sind und von denen jedes einzelne Bändchen gebunden nur 1 Mart tostet: Braun, Die Tarifverträge und die deutschen   Arbeiter"; Kautsky  ;" Die Klassengegensätze in der französischen   Revolution"; Käte Dunder, Die Kinderarbeit und ihre Bekämpfung"; Plechanow  , Die Grund­probleme des Marrismus"; Linke," Ist die Welt bewohnt?" Verantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart  .

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Druck und Verlag von Paul Singer in Stuttgart  .