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Die Gleichheit

Mute von neuem aufzubauen, half sie zuerst das System der Vertrauenspersonen schaffen und durchführen, dann unter ge­wandelten Verhältnissen die Genossinnen organisatorisch der Partei eingliedern, aber auch jederzeit ihre Rechte als Gleich verpflichtete wahren. Mit dem Frauenbureau entstand eine von ihr wieder und wieder dringlich gewünschte Institution. Schon auf dem Parteitag zu Halle vertrat sie eifrig und mit Erfolg die Auffassung, daß ein eigenes Organ für die Aufklärung und Schulung der proletarischen Frauen gegründet werden müsse. Sie war die Begründerin und Herausgeberin der ersten sozial­demokratischen Frauenzeitung in Deutschland : Die Arbeiterin" -Die Staatsbürgerin" von Frau Guillaume- Schack konnte fich unter dem Ausnahmegesetz nicht offen als solche geben-, und hat dieses treffliche Agitationsblatt unter großen persönlichen Opfern geleitet, bis es durch die Gleichheit" abgelöst wurde. Die Entwicklung der Frauenbildungsvereine, die Vorläufer unserer heutigen Lese- und Diskussionsabende, ist in tatkräftigster Weise von Genossin Jhrers Wirken beeinflußt worden; nicht wenige dieser Organisationen wurden dank ihrer Initiative gegründet und waren stets der Aufmunterung und des Rats von ihrer Seite sicher. Der genossenschaftlichen Bewegung hat fie von Anfang an verständnisvolle Sympathie und Förderung zugewendet. Sie hat eifrigen Anteil genommen an den Bes strebungen, die sozialistischen Frauen der verschiedenen Länder in enge und regelmäßige Verbindung miteinander zu bringen, die internationalen Frauenkonferenzen immer mehr diesem Ziele und damit dem proletarischen Befreiungskampf dienstbar zu machen.

Kurz, welch Blatt auch immer aus der Geschichte der sozia­ listischen Frauenbewegung wir aufschlagen: es meldet in un­verwischbaren Zügen von Emma Jhrers hingebungsvoller Tätigkeit. Ihre glänzende praktische Begabung befähigte unsere Genossin, die Lösung der verschiedensten Aufgaben zu fördern, mit flarem Blick das praktisch Zweckmäßige zu erfassen, mit geduldiger Hartnäckigkeit an seiner Durchführung zu arbeiten. Jdealer Sinn aber im Bunde mit der sozialistischen Erkenntnis ließ diese Vorzüge im Dienste dieser höchsten Menschheitsziele wirksam werden. Unter den hervorragend tätigen Genossinnen in der Partei, vor allem aber in den Gewerkschaften, sind nicht wenige, die wir als ihre Schülerinnen betrachten dürfen, und unter den Führenden unserer Frauenbewegung ist keine einzige, die ihr nicht über das Grab hinaus für Anregung und freund lichen Rat verpflichtet wäre. Wer zählt die Proletarierinnen und Proletarier, die Genossin Ihrer als nimmer rastende

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Inhaltsverzeichnis.

Emma Jhrer+-Die Beschlüsse der Reichsversicherungsordnungskommission in der ersten Lesung: 3. Ein Attentat auf die wichtigsten Rechte der Ar­beiter. Bon gh. Folgen der Ehescheidung. I. Von Ernst Oberholzer. Das Der Textilarbeiterverband im Jahre 1910. Von H. Jäckel. Frauenstimmrecht. Von Otto Lang. Eine Dienstmädchen bewegung in Wien . Von a. p. Bericht der Kinderschutz

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Aus der Bewegung: Sozialistischer Frauentag..

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fommission von Altona . Von W. Schönfeld. Aus Pforzheim . Von st. Von der Agitation. Von den Organisationen. Politische Rund­schau. Von H. B. Gewerkschaftliche Rundschau.- Die Tarifbewegung in der Holzindustrie. Von f. k.- 3weite Konferenz der organisierten Textilarbeiterinnen des Gaues Süd. Bon t. ch. Genossenschaftliche Rundschau. Von H. F. Notizenteil: Dienstbotenfrage. Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.- Kinderarbeit. Fürsorge für Mutter und Kind. Frauenstimmrecht. -Frauenbewegung.

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Die Beschlüsse der Reichsversicherungs­

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Evangelistin des Sozialismus zu einem höheren Leben erweckt, die sie in der Nacht und Not ihrer proletarischen Existenz mit Trost, glühender Zukunftsfreude und leidenschaftlicher Kampf­begier erfüllt hat? Ihre echte, ungefünftelte Beredsamkeit, die nicht nachahmte, nicht blenden, vielmehr überzeugen wollte, er­wärmte die Herzen und erleuchtete die Köpfe. So war sie in ihrer Wirkung unwiderstehlich.

Die unversöhnliche Hafserin jedes Vorurteils, die rücksichts­lose Verfechterin der vollen Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts, die unerschrockene Kämpferin gegen alle knechtenden und büttelnden Gewalten war ein grundgütiges Weib, eine durch und durch mütterliche Natur. Das Leben hat Emma Ihrer seine Bitternisse wahrlich nicht erspart, sie haben den Reichtum ihres Empfindens nicht verdorren machen. Mit offenem Herz und offener Hand ging sie unbeirrt durch Ent­täuschungen ihre Straße, sie vernahm die kaum gemurmelten Seufzer seelischer Ängste und sah die heimlich geweinten Tränen der stillen leiblichen Not. Und sie half, half, wo immer ein Leid ihre Wege kreuzte, und oft weit über ihre Kräfte hinaus. Aus der Tiefe ihres mitfühlenden Herzens war ihr als junger Frau die starke Kraft gekommen, den Kampf gegen ungerechtig­keit und Knechtschaft in jeder Gestalt aufzunehmen und dabei feine Gefahr zu fürchten, kein Opfer zu scheuen. Eifriges Stu dium hat dann die gefühlsmäßig erfaßte sozialistische Erkennt­nis vertieft und befestigt, heilige Herzenssache ist ihr jedoch der Dienst ihres Ideals jederzeit geblieben.

So steht sie in unserer Erinnerung, ein schönes Beispiel, daß die Frau in aufopfernder Weise die höchsten Bürgertugenden betätigen und in dem sozialen Schlachtgetümmel dieser eisen­gepanzerten Zeit ganz Kämpferin sein kann, ohne aufzuhören Weib zu sein. So hält unverlöschliche Dankbarkeit sie uns lebendig im Gedenken alles dessen, was sie uns gewesen ist, was sie der Frauenbewegung, der um Brot und Freiheit ringenden Arbeiterklasse gegeben hat: eine Führerin, die mehr als Gefolgschaft, die Nachahmung verdient. Das kämpfende Proletariat hat denen, die in der Zeiten Sturmgebraus seine siegreichen Fahnen voraustragen, seine Ehren und seine Liebe zu schenken. Es schuldet Emma Jhrer beides über den Augen­blick hinaus, wo im ewigen Wechselspiel des natürlichen Seins die Welle sie verschlingt, die sie einst hob. Der stolze gesell­schaftliche Bau, in dem eine befreite Menschheit wohnen wird, ist ein Denkmal, dauernder als Erz, das auch Emma Jhrers Wirken fündet.

die Krankenkassen für die Krankenversicherung, die Berufs­genossenschaften für die Unfallversicherung und die Versicherungs­anstalten für die Invalidenversicherung; lettere sollen auch zur Durchführung der Hinterbliebenenversicherung verwendet werden. In den Ortskrankenkassen, der wichtigsten Gruppe der Krankenkassen, üben die Arbeiter den maßgebenden Einfluß aus; sie stellen zwei Drittel der Mitglieder für die Generalversamm­lung und den Vorstand der Kasse, während die Unternehmer nur ein Drittel der Mitglieder entsenden. Die Berufsgenossen­schaften unterstehen der Alleinherrschaft der Unternehmer, die Arbeiter sind von der Leitung der Berufsgenossenschaft ganz ausgeschlossen. In den Versicherungsanstalten endlich führen die Beamten das Wort, die von dem weiteren Kommunalver­band oder dem Staate mit dieser Stellung betraut worden sind; ihnen stehen zwar Vertreter der Arbeiter und Unternehmer in gleicher Anzahl zur Seite, jedoch haben diese Vertreter tatsäch­lich nur sehr wenig mitzureden.

In der ersten Zeit nach dem Erlaß der Krankenversiche

ordnungskommiſſion in der ersten Lesung. rungsgesetze erſchien den Unternehmern die Selbstverwaltung

3. Ein Attentat auf die wichtigsten Rechte der Arbeiter. gh. Den heftigsten Kampf haben unsere Genossen im Reichs tag bei der Reform der Arbeiterversicherung um die Träger der Versicherung" zu führen. Unter den Trägern der Ver­sicherung" werden in dem Entwurf der Reichsversicherungs­ordnung die Körperschaften verstanden, die zur Durchführung der Versicherung geschaffen worden sind. Bekanntlich haben wir

der Arbeiter in den Ortskrankenkassen nicht bedenklich. Die auf­geklärten Arbeiter waren meistens in den freien Hilfskaffen. Daher konnten die Unternehmer durch einige wenige ihrer" Leute, Werkmeister und gutgesinnte" Arbeiter, solche Arbeiter­vertreter für die Generalversammlung und den Vorstand der Ortskrankenkasse wählen lassen, die genau so tanzten, wie ihre Herren pfiffen. Mit der Zeit aber trat hier eine vollständige Umwälzung ein. Immer mehr aufgeklärte Arbeiter wurden in