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Die Gleichheit
ausgeschlossen. Die neue Jdee hat also einen großen Halen. Jm übrigen würde, wenn dieses merkwürdige Verfahren der Krämer Schule machte, das Interesse der Arbeiter erst recht auf die Konfumvereine gelenkt. Die beabsichtigte Wirkung bleibt nicht nur aus, fie schlägt vielmehr in das Gegenteil um. So wird die Anwendung dieses überschlauen Gedankens praktisch unmöglich, sonst aber direkt schädlich für die Mittelstandsretter sein. Immerhin muß darauf hingewiesen werden, damit sich die Konsumvereine keine Ruckucks eier ins Nest legen lassen.
Notizenteil.
Dienstbotenfrage.
Mit der Lage der Nürnberger Hausarbeiterinnen beschäftigte sich eine start besuchte Versammlung, die vom Nürnberger Hausangestelltenverband einberufen worden war. Das Referat hatte die Arbeitersekretärin, Genossin Grünberg, übernommen. Nach ihren Ausführungen sind in Nürnberg 2000 Frauen als Wasch- und Puhfrauen, Zuspringerinnen und Monatsfrauen beschäftigt. Die Arbeits- und Lohnverhältnisse dieser Hausarbeiterinnen sind außer ordentlich schlecht. Für sie besteht kein Arbeiterschutz, feine geregelte Arbeitszeit, keine bestimmte Pause zum Essen. Für 12 bis 16 Stunden hartes Mühen werden 1 bis 2,20 Mt. Taglohn gezahlt, der Stundenverdienst beträgt also 8 bis 14 Pf. Ebenso gering find Frauen entlohnt, die nur stundenweise beschäftigt werden. Auf Neubauten bekommen die Puzfrauen zwar etwas höhere Löhne, allein eine Bezahlung von 20 bis 30 Pf. pro Stunde für ihre äußerst schwere und schmutzige Arbeit ist ebenfalls zu niedrig. In den Fällen, wo die Hausarbeiterinnen das Essen erhalten, ist dieses häufig ganz ungenügend. Nicht selten wird ein dünnes Scheibchen Brot und schlechter Kaffee als Mittagessen verabreicht. In bezug auf Arbeitsund Lohnverhältnisse lauten die Forderungen der hauswirtschaft. lichen Arbeiterinnen: Einführung des Zehnstundentags und eines Mindeſtſtundenlohnes von 30 Pf. Wird Kost gegeben, so soll der Lohn pro Stunde 25 Pf. betragen. Für Überstunden sind 35 Pf. zu zahlen. Auf Bauten beschäftigte Frauen müssen 40 Pf. Mindest= stundenlohn erhalten. Bei diesen Forderungen ist zu bedenken, daß die in den Nürnberger Gemeindebetrieben beschäftigten Putz- und Waschfrauen schon längst 2,60 bis 3,60 Mt. Taglohn bekommen. Sehr ungünstig ist auch die Lage der Hausarbeiterinnen in betreff der Versicherungsgesetzgebung. Die Unfallversicherung fommt für sie gar nicht in Betracht und die Krankenversicherung nur, wenn die Arbeit länger als acht Tage dauert und in einem Gewerbebetrieb stattfindet. Einzig und allein der Invaliditäts- und Altersversicherung sind sämtliche Hausarbeiterinnen unterstellt. Hierfür muß jede Woche eine Marke geklebt werden, auch wenn die Frau nur einige Stunden auf einer Arbeitsstelle tätig ist, und zwar ist zum Kleben der Arbeit geber verpflichtet, bei dem die Arbeiterin zuerst in der Woche tätig ist. Aber selbst diese einzige Versicherung wird nicht immer durchgeführt. Die Frauen scheuen sich oft, die Invalidenkarte zum Kleben vorzuzeigen, weil die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen ein großes Geschrei zu erheben pflegen über die Unverschämtheit dieser Personen", denen man neben fürstlichen Löhnen auch noch Versicherungsbeiträge zahlen solle. Um diesem Gejammer aus dem Wege zu gehen, verzichten die armen Frauen auf ihr fümmerliches Recht. Neben der Forderung einer fürzeren Arbeitszeit und höherer Löhne müssen die Hausarbeiterinnen daher auf die Innehaltung der Verücherungspflicht dringen. Zum Schlusse betonte Genoffin Grünberg, daß die Hausarbeiterinnen Aussicht auf Durchsetzung ihrer Forderungen und Erfüllung ihrer Rechte nur dann hätten, wenn sie sich zusammenschlössen im Hausangestelltenverband. Es folgte eine anregende Dis kussion, in der die angeführten Mißstände durch viele Beispiele erhärtet wurden. Sie zeigten, daß von Justizrats an bis zum Gast wirt herunter miserabel gezahlt, die Arbeitszeit endlos lang ausgedehnt und die Versicherungspflicht außer acht gelassen wird. Auf Wunsch der anwesenden Hausarbeiterinnen soll im Januar wieder eine Versammlung stattfinden, die sich mit ihren Arbeitsverhältnissen beschäftigt.
Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.
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Zur Lage der Textilarbeiterinnen in Schlesien . Schlesien ist das Land der schroffsten Gegensätze. Der geradezu fabelhaften Vermehrung des Reichtums der Großindustriellen steht die grenzenlose Armut und leider auch Bedürfnislosigkeit der Arbeiterschaft gegenüber. Die durch Generationen währende Unterernährung als Folge der Ausbeutung durch Junker und Kapitalisten hat das schlesische Proletariat in seiner Widerstandsfähigkeit geschwächt.
Nr. 8
Die geistige Entwicklung ist ferner lange aufgehalten worden durch das Pfaffenregiment und den weitverbreiteten Alkoholgenuß, dem gerade dort am meisten gefrönt wird, wo die Schwarzen sich am eifrigsten die Niederhaltung der Arbeiter angelegen sein lassen. Aber es beginnt auch in Schlesien unter den Ausgebeuteten zu tagen. Die gedrückte schlesische Arbeiterschaft rüttelt an den Ketten, die sie fesseln. Daß sie sich ihrer Knechtschaft bewußt wird, dafür sorgt das Unternehmertum selbst. Die Arbeiterinnen müssen für Schundlöhne schuften. Verdienste von 6 bis 7 Mt. pro Woche werden schon als gute bezeichnet, es kommt auch vor, daß Arbeiterinnen 4 Mt., ja sogar 2 Mt. heimbringen, und von diesen Löhnen müssen sie oft noch Pflegegeld für ihre Kinder in der Höhe von 3 bis 3,50 Mit. wöchentlich bezahlen! Zu der miserablen Bezahlung kommen noch Lohnverschlechterungen durch unkontrollierbare Berechnungen, Fehlerstrafen, mehrtägiges Warten auf Retten ohne Entschädigung, willkürliche Lohnabzüge, Leistung von unbezahlter Nebenarbeit usw. Die Bestimmungen der Gewerbeordnung exis stieren für die Unternehmer nicht. Arbeitszeiten werden in der Arbeitsordnung festgelegt, aber gewohnheitsmäßig wird eine Viertelstunde zu früh mit der Arbeit begonnen. Die Reinigung der Arbeitsräume wird als überflüssig betrachtet. Wo sie doch vorge nommen wird, geschieht es während der Arbeitszeit, damit die Arbeiterinnen den Staub schlucken müssen. Schutzvorrichtungen an den Maschinen fehlen, auch gutes Licht ist für Arbeiterinnen Lurus; Trinkwasser, das für jedes Tier gehalten wird, fehlt ebenfalls in vielen Betrieben, von Speiseräumen, Antleideräumen, Waschräumen ganz zu schweigen. Aborte sind nicht in genügender Zahl vorhanden, Verschlüsse an den Aborttüren fehlen, um die Arbeite rinnen kontrollieren zu lönnen. Ein Fabritbesitzer, Leutnant a. D., scheut sich nicht, seine Lohnsflavinnen höchst eigenhändig vom Abort zu holen. In dem Musterbetrieb desselben Herrn gedeiht das Schmarozzertum der Aufseher und Meister vortrefflich. Den Leuten muß nach Ansicht des Expedienten die Arbeit um die Ohren geschlagen werden. Als der Regierungspräsident einmal den Betrieb besichtigte, wurde des guten Eindrucks wegen alles mit Tannengrün ausgeputt; für gewöhnlich aber mangelt es an der elementarsten Reinlichkeit. So müssen sich zirka 400 Personen mit zwei Handtüchern behelfen! Bugabe zu den geschilderten Mißständen ist fast in allen Betrieben die unanständige, zum Teil brutale Behand= lung der Arbeiterinnen durch die Vorgesetzten, die sich zur cynischen Robeit steigert gegenüber schwangeren Arbeiterinnen. Man muß fragen, wie der Gewerbeaufsicht derartige Zustände verborgen bleiben können. Über die mörderische Wirkung der Heimarbeit gibt der Bericht der Laubaner Ortskrankenkasse Aufschluß. Die dort mit dem Säumen der Taschentücher beschäftigten Frauen arbeiten meist bis 2 Uhr nachts. 80 Prozent der Versicherten sind unterleibskrant. Die Notwendigkeit der gewerkschaftlichen Organis sation liegt auf der Hand, wenn in diesem Goldlande der Ausbeutung und Willkür Wandel eintreten soll, der die Arbeiterinnen und Arbeiter ihres Menschentums froh werden läßt.
Kinderarbeit.
Martha Hoppe.
Kapitalistischer Kindermord in der Demokratie. So wichtig die politische Verfassung des Staates für den Kampf des Prole tariats ist, so bedeutungslos ist sie für das Wesen der tapita Das äußert sich auch darin, daß die Kinder listischen Ordnung. der Armen in demokratischen Gemeinwesen gerade so sehr der Ausbeutung preisgegeben sind wie in absolutistisch- monarchischen Staaten. Die demokratische Schweiz beweist das am besten. Und was haben unsere Genossen dort nicht alles auf politischem Gebiet erreicht! Sozialdemokratische Mehrheiten in Gemeinden, sozial demokratische Polizeipräsidenten, Minister, Pfarrer, Lehrer usw. gibt es seit Jahren. Aber der Ausbeutungssucht brutaler Profitgier ist damit noch nicht der Boden abgegraben. So rollt die vor turzem veröffentlichte Enquete über die Kinderausbeutung in der Spizenfabrikation von St. Gallen und Umgebung ein erschreckendes Bild sozialer Verhältnisse auf.
In St. Gallen ist die Heimindustrie so zu Hause" wie bei uns in Thüringen , im Riesen-, Eulen- und Lausitzer Gebirge , und damit ist es auch der klassische Boden der Kinderarbeit in der Schweiz . Von den dort vorhandenen 43 832 Schulkindern waren ein volles Drittel, 14218, erwerbstätig! Ja, in einzelnen Bezirfen waren fogar 53 bis 58 Prozent aller Kinder gezwungen, den reichen Stickereifabrikanten für ein paar Bettelpfennige zu dienen, damit die Eltern nicht verhungern! Wohl ist für die Fabriken auch in der Schweiz die Kinderarbeit gesetzlich verboten- allein die Fabrikanten umgehen das Verbot dadurch, daß sie den Kindern die